
Private Briefe von Jackie Kennedy: Gefühlswelt einer First Lady
Jackie Kennedys private Briefe "Es kann die Hölle sein"
22. November 1963, Dallas. Vom Rücksitz des noch immer rollenden Präsidenten-Cabrios robbt eine panische First Lady. Der US-Präsident ist vor wenigen Minuten per Kopfschuss getötet worden. Und Jackie Kennedy versucht gerade verzweifelt über den Kofferraum nach der helfenden Hand des Bodyguards zu greifen. Fast scheint es, als wollte sie an diesem Tag nicht nur aus der Schusslinie, sondern auch aus dem Licht der Öffentlichkeit krabbeln. Und zwar für immer.
Zeit ihres Lebens galt Jackie Kennedy als Mysterium. Bis zu ihrem Tod am 19. Mai 1994 gab sie nur ausgewählte Einblicke in ihre Gefühlswelt, Interviews mied sie. Und bei den wenigen öffentlichen Auftritten, die sie nach dem Attentat absolvierte, verteidigte Jackie stets stoisch das Heldenbild ihres Mannes - ganz gleich, wie viele außereheliche Eskapaden ihres geliebten "Jack" auch ans Licht kommen mochten.
Doch ein öffentlich gemachter Briefwechsel zeichnet ein anderes Bild der vornehmen Präsidentengattin. Über 14 Jahre - darunter auch die zehn Ehejahre - soll Jackie Kennedy einem irischen Priester namens Joseph Leonard Dutzende Briefe geschrieben und darin dem Geistlichen tiefe Einblicke in ihr Privat- und Eheleben gewährt haben.
Im Juni 2014 wurden in einem Auktionshaus in dem irischen Provinznest Durrow die Dokumente versteigert. Woher die bis dahin unveröffentlichten Briefe kommen, verrät die Einrichtung nicht. Unter den Hammer kamen insgesamt 130 handbeschriebene Seiten, die die First Lady zwischen 1950 und 1964 verfasste und nach Irland schickte. Einige davon sind sogar auf dem Briefpapier des Weißen Hauses geschrieben.

Private Briefe von Jackie Kennedy: Gefühlswelt einer First Lady
In ungewohnter Offenheit berichtet Jackie Kennedy darin von ihrer großen Liebe zu JFK, "dem Sohn des US-Botschafters in England", der manchmal so machtversessen "wie Macbeth" sei und ihr einen "erstaunlichen Einblick in das Leben von Politikern" gewährt habe. Und die seien, so Jackie, "ein Typus für sich".
"Traurige kleine Hausfrau"
1953, als John F. Kennedy noch Senator in Massachusetts war und Jackie noch Bouvier mit Nachnamen hieß, gestand sie Priester Leonard sogar, dass sie langsam Zweifel gegenüber ihrem späteren Ehemann hege. JFK erinnere sie in mancherlei Hinsicht an einen anderen wichtigen Mann in ihrem Leben: "Er ist irgendwie wie mein Vater, er liebt die Jagd und ist gelangweilt von der Eroberung. Auch nach der Hochzeit wird er noch lange ein attraktiver Kerl bleiben und mit anderen Frauen flirten. Ich habe selbst erlebt, wie meine Mutter daran beinah zugrunde gegangen wäre."
Jackie und John F. Kennedy heirateten dennoch im selben Jahr. Doch mit gerade einmal 24 Jahren konnte und wollte die junge Kennedy sich offenbar nur schwer mit ihrem neuen Leben anfreunden. Kurz nach der Hochzeit schrieb sie dem Priester erneut: "Vielleicht bin ich nur geblendet und sehe mich selbst in einer Glitzerwelt gekrönter Häupter - und nicht als traurige kleine Hausfrau. Es ist eine Welt, die von außen betrachtet sehr glamourös wirken dürfte, aber für Dich, wenn Du drinsteckst - und einsam bist - die Hölle sein kann."
Die Exzerpte, die von der "Irish Times" erstmals veröffentlicht wurden , lesen sich wie persönliche Tagebucheinträge - von einer Frau, die um ihre tiefsten Gefühle stets einen hohen Schutzwall baute. Die Briefe lassen den Heldenmythos JFK bröckeln, den Jackie über Jahre selbst aufgebaut hatte. Zwar gibt es Dutzende Kennedy-Biografien mit Zitaten von Zeitzeugen, Wegbegleitern und entfernten Bekannten, die jede noch so kleine Kennedy-Eskapade ausleuchten. Die First Family selbst schwieg hingegen stets - allen voran Jackie Kennedy.
Außerdem ist bemerkenswert, dass Kennedy, obwohl sie den irischen Priester nur zweimal persönlich in Irland traf (1950 und 1955), bis zu dessen Tod rund 30 Briefe schrieb, in denen sie Krisen und Schicksalsschläge verarbeitete.
Dazu gehörte vor allem das Attentat in Dallas vor gut 50 Jahren, das die scheinbare Vorzeigeehe auf jähe Weise beendete. In den vertraulichen Briefen beichtete Jackie Kennedy Priester Leonard, wie sie nach dem Tod ihres Mannes "bitter gegen Gott" wurde und an ihrem Glauben zweifelte: "Gott wird mir wohl ein paar Erklärungen liefern müssen, sollte ich ihn jemals sehen."