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Jimmy Hoffa - der Gewerkschaftsboss und die Mafia

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Hank Walker/ The LIFE Images Collection via Getty Images

Vor 45 Jahren Der Tag, als Jimmy Hoffa verschwand

Wo ist Jimmy Hoffa? Der mächtige Gewerkschaftsboss, der engste Mafia-Kontakte pflegte, verschwand am 30. Juli 1975 spurlos - das Rätsel beschäftigt die USA bis heute.

Der Tag, als Jimmy Hoffa verschwand, begründete einen amerikanischen Polit- und Pop-Mythos. Schon Hoffas Leben und Karriere hätten dafür gereicht. Hoffas nie aufgeklärter Tod ist die überaus sinistre Pointe seiner Geschichte.

Wer sie erzählen will, hat für die Nebenrollen die freie Auswahl aus High Society und Halbwelt der USA in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren. Es war diese Gemengelage, die aus dem korrupten, gewaltbereiten Arbeiteraktivisten Jimmy Hoffa einen der mächtigsten Männer der Staaten werden ließ - Hoffa war ein Bindeglied zwischen Politik und Unterwelt.

Was man über sein Ende sicher weiß: Zuletzt gesehen wurde James "Jimmy" Riddle Hoffa am 30. Juli 1975 gegen 14.15 Uhr (manche Zeugen behaupten: 14.45 Uhr). Er stieg vor dem Restaurant Machus Red Fox in Bloomfield Hills bei Detroit in ein Auto mit weiteren Männern darin. Sie kannten sich offenbar und redeten miteinander, als sie wegfuhren.

Worüber es nur Vermutungen gibt: Wer Jimmy Hoffa wann und wo tötete...

  • ... ob Hoffa in einem als Verhandlungsort angemieteten Haus erschossen, mit einer Injektion betäubt und in einem Garten oder auf einem Feld exekutiert, mit einem Spaten niedergeschlagen und lebendig begraben, schon im Auto ermordet oder an einen anderen Ort, in eine andere Stadt, ein anderes Land gebracht wurde - und ob seine Leiche sodann...

  • ... in eine Öltonne gestopft oder in den Kofferraum eines Schrottautos gelegt wurde, das in einer Ford-Schrottpresse in Detroit landete;

  • oder der Leichnam in winzige Stücke zerhackt und mit Beton vermischt wurde, um danach Teil des Tribünenbaus auf Höhe der 10-Yard-Linie im New Yorker Giants-Stadion zu werden;

  • oder in Florida im Sumpf an die Tiere verfüttert wurde;

  • oder in einem Container oder Fass verpackt nach Japan verschifft wurde, Endstation Schrottpresse;

  • oder in einem Fettverarbeitungsbetrieb entsorgt wurde, der - womöglich nicht zufällig - abbrannte, bevor man ihn durchsuchen konnte;

  • oder ob die Leiche von der New Yorker Verrazzano-Narrows-Brücke hinab in den Hudson gestürzt und weiter in den Atlantik gespült wurde.

Jede dieser Theorien vertreten Zeugen oder Experten - und die Liste ist nicht einmal vollständig. Bei der Vielzahl der Orte, die um die zweifelhafte Ehre konkurrieren, zu Hoffas letzter Ruhestätte geworden zu sein, könnte man sagen: Hoffa ist quasi überall.

Genau so wirkte es auch, als er auf dem Höhepunkt seiner Macht war.

Hoffas Anfänge: Aufstand der Erdbeer-Jungs

Das Wort Gewerkschaft hat in den USA einen viel härteren Klang als hierzulande. Rechte und Tariflöhne wurden mit rabiaten Mitteln erstritten, über viele Jahrzehnte scheuten die Tarifgegner auch vor Gewalt nicht zurück.

Die stärksten US-Gewerkschaften wuchsen zu Machtapparaten, die eine Mitgliedschaft zur Bedingung machten, damit man überhaupt in einem Beruf arbeiten durfte. Ende der Fünfzigerjahre entwickelte sich die "International Brotherhood of Teamsters" der Transport-, Lager- und Logistikarbeiter zur größten und einflussreichsten Gewerkschaft.

Ihren Erfolg verdankte sie in erheblichem Maße Hoffa. "Jimmy", geboren am 14. Februar 1913 und deutsch-irischer Herkunft, wurde nach dem frühen Tod seines Vaters mit 14 Jahren Lagerarbeiter und musste die Familie durchbringen. Gegen die damals üblichen Hungerlöhne rebellierte er mit 19 und organisierte einen Streik. 1932 musste die Detroiter Dependance von Kroger Food ihre Stundenlöhne von 32 auf 45 Cent erhöhen - gut 40 Prozent mehr.

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Jimmy Hoffa - der Gewerkschaftsboss und die Mafia

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Hoffa hatte seine fast 180 Kollegen dazu gebracht, eine Ladung Erdbeeren nicht weiterzuverarbeiten. Mit der schnell verderblichen Ware bauten sie Druck auf. Von nun an hatte Hoffa den Ruf eines furchtlosen Kämpfers - und eines Strategen. Die meisten seiner "Erdbeer-Jungs" folgten ihm, als er 1933 den Teamsters beitrat.

Die heuerten das schlagkräftige Talent Hoffa als Funktionär an. Jimmy Hoffa begann, seine Talente so richtig auszuspielen: Faust und Verstand.

Er taktierte und prügelte sich zum Legendenstatus. Bei einer Streikaktion wurde er binnen 24 Stunden angeblich 18 Mal verhaftet. Auch Verletzungen scheute Hoffa nicht und war stets da, wo es wirklich wehtat. Das adelte ihn in den Augen der Teamsters. Bei Hoffas Beitritt verzeichnete die Gewerkschaft noch 100.000 Mitglieder und wuchs unter seiner Ägide auf über 1,5 Millionen.

Hoffa profitierte direkt von seinen publikumswirksamen Erfolgen. Statt Gehalt bekam er als Teamsters-Funktionär Provisionen, wenn er Neumitglieder gewann. Hoffa kannte schlagende Argumente: Um Streikbrecher oder Nicht-Gewerkschafter für den Beitritt zu begeistern, ließ er zuweilen seine Fäuste sprechen.

Teamster trifft Mobster: Der Gewerkschafts-Pate

1957 wurde Hoffa Vorsitzender der Gewerkschaft. An die Spitze trug ihn mehr als nur taktisches Geschick und Brutalität - schon auf Detroits Straßen hatte er Kontakte zu den ganz harten Jungs aufgebaut. Die nutzte er nun.

Denn der Arbeitskampf wurde mit harten Bandagen geführt: Prügeleien waren Alltag, Schüsse und selbst Bombenanschläge nicht selten. Das größte Problem der Teamsters war Mitte der Dreißigerjahre, dass Unternehmen nicht allein die Staatsgewalt beistand. Oft konnten sie sich auch auf aktive Unterstützung der Mafia verlassen.

1937 war es ein Pakt mit dem Detroiter Mafiaboss Frank "three fingers" Coppola, der Jimmy Hoffa zu landesweiter Prominenz verhalf. Er handelte mit dem Cosa-Nostra-Paten eine Nichteinmischung in den New Yorker Arbeitskampf aus. Die Teamsters gewannen den Konflikt und über 4000 neue Mitglieder: bares Geld für Hoffa.

Um größere Projekte wie Casinos zu finanzieren, konnten die Gangster nicht einfach zur Bank gehen

Mit erst 24 Jahren sorgte er dafür, dass Gewerkschaft und Mafia eng zusammenrückten. Ein Deal zum beidseitigen Vorteil, denn die Mafiosi hatten so einiges zu transportieren. Und vor allem ein Problem mit schmutzigem Geld: Ohne Wäsche war es kaum zu gebrauchen. Um größere Projekte wie Casinos zu finanzieren, konnten die Gangster nicht einfach zur Bank gehen. Also finanzierte Hoffa Spielpaläste aus der Rentenkasse der Gewerkschaft - und ließ auch Unsummen in die eigene Tasche fließen.

So zahlte sich diese Verbindung über die folgenden 20 Jahre für alle aus, finanziell wie auch bei der Schlagkraft der Gewerkschaft. Mitunter erstickte die Mafia Machtkämpfe mit Unternehmen oder Konkurrenzgewerkschaften im Keim. An manchen Orten teilten sich Mobster und Teamsters die Büroräume - die bloße Anwesenheit der Mafiosi bremste den Ehrgeiz möglicher Gegner.

Es hätte ewig so weitergehen können, wenn das alles nicht so skandalös öffentlich geschehen wäre.

Niedergang: Hoffas Entmachtung

Denn wo Hoffa und seine Leute mit Firmen oder Konkurrenten im Clinch lagen, flogen die Fetzen. Hoffa, heißt es, habe sein Auto über Jahre stets nur mit geöffneter Tür gestartet. Eine Autobombe, soll er gehofft haben, würde ihn dann vielleicht nur hinausschleudern statt töten.

Auch Hoffas rasant wachsender Wohlstand rief Fahnder auf den Plan. Bereits 1957 kam es zu einem Kongress-Hearing, zahlreiche Verfahren später fiel 1964 ein erstes Urteil: Hoffa wurde wegen versuchter Bestechung, Beeinflussung von Geschworenen und Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern verurteilt.

Bis 1967 durchlief sein Fall alle Stufen der Berufung - dann wurden Hoffa rechtskräftig 13 Jahre Gefängnis aufgebrummt. Wie groß sein Einfluss in der Gewerkschaft war, zeigt das Abschiedsarrangement: Die Teamsters machten ihn zum Vorstand auf Lebenszeit und ließen ihn selbst seinen Wunschnachfolger bestimmen. Hoffa entschied sich für Frank Fitzsimmons, weil er hoffte, den Job nach seiner Haftentlassung ohne großen Widerstand von ihm zurückzubekommen.

Hoffa vertraute darauf, dass er bald wieder frei sein würde. Sein Plan ging nicht auf. Im Sommer 1971 ließ sich Hoffa überreden, aus der Haft heraus auf seinen Teamsters-Vorsitz zu verzichten. Fitzsimmons ließ Hoffa dafür 1,7 Millionen Dollar Pension als Einmalzahlung zukommen, US-Präsident Richard Nixon persönlich unterzeichnete einen Erlass zu Hoffas Entlassung. Am 23. Dezember 1971 war Jimmy Hoffa wieder frei - und ausgebootet.

Hoffas Ende: Der Lunch, den es nicht gab

Doch das nahm er nicht einfach hin. Bis 1975 arbeitete er gewohnt lautstark an einem Comeback, legte sich teils öffentlich mit Gewerkschaftsbossen und Mafiosi an, schrieb parallel an einer Biografie. "Hoffa: The Real Story" sollte sie heißen und war wohl auch als Instrument gedacht, Druck auf die vermeintlich richtigen Stellen auszuüben.

Zum Beispiel auf Anthony Giacalone aus Detroit und Anthony Provenzano aus Union City. Die mächtigen Mafia-Paten sollen Hoffa am 30. Juli 1975 zum Mittagsessen ins Machus Red Fox Restaurant bei Detroit eingeladen haben. Zeugen bestätigten, dass Hoffa dort auf jemanden wartete. Sie beobachteten, wie er in ein Auto mit mehreren Männern stieg, die er offenbar kannte. Später fand man Hoffas Auto am Restaurant geparkt. Ihn fand man niemals. Bis heute.

Sowohl Giacalone als auch Provenzano hatten wasserdichte Alibis. Beide stritten ab, sich je mit Hoffa zum Lunch verabredet zu haben. Zur Zeit, als Hoffa verschwand, sahen Dutzende Zeugen den einen in einem Sportclub, der andere saß Hunderte Kilometer entfernt mit Freunden am Kartentisch.

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"The Irishman": Ein Handlanger fürs Gröbste

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Wer "The Irishman" von Martin Scorcese gesehen hat, kennt zumindest eine Version davon, was angeblich geschah: Jimmy Hoffa (im Film verkörpert von Al Pacino) lief in eine Falle, die man ihm mithilfe seines eigenen Bodyguards und Freundes Frank Sheeran gestellt hatte. Auch Charles O'Brien soll beteiligt gewesen sein, den Hoffa selbst als eine Art Ziehsohn sah: "Chuckie" war ein Kind einer Ex-Freundin und hatte von jugendlichem Alter an in seinem Haushalt gelebt.

Bei Scorsese, der neben Francis Ford Coppola als der große filmische Biograf der nordamerikanischen Mafia gilt, sind es natürlich die Gangster, die Hoffa beseitigen ließen - weil er ihnen längst zu unbequem war, zu laut, zu größenwahnsinnig und viel zu gut informiert.

Gut möglich, dass es so war. Frank Sheeran selbst soll in hohem Alter zugegeben haben, seinen Freund Hoffa im Mafia-Auftrag erschossen zu haben. Aber er ist nur einer von vielen Geständigen, und die meisten sind inzwischen tot. Vielleicht wird Hoffas Verschwinden also Stoff für Legenden bleiben.

Und heute? Geht alles anders weiter

Die Teamsters zählen bis heute zu den größten Einzelgewerkschaften der Welt, mit rund 1,4 Millionen aktiven Mitgliedern und fast einer halben Million Rentnern. Nach Hoffa übernahmen Mafia und Cosa Nostra faktisch die Kontrolle, bis es US-Fahndungsbehörden ab 1979 gelang, den ungesunden Pakt allmählich aufzubrechen.

Laut FBI-Einschätzung bestimmte die Mafia noch bis 1991 quasi die Leitungsebene der Gewerkschaft. Danach wurden diese Strukturen zerschlagen, die meisten hochrangigen Funktionäre aus dem Amt gefegt.

Aus der alten Garde blieb einer, dem man - trotz vieler Gerüchte - nichts Illegales nachweisen konnte. 1999 gelang es ihm, die Wahl zum Teamsters-Präsidenten zu gewinnen: James Phillip Hoffa. Er führt die Gewerkschaft nun seit 21 Jahren, gut doppelt so lang wie einst sein Vater Jimmy.

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