
John Lennon & Yoko Ono: Heute bleiben wir im Bett. Morgen auch
Pictorial Press Ltd/ Alamy Stock Photo
John Lennon und Yoko Ono "Give Peace a Chance" - eine Bettgeschichte
Der Mann mit den langen braunen Haaren und dem Vollbart trug einen weißen Pyjama und zählte ganz klassisch ein: "One, two, a one, two, three, four." Während er die Saiten seiner akustischen Gitarre anschlug, saß er auf dem Doppelbett der Suite 1742 im 17. Stock des Queen Elizabeth Hotels in Montreal - neben ihm, ebenfalls im weißen Pyjama, die japanische Künstlerin Yoko Ono, die er gerade geheiratet hatte. Es war der 1. Juni 1969. Der Mann mit der Gitarre hieß John Winston Ono Lennon.
Der Sohn eines Liverpooler Seemannes war der Kopf der Beatles, der größten Popgruppe des 20. Jahrhunderts, die allerdings zu dieser Zeit gerade auseinanderfiel. Lennon schrubbte simple Akkorde auf seiner Gitarre, C-Dur, nur drei Dreiklänge. Dazu trug er mit schnarrender Stimme einen Sprechgesang vor, eine Art Folk-Rap: "Everybody's talking about Bagism, Shagism, Dragism, Madism, Ragism, Tagism, This-ism, that-ism, ism-ism-ism..." Die Suite war mit 40 Personen überfüllt, überall standen und saßen euphorische Menschen. Sie trommelten, klatschten, sangen den Refrain mit: "All we are saying is give Peace a Chance" (hier im Video).
Der Beatnik-Dichter Allen Ginsberg ("Howl") war ebenso dabei wie der Drogenpropagandist Timothy Leary ("Turn on, tune in, drop out"), die englische Sängerin Petula Clark ("Downtown"), ein Rabbi und ein paar Anhänger der Hare-Krishna-Sekte. In einem Nebenraum nahm ein Tonmeister mit geliehenem Vierspurtonbandgerät den kollektiven Friedensappell auf.

John Lennon & Yoko Ono: Heute bleiben wir im Bett. Morgen auch
Pictorial Press Ltd/ Alamy Stock Photo
Lennon und Ono hielten vom 26. Mai bis zum 1. Juni 1969 Hof im Bett des Montrealer Hotels, im Rahmen ihrer "Friedenskampagne", wie sie es nannten. Ein Reporter hatte den Beatle gefragt, was der Sinn der Aktion sei. Die Antwort: "Just to give peace a chance." Damit war der Titel des Songs geboren.
Flittern für den Frieden
Es waren die Jahre, als die Jugend der Welt gegen den Krieg der USA in Vietnam protestierte, gegen den Versuch der westlichen Supermacht, den Sieg der Kommunisten und Nationalisten in Südostasien mit Napalm und Flächenbombardements zu verhindern. Mehr als eine halbe Million US-Soldaten kämpften 1969 in den Reisfeldern und Dschungeln Vietnams. In ihrer großen Mehrheit waren es Wehrpflichtige, die den Sinn und die moralische Rechtfertigung des Feldzugs nicht nachvollziehen konnten. Im gesamten Krieg starben mehr als drei Millionen Vietnamesen und über 50.000 Amerikaner.
John Lennon bezog in Montreal nicht das erste Mal Position gegen den Vietnamkrieg. Schon am 11. August 1966 hatte er die fortgesetzten Bombenangriffe der U.S. Air Force auf die nordvietnamesische Hauptstadt Hanoi öffentlich verurteilt. Er war einer der ersten bekannten Popmusiker, der diesen Krieg der Amerikaner anprangerte.
Lennon war der politische Kopf der Beatles. Ende August 1966 gab die Band vor Beginn einer US-Tournee eine Pressekonferenz in New York. Auf die Frage, ob einer der Gruppe etwas zum Vietnamkrieg sagen könne, sagte Lennon: "Wir mögen ihn nicht." - "Können Sie das näher ausführen?", fragte ein Journalist nach. Lennon antwortete: "Ich habe das schon genug ausgeführt. Wir mögen ihn einfach nicht. Wir mögen Krieg nicht." Und sein Kollege George Harrison pflichtete ihm bei: "Es ist einfach falsch, und es ist offensichtlich, dass es falsch ist. Und das ist alles, was dazu gesagt werden muss."
John Lennon und Yoko Ono hatten sich Ende 1966 kennen- und im Mai 1968 lieben gelernt. Lennon verließ seine Frau Cynthia und heiratete am 20. März 1969 Yoko Ono im britischen Gibraltar. Anschließend reisten die beiden nach Amsterdam und begannen dort ihre persönliche Friedenskampagne. Sie quartierten sich in der Präsidentensuite des Hilton-Hotels zu einem "Bed-in" ein, machten aus ihren Flitterwochen einen politischen Protest.
Eingerahmt von Blumenbouquets und Körben mit Früchten residierten sie eine Woche im Bett. Journalisten und Fotografen belagerten sie, und Lennon machte Sprüche wie: "Wenn Hitler und Churchill im Bett geblieben wären, wären heute noch viele Menschen am Leben." Das Paar dekorierte die Suite mit selbstgemalten Plakaten. Darauf stand "Lass dir die Haare wachsen" oder "Bleib im Bett".
"Frieden muss man so verkaufen, wie man Seife verkauft"
Die beiden nutzten Lennons Status als Superstar dafür, ihre pazifistische Botschaft in die Medien zu transportieren. "Frieden muss man so verkaufen, wie man Seife verkauft", sagte Lennon. In den TV-Nachrichten und Filmen sehe man immer nur Krieg, Krieg, Krieg, töten, töten, töten - "sehen wir zu, dass wir Frieden, Frieden, Frieden in die Schlagzeilen kriegen".
Nach dem Amsterdamer Bed-in wollten John und Yoko nach New York. Doch die USA verweigerten dem Beatle die Einreise, weil er im Jahr zuvor in England wegen des Besitzes von 219 Gramm Marihuana verurteilt worden war, wie es Philip Norman in seiner Lennon-Biographie schildert. Die beiden reisten zunächst auf die Bahamas, aber dort war es ihnen zu heiß für ein Bed-in. Schließlich flogen sie nach Toronto, wo ihnen die kanadischen Einwanderungsbehörden ein temporäres Visum erteilten.
"Give Peace a Chance" - vier Minuten und 54 Sekunden lang - erschien in England am 4. Juli 1969 auf dem Apple-Label der Beatles als Single der "Plastic Ono Band", drei Tage später in den USA. Die Platte erreichte Platz 14 in den US-Single-Charts, Rang vier in Deutschland, Rang zwei in England und war Nummer-eins-Hit in den Niederlanden. Als Urheber waren Lennon/McCartney angegeben, obwohl der Beatles-Bassist nichts mit der Entstehung des Songs zu tun hatte. Lennon bereute später, dass nicht Yoko Ono anstelle von Paul McCartney als Mitautorin genannt wurde.
Der Text war teils spontan von Lennon improvisiert, Wortspielereien, zugleich der größte gemeinsame Nenner eines unpolitischen Pazifismus, der sämtliche Ideologien ablehnt. Die erste Strophe: "Everybody's talking about Revolution, Evolution, Masturbation, Flagellation, Regulation, Integrations, Mediations, United Nations, Congratulations".
"Give Peace a Chance" wurde schnell zur Hymne für Friedensdemonstrationen und ist heute fast so bekannt wie Lennons populärster Song "Imagine", ein Jahr später aufgenommen. Der große Sänger, Musiker und Autor wurde im Dezember 1980 von einem geisteskranken Fan in New York erschossen.