
Kalenderblatt: 10.3.1950: Prügelei im Bundestag
Kalenderblatt: 10.3.1950 Prügelei im Bundestag
Die Bonner Republik nach der ersten Bundestagswahl 1949: In Bonn am Rhein regierte die sogenannte kleine Koalition aus CDU/CSU - FDP und Deutsche Partei (DP), die bei den Wahlen vier Prozent erreicht hatte und mit 17 Abgeordneten in den Bundestag einzog.
Nach Aussage ihres Vorsitzenden und Gründers, Heinrich Hellwege, fühlte sich die DP für die Deutschen zuständig, die - so wörtlich - in Folge der Ereignisse von 1945 immer noch politisch heimatlos waren. Ansonsten war die Partei christlich, föderalistisch und setzte sich für den Schutz des Privateigentums ein.
Konrad Adenauer hatte diese kleine einer großen Koalition mit der SPD vorgezogen. Er brauchte Mehrheitsbeschaffer, und da interessierte es ihn wenig, dass sich in der Fraktion des kleinsten Koalitionspartners allerlei Alt-Nationalsozialisten tummelten.
Offen antisemitisch und rechtsextrem
Am 25. November 1949 hielt der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Partei, Wolfgang Hedler, im Deutschen Haus in Einfeld/ Schleswig-Holstein eine Rede. Ein SPD-Abgeordneter stenographierte mit, was Hedler sagte: "Die Deutsche Partei stellt fest, dass Deutschland die geringste Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hat. Schuld an unserem Elend tragen die Widerstandskämpfer. Denn Deutschland ist nicht an totaler Erschöpfung, sondern am Verrat oder an der Sabotage durch die Widerstandsbewegung zu Grunde gegangen. Schumacher macht so viel Aufheben von der Hitler-Barbarei gegen das jüdische Volk. Ob das Mittel, die Juden zu vergasen, das gegebene gewesen ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Vielleicht hätte es auch andere Wege gegeben, sich ihrer zu entledigen."
Wolfgang Hedler war 1932 in die NSDAP eingetreten und Offizier im Zweiten Weltkrieg gewesen. Nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft im Oktober 1945 wurde er 1947 Mitglied der Deutschen Partei.
Ausschluss und Disziplinarverfahren
Als Hedler seine Rede, die am 12. Dezember 1949 in der Frankfurter Rundschau abgedruckt wurde, dummdreist verteidigte, wuchs die Empörung. Der damalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Kurt Schumacher beantragte den Ausschluss Hedlers aus dem Parlament und ein Disziplinarverfahren.
Die Regierungskoalition reagierte Anfangs gar nicht. Erst im Januar 1950, als der Druck von Presse und Öffentlichkeit nicht nachließ, wurde Hedlers parlamentarische Immunität aufgehoben. Der Vorsitzende Heinrich Hellwege, Bundesratsminister im Kabinett Adenauer, sah sich genötigt, Hedler auszuschließen.
Er erklärte in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Wenn sich das Direktorium der Parteien nun gezwungen sieht, den Ausschluss Hedlers zu verfügen, so liegen diese Gründe nicht in der erwähnten Einfelder Rede, sondern in seinen Verfehlungen gegen die Disziplin innerhalb der Partei."
Freispruch aus Mangel an Beweisen
Am 31. Januar 1950 begann der Prozess gegen Wolfgang Hedler in Neumünster/Schleswig-Holstein. Die Anklage lautete: Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Aufreizung zum Klassenhass und Beleidigung des Andenkens Verstorbener.
Das Angebot an Entlastungszeugen war ungewöhnlich üppig. Der größte Teil der ehemaligen Ortsgruppe Einfeld der NSDAP rückte an um Hedler zu entlasten. Am 15. Februar wurde Hedler wegen mangelnder Beweise frei gesprochen.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass alle drei Richter ebenfalls alte Kameraden Hedlers und ehemalige Mitglieder der NSDAP waren. Es kam zu empörten Demonstrationen. Die Regierungskoalition hielt sich vornehm zurück, die rechten Parteien jubelten.
Prügel aus Empörung
Als Wolfgang Hedler am 10. März 1950 uneingeladen an einer Bundestagssitzung über die Saarfrage teilnehmen wollte, kam es zu Tumulten, zu handfesten Auseinandersetzungen. Hedler musste den Plenarsaal verlassen. Als er das Gebäude erneut betreten wollte, wurde er von SPD-Abgeordneten verprügelt - die schlagkräftigen Sozialdemokraten wurden daraufhin für rund eine Woche des Bundestages verwiesen.
Die Deutsche Partei jedoch blieb bis 1960 Koalitionspartner der CDU.