
Deutsche Kolonialisten in Kamerun Die Tragödie um Rudolf Manga Bell


- • Martin Dibobe, preußischer Afro-Sozi: Black Power im Kaiserreich
- • Koloniale Vergangenheit: "Konzept des rassistischen Terrors"
Am 8. August 1914 mussten Bewohner der kamerunischen Küstenstadt Douala nachmittags um 17 Uhr mit ansehen, wie ihr König Rudolf Manga Bell und sein Mitarbeiter Adolf Ngoso Din vor dem Gerichtsgebäude hingerichtet wurden. "Unschuldiges Blut hängt ihr auf. Umsonst tötet ihr mich. Aber verdammt seien die Deutschen", soll der Todgeweihte seinen Henkern auf Deutsch zugerufen haben. "Ihr werdet Kamerun niemals besitzen." Manga Bell starb standhaft. Seinen Leichnam ließen die Kolonialherren zur Abschreckung drei Tage lang am Galgen hängen.
Mit der Hinrichtung wollten die Deutschen verhindern, dass das Douala-Volk zu Beginn des Ersten Weltkriegs Partei für die Feindmächte ergreift. Sie erreichten das Gegenteil: Nun betrachteten die Bewohner der Kolonie die Alliierten als Befreier, die Deutschen standen auf verlorenem Posten. Ihre letzten Truppen in Kamerun ergaben sich im Februar 1916; nach Kriegsende ging die kaiserliche Kolonie an Frankreich und Großbritannien. 1960 wurde Kamerun unabhängig und verehrt bis heute Rudolf Manga Bell als Freiheitshelden.
Es ist ein finsteres Kapitel des Kolonialismus und Manga Bells Geschichte besonders tragisch, weil sich er sich als Mittler zwischen seinem Volk und den Deutschen sah. Als Enkel des Douala-Königs Bell, der 1884 einen Vertrag mit dem Kaiserreich unterzeichnet hatte, durfte er die deutsche Regierungsschule in Kamerun besuchen. Rudolf Manga Bell wurde für fünf Jahre zur Erziehung bei einer Lehrer-Familie nach Aalen in Baden-Württemberg geschickt und machte sein Abitur in Ulm. Zwar begafften viele Menschen den Schwarzen wie ein Wesen von einem anderen Stern, aber der hochbegabte, wissbegierige Kameruner traf auch etliche "gute Deutsche"; er bewunderte ihr Land und ihre Sitten.
Nach Rudolfs Rückkehr lobten Kolonialbeamte seine Intelligenz und europäischen Umgangsformen. Ihre Frauen schwärmten für Manga Bells "edle Gesichtszüge", so eine Schwester des deutschen Regierungsarztes in Kamerun, die freilich auch typische Vorurteile formulierte: Manga Bell habe "die teuren europäischen Möbel in seiner Residenz so willkürlich ohne Verständnis durcheinander gestellt, wie es eben nur ein Negergeschmack zustande bringen kann".
Die Deutschen regierten in Kamerun seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Auf Drängen von Kaufleuten, die in Afrika Handelsniederlassungen unterhielten, folgte das Deutsche Reich dem Beispiel der Briten und Franzosen und sicherte sich Kolonien - durch kriegerische Eroberungen oder, öfter noch, durch ergaunerte Verträge mit den Herrschern der begehrten Gebiete.
Menschenköpfe als Andenken
So luchste der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz 1884 den Ureinwohnern ein Riesengebiet ab, das bald darauf Deutsch-Südwestafrika heißen sollte: damals die erste deutsche Kolonie, heute Namibia. Damit begann der wilhelminische Kolonialismus mit all seinen finsteren Seiten. Zwei Jahrzehnte später verübten die Deutschen nach Aufständen und der Schlacht am Waterberg einen Völkermord, indem sie Herero und Nama in Konzentrationslager pferchten, Flüchtende verfolgten und in die Wüste trieben.
In Kamerun lebte im Delta des Kamerun-Flusses das Volk der Douala aus mehreren Stämmen und königlichen Clans. Die Douala, wohlhabend und selbstbewusst, betrieben Fischfang und Landwirtschaft. Sie hatten seit dem 17. Jahrhundert Kontakt mit europäischen Kaufleuten und verkauften als Zwischenhändler Palmöl und andere Tropenprodukte.
Dieses Handelsprivileg und ihr Landbesitz wurde den Douala garantiert, als ihr König 1884 einen "Schutzvertrag" mit Gustav Nachtigal, Afrika-Reisender und kaiserlicher Kolonialbeauftragter, unterzeichnete. Das Gebiet wurde somit deutsche Kolonie, die Douala glaubten an einen passablen Deal. Doch die Deutschen hatten "niemals vor, sich an diesen Vertrag zu halten", schreibt der Berliner Jurist und Autor Christian Bommarius, der in seinem Buch "Der gute Deutsche" akribisch die Geschichte der Kolonie untersuchte.
Kaufleute des Hamburger Unternehmens Woermann planten im Zusammenspiel mit Kolonialbeamten und Militärs, die Einwohner am Kamerun-Fluss zu vertreiben und den Zwischenhandel mit Palmöl-Lieferanten aus dem Hinterland unter Kontrolle zu bekommen. In Afrika seien "zwei Schätze" auszubeuten, erklärte Handelshaus-Senior Adolph Woermann, "die Fruchtbarkeit des Bodens und die Arbeitskraft vieler Millionen Neger".
Wie man mit Aufsässigen umging, schilderte die deutsche Militärführung in einem internen Bericht über eine Strafexpedition gegen den Bakoko-Stamm: "Viele Hundert wurden aus ihren provisorischen Unterschlupfen im Busch verjagt, zahlreiche Gegner nach kurzer Gegenwehr niedergeschossen, viele Weiber und Kinder niedergehauen." Fast alle Soldaten hätten "zum Andenken ein Bakoko-Haupt" vom Einsatz mitgebracht.
Wie die Militärs verachteten auch Kolonialbeamte die Einheimischen. Die Douala seien "das faulste, falscheste und niederträchtigste Gesindel", schrieb Jesko von Puttkamer und bedauerte, dass man die Menschen besser "bei der Eroberung des Landes wenn nicht ausgerottet, so doch außer Landes verbracht" hätte. Der arrogante Adlige war ab 1895 Gouverneur von Kamerun. Er forcierte unbezahlte Zwangsarbeit, ordnete willkürlich Verhaftungen an und unterzog auch Häuptlinge der entwürdigenden Prügelstrafe.
"Wir bleiben deutsch bis ans Ende der Welt"
Rudolf Manga Bell indes glaubte an das Rechtssystem der Deutschen und verfasste 1905 als Thronkandidat mit dem amtierenden Douala-König und 26 kamerunischen Würdenträgern einen offenen Brief an den Reichstag. Sie forderten die Abberufung des Gouverneurs und versicherten zugleich: "Wir sind deutsch und bleiben deutsch bis ans Ende der Welt. Mit allerunterthänigstem Gruß an seine Majestät Kaiser Wilhelm von Deutschland und Kamerun."
Der Hilferuf wurde in Deutschland staunend vernommen, hatte aber keine Folgen. Denn der verhasste Gouverneur Puttkamer wurde erst 1907 - wohl routinemäßig - abgelöst.
In Kamerun spitzte sich die Lage weiter zu, als 1910 Otto Gleim Gouverneur wurde. Der rassistische Scharfmacher sollte Douala, das Malaria-verseuchte "Negerdorf" am Fluss, in eine Europäer-Stadt umwandeln. Der Plan erinnerte an die spätere Apartheid in Südafrika und sah Wohngebäude für Europäer sowie Warenlager vor, die nur dort beschäftigte Schwarze betreten durften. Flugs wurden die Gebiete am Fluss zum "Kronland" erklärt. Doualas schwarze Bürger mussten ihre Anwesen zwangsweise verkaufen; die Häuser wurden niedergebrannt, wenn sich ihre Besitzer widersetzten. Soldaten vertrieben Stadtbewohner mit vorgehaltener Waffe in abgesonderte Reservate.
"Nirgendwo im kolonialen Afrika wurde die städtische Segregation so brutal und so umfassend umgesetzt wie in Kamerun", schrieb der Afrika-Historiker Andreas Eckert in der "FAZ". "Aber in keiner anderen europäischen Metropole wäre den Kolonisierten eine vergleichbare Palamentsdebatte gewährt worden."
Ausgepeitscht bis aufs Blut
Das ist weitgehend das Verdienst von Rudolf Manga Bell, inzwischen König. Er protestierte gegen den Bruch des Schutzvertrages von 1884. Manga Bell war am guten Verhältnis zu den Deutschen interessiert; die Kolonialmacht festigte auch seine Stellung als Douala-Oberhaupt. "Er hatte die Gerichtsbarkeit, sammelte Steuern ein, erhielt eine Aufwandsentschädigung für seine Arbeit", so Eckert.
Vor allem aber empörte den Kameruner der Wortbruch der Deutschen. Er schrieb an Beamte, Anwälte, Missionare und hoffte auf Unterstützung aus dem Reichstag.
Weil er selbst nicht mehr nach Berlin reisen durfte, schickte Manga Bell 1912 seinen Sekretär Adolf Ngoso Din, ebenfalls in Deutschland ausgebildet. Ngoso Din fand Gehör bei Sozialdemokraten im Reichstag. So bezeichnete Georg Ledebour die Vorgänge in Kamerun als "Rechtsbruch schmählichster Art". Der SPD-Abgeordnete hatte 1905 schon die Verbrechen an den Herero in Südwestafrika angeprangert.
Nun schrieben Zeitungen über Kamerun. Das "Berliner Tageblatt" druckte Aufzeichnungen eines dort lebenden Deutschen, der auch den Rücken eines ausgepeitschten Menschen beschrieb: "Ein rohes, gehacktes Beefsteak ist nichts dagegen." Im Reichstag gab SPD-Urgestein August Bebel eine Flusspferd-Peitsche zur Veranschaulichung der Brutalität herum.
Nur vorübergehend wurden die Enteignungen in Douala unterbrochen, nach wenigen Wochen ging es weiter. Der verzweifelte Manga Bell drohte, die Unterstützung anderer Mächte Europas zu suchen. Das reichte, um den König wegen "Hochverrats" anzuklagen und zum "Tod durch den Strang" zu verurteilen.
Mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg endete die Zeit des Deutschen Reiches als Kolonialmacht. Heute ehrt Afrika Manga Bell als Märtyrer - und auch in Berlin gibt es ein spätes Einsehen: Im Afrikanischen Viertel soll dort der Nachtigalplatz, benannt nach dem kaiserlichen Beauftragten Gustav Nachtigal, künftig den Namen von Rudolf Manga Bell und seiner Frau Emily tragen.
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Rudolf Manga Bell: Der König des Douala-Volkes in Kamerun wandelte sich vom Statthalter der deutschen Kolonialmacht zu ihrem einflussreichsten Kritiker. Er zahlte dafür mit seinem Leben. Für seinen Widerstandskampf wurde er als vermeintlicher Hochverräter verurteilt und 1914
Deutschlands Flagge über Afrika: Das nach der Zeichnung eines Marine-Leutnants gestaltete Titelbild der "Illustrirte Zeitung" in Berlin zeigt die Entfaltung der kaiserlichen deutschen Fahne am Kamerunfluss am 14. Juli 1884. Damals unterzeichnete Rudolf Manga Bells Großvater als König des Douala-Volkes einen "Schutzvertrag" mit dem deutschen Abgesandten Gustav Nachtigal.
Der Gentleman aus Kamerun: Rudolf Manga Bell, hier in jungen Jahren, kleidete sich gern nach neuester westlicher Mode - in Maßanzügen, mit Stock, Hut und Handschuhen. Ab 1910 war er König der Douala in Kamerun und leistete Widerstand gegen die Unterdrückung seines Volkes durch das Kaiserreich.
Praktikum in Hamburg? Die Monatszeitschrift "Die praktische Berlinerin" veröffentlichte 1906 dieses Foto von Rudolf Manga Bell "als Maschinenbauer auf der Werft von Wichhorst in Hamburg" mit der Zeitangabe "vermutlich 1896". Das fiele in die Zeit seines mehrjährigen Bildungsaufenthalts in Deutschland. Am längsten lebte der Königsenkel aus Kamerun bei einer Lehrerfamilie im baden-württembergischen Aalen, wo er das Gymnasium besuchte.
Besuch in Berlin: Nach seinem Bildungsaufenthalt reiste Manga Bell noch mehrere Male nach Deutschland. Das Foto aus der Berliner "Illustrierte Zeitung" (Ausgabe 32/1902) hat die Bildzeile "Besuch in Berlin bei Missionar Eduard Scheve". Es wird als "Fotomontage" ausgewiesen - offenbar wurden etliche Aufnahmen des Douala-Prinzen kopiert und um seinen Gastgeber gruppiert.
Schmucke Uniformen: Polizisten treffen Dorfbewohner in der Region von Bamenda im Nordwesten von Kamerun. Auf dem Foto (um 1910) parliert ein Polizeiangehöriger offenbar freundlich mit Bauern. Ganz anders funktionierten solche Begegnungen bei sogenannten Strafaktionen gegen aufsässige Volksgruppen. Ein interner Militärbericht erwähnt, dass "fast jeder Teilnehmer" vom Einsatz "den Kopf eines Stammesangehörigen" mitbrachte.
Erinnerungsfoto aus dem Hinterland: Acht Angehörige der deutschen Schutztruppe posieren vor den Strohhütten eines Dorfes in der entlegenen Bamenda-Region. Die Deutschen unterhielten dort eine Militärstation. Hauptstandort der kaiserlichen Schutztruppe war die Stadt Douala.
Familienaufstellung: Das zeitgenössische Foto hat die Unterschrift "Prince Manga Bell and favorite wives"; Polygamie war in Afrika Sitte. Es zeigt vermutlich nicht Rudolf Manga Bell, sondern seinen Vater August Manga Ndumbe Bell, geboren 1851, ausgebildet in England und König vor Rudolf Manga Bell. Der heiratete Emily Engome Dayas, die ihn in den Jahren des Kampfes gegen die deutsche Kolonialmacht unterstützte.
Schwarze Soldaten, weiße Offiziere: Die Kolonialmächte rekrutierten für ihr Militär und für die Polizei Einheimische und stationierten sie vorzugsweise außerhalb ihrer Herkunftsregion. Das Foto (um 1906) zeigt eine Polizeitruppe in Kamerun unter Führung des Offiziers Theodor von Steinhausen.
Der Douala-König: Dieses Foto ist das am meisten verbreitete Porträt von Rudolf Manga Bell. Es zeigt den König des Douala-Volkes mit Oberlippenbart, Schlips und westlichem Anzug. Manga Bell verehrte die Deutschen - und wurde von ihnen hingerichtet, weil er den Widerstand der Douala gegen die Vertreibung aus ihren angestammten Wohnplätzen anführte.
Vom Handelsstützpunkt zur Millionenstadt: Der nach dem Volk der Douala genannte Ort am Kamerunfluss wurde von Fischern und Händlern bewohnt, als dort 1884 der Schutzvertrag zwischen dem Abgesandten des deutschen Kaiserreichs und dem lokalen König geschlossen wurde. Heute hat Douala über 1,7 Millionen Einwohner und ist die größte Stadt des seit 1960 unabhängigen Staates Kamerun.
Der Königspalast am Kamerunfluss: In diesem Gebäude residierte König Rudolf Manga Bell von 1908 bis 1914. Wegen seines Aussehens wurde der Bau "die Pagode" genannt.
Europäische Mobiliar in der Residenz des Afrikaners: Der junge Rudolf Manga Bell hatte bei seinem Aufenthalt in Deutschland ab 1891 in Häusern vornehmer Bürger gelebt. Als er 1897 nach Kamerun zurückkehrte, richtete er seinen Palast ähnlich ein.
Räume nach deutschem Vorbild: Die Kolonialbeamten in Kamerun lobten die Bildung und die Manieren des Rückkehrers Manga Bell. Eine Verwandte des deutschen Kolonialarztes fand allerdings, dass der damalige Thronfolger seine Residenz überladen mit europäischen Möbeln eingerichtet habe - "wie es eben nur ein Negergeschmack zustande bringen kann".
Afrika-Reisender Gustav Nachtigal: In Deutschland war der 1834 in der Altmark Geborene vor allem als Reisender und Forscher bekannt. Nachtigal erledigte aber auch Aufträge des Reichskolonialamtes in Berlin. So unterzeichnete er 1884 (ein Jahr vor seinem Tod) den Schutzvertrag mit dem König des Douala-Volkes, demzufolge Kamerun deutsche Kolonie wurde.
Pose im exotischen Gewand: Auf seinen Reisen trug Nachtigal zuweilen die Tracht einheimischer Würdenträger. Das Foto zeigt einen Holzstich von 1874 - Nachtigal mit zwei Dienern in Nordafrika.
Sozialdemokrat August Bebel: Als Reichstagsabgeordneter unterstützte der Mitgründer der SPD den Protest des Douala-Königs Manga Bell gegen Enteignungen, Zwangsumsiedlungen und grausame Prügelstrafen in Kamerun. Bebel zeigte den Abgeordneten eine Flusspferdpeitsche, die ein Abgesandter Manga-Bells nach Deutschland gebracht hatte.
Kolonialkritiker Georg Ledebour: Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete unterstützte 1913 Manga Bells Proteste gegen die Politik der kaiserlichen Schutzmacht in Kamerun. Ledebour hatte 1905 den Massenmord an den Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika angeprangert und im Reichstag aus dem "Vernichtungsbefehl" des Generals Lothar von Trotha vorgelesen ("Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen"). Das Foto zeigt Ledebour während der Novemberrevolution 1918 in Berlin.
Grenzregulierung von Kolonialgebieten: 1913, ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, einigten sich deutsche und französische Kolonialtruppen über den Grenzverlauf zwischen den beiden Kolonialmächten (Foto). Nach der deutschen Kriegsniederlage ging die kaiserliche Kolonie Kamerun an Frankreich und Großbritannien.
Trauerfeier für einen Freiheitshelden: Rudolf Manga Bell wurde verurteilt wegen "Hochverrats" - das kam einem Justizmord gleich, er hatte friedlich gegen die Unterdrückung seines Volkes protestiert. Nach seiner Hinrichtung am 8. August 1914 ließen die deutschen Kolonialherren die Leiche noch drei Tage am Galgen hängen. Sie wollten die Menschen abschrecken, bewirkten jedoch das Gegenteil: Das Douala-Volk ehrte seinen König und ergriff im gerade ausgebrochenen Ersten Weltkrieg Partei für die Briten und Franzosen - die Kriegsgegner der Deutschen.
Diese Bildertafel von Richard Knötel zeigt "Unsere Schutztruppen in Afrika" - die Polizeitruppen der alten deutschen Kolonien (um 1900). Die putzigen Uniformen können täuschen: Das Kaiserreich machte sich afrikanische Länder ohne Gnade untertan. Die Grausamkeit der deutschen Besatzer stand der von Kolonialmächten wie England oder Frankreich nicht nach.
Brutaler Massenmörder: "Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld", erklärte Generalleutnant Trotha, hier 1904 in der Mitte sitzend in Keetmanshoop. In der deutschen Kolonie Südwestafrika schlug er 1904 den Aufstand der Herero nieder und hatte den
ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts zu verantworten.
Signatur im Bundesarchiv: Bild 183-R27576
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Deutscher Kolonist: Ein Farmer reitet auf einem Rind - die Deutschen hatten sich ab 1883 im Südwesten Afrikas festgesetzt. Je mehr Siedler ankamen, umso mehr verschärfte sich der Kampf um den Boden, auf dem sich Landwirtschaft betreiben ließ.
Herero-Häuptling Bandju (1895): Die Deutschen kauften den Anführern der Herero Land ab, zunächst zu Spottpreisen. Große Ländereien eigneten sie sich auch durch Betrug an oder indem sie die Einheimischen in Schuldknechtschaft trieben.
Herero-Häuptling Kambazembi mit Angehörigen (etwa 1895): Oft wurden Einheimische willkürlich erschossen; die Deutschen betrachteten schwarze Frauen als Freiwild. Dann aber begehrten die Herero auf und entschlossen sich zur Rebellion. Einheimische Schwarze, die gegen ihre Unterdrückung Widerstand leisteten, passten nicht in das Weltbild der Kolonialisten.
Gefangene Herero (1904): Die Herero waren weitgehend entrechtet, ihr Land ging mehr und mehr in den Besitz der Deutschen über. Die Lebensgrundlage des Hirtenstamms schwand, ihr Zorn aber wuchs. Am 12. Januar 1904 begann ihr Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren.
Eine Federlithografie zeigt einen Überfall von Herero auf eine Abteilung der Deutschen Schutztruppe. Im Januar 1904 wurden die meisten Kolonisten rasch von ihren Farmen vertrieben und zahlreiche Büros der deutschen Verwaltung zerstört.
Vor der Schlacht am Waterberg: Die 2. Marine-Feldkompanie soll in die Schlacht gegen die aufständischen Herero ziehen und wird auf dieser Aufnahme von 1904 eingesegnet. In der Schlacht am Waterberg und bei der folgenden Vertreibung in die Omaheke-Wüste starben rund zwei Drittel des Herero-Volkes.
Koloniale Gewalt: "Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik", erklärte Trotha 1904. Er schlug die Rebellion der Herero brutal nieder - "er wollte ihre gänzliche Vernichtung", erinnerte sich der Offizier Ludwig von Estorff.
Grausame Deutsche: 1904 hängten deutsche Soldaten in Südwestafrika Gefangene unter dem Vorwurf der Spionage. Generalleutnant Trotha war jedes Mittel recht, um den Herero zu drohen und sie zu ängstigen. Er kündigte Anfang 1904 an: "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen."
An der Wasserstelle Awasab im Zentrum des Landes schöpfen schwarze Arbeiter Wasser, um ihre Lasttiere zu tränken. Solche Wasserstellen, selten und begehrt, wurden beim Krieg gegen die Herero systematisch von deutschen Einheiten besetzt.
Frauen vom Stamme der Damara: Die afrikanische Volksgruppe war dafür bekannt, die Kunst des Eisen- und Kupferschmelzens und des Schmiedens besonders gut zu beherrschen.
Schutztruppe am Fuße des Waterbergs: Dort sammelten sich deutschen Truppen zur Entscheidungsschlacht gegen die Herero. Der Chronist des Großen Generalstabs des Kaiserreichs schrieb zum 11. August 1904, endlich sei der Tag gekommen: "Der Tag, an dem die Würfel über das fernere Schicksal des Hererovolkes fallen sollten!"
Aufbruch nach Südwestafrika: Auf dieser Aufnahme startet ein Truppentransport an Bord des Dampfers "Hans Woermann" in Hamburg, um die deutschen Kolonisten im Kampf gegen den im Januar 1904 ausgebrochenen Hereroaufstand zu verstärken.
Signatur im Bundesarchiv: Bild 183-H28370
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Kamelreiterkompanie der deutschen "Schutztruppe" (1904): Als der Aufstand niedergeschlagen war, pferchten die deutschen Kolonialisten die überlebenden Herero in Konzentrationslager. Von den rund 15.000 Herero und 2000 Nama, die dort von 1904 bis 1907 interniert waren, starben mehr als die Hälfte.
Signatur im Bundesarchiv: Bild 183-R24738
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Der Beitrag über Südwestafrika ist aus der neuen Ausgabe des Magazins SPIEGEL GESCHICHTE - alles über die Kolonialzeit: Fast 500 Jahre lang haben europäische Mächte versucht, über fremde Menschen und fremde Länder zu herrschen. Wie selbstherrlich sie rund um die Erde aufgetreten sind, zeigt dieses Heft. SPIEGEL GESCHICHTE erhält man ab sofort überall, wo es gute Zeitschriften gibt, und über Amazon.
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