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Milliardär dank Kokain: Pablo Escobar

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Drogenmilliardär Pablo Escobar Der Schneekönig

Mitte der Siebziger begann die Drogenkarriere des Mannes, der die industrielle Massenproduktion von Kokain erfand und Kolumbien in den Terror stürzte: Pablo Escobar, einer der reichsten Menschen der Welt. Grundstein seines milliardenschweren Imperiums war ein gutgemeinter Rat seiner Mutter.

Es gibt zwei Sätze, die das Leben von Pablo Escobar charakterisieren. Der eine stammt aus seiner Jugend, er war da um die 20 Jahre alt und gerade auf die schiefe Bahn eingebogen: "Wenn ich in fünf Jahren nicht eine Million in der Tasche habe, erschieße ich mich", sagte er zu seinen Kumpels, von denen einige wenige Jahre später mit ihm das Medellín-Kartell gründeten. Der andere fiel ungefähr 15 Jahre später, als die kolumbianische Politik die Gefahr des Kokain-Königs erkannt hatte und mit der Auslieferung in die Vereinigten Staaten drohte: "Lieber ein Grab in Kolumbien als eine Zelle in den USA", sagte er und formulierte das als Kriegserklärung an den Staat, den er in der Folgezeit an den Rand des Zusammenbruchs bringen sollte. Seinem Leitspruch blieb Escobar bis zum Ende treu.

Escobars Leben drehte sich darum, Macht und Reichtum anzuhäufen und mit allen Mitteln zu verteidigen. Seine Geschichte ist die des Aufstiegs vom Zigarettenzocker und Autoknacker zum größten Kriminellen des 20. Jahrhunderts. Der Kolumbianer und sein Medellín-Kartell waren die ersten, die Herstellung und Vertrieb von Kokain industrialisierten. So wurde Escobar in wenigen Jahren zu einem der reichsten Menschen der Welt. Das Magazin "Forbes" führte ihn 1989 auf Platz sieben der Reichen-Weltrangliste mit drei Milliarden Dollar Vermögen.

Zu jenen Zeiten verdiente er täglich Millionen. Seine ehemalige Geliebte Virgina Vallejo, damals Kolumbiens bekannteste Fernsehjournalistin, schrieb in ihrem Buch "Amando a Pablo, odiando a Escobar" (Pablo lieben und Escobar hassen): "In den Häusern Pablos waren die Kleiderschränke vollgestopft mit Dollarnoten." Einer der vielen Mythen um den Mafioso erzählt zudem davon, dass bei Escobars das Geld nicht gezählt, sondern gewogen wurde.

Eine entscheidende Rolle in Escobars Leben spielte seine Mutter Hermilda, eine Dorfschullehrerin. "Der Tag, an dem du was Schlechtes machst, mach’ es vernünftig. Die Welt ist für die Durchtriebenen und nicht für die Doofen", sagte sie ihm schon als Bub. Dieses Motto sollte das Wirken von Escobar, der als drittes von sieben Kindern am 1. Dezember 1949 in einem Dorf in Departement Antioquia, in der Nähe von Medellín geboren wurde, sein Leben lang begleiten. Seinen Vater, einen kleinen Viehzüchter, verachtete Pablo für seine "Mentalidad de pobre", die "Mentalität eines Armen", der sich mit dem zufrieden gab, was er hatte.

Rauschgiftfabrik im Urwald

Pablo Escobar war genau das Gegenteil. Er war ehrgeizig, raffgierig und machtbesessen. Er lieferte seine eigenen Leute an die verhasste Konkurrenz vom Cali-Kartell aus, wenn der Preis stimmte, oder an die Sicherheitsbehörden, wenn sie aus der Reihe tanzten.

Escobar vereinte ein feines Gespür für gute Geschäfte mit der notwendigen Bösartigkeit - insofern war er Unternehmer und Unterweltler in einem. Seinen Aufstieg aber verdankte er nicht nur seinem Charakter und seinen Begabungen, sondern auch einem historischen Zufall. Als Escobar Mitte der siebziger Jahre das Geschäft mit dem Kokain entdeckte, entwickelte sich das weiße Pulver gerade zur Modedroge in den USA und Europa.

Um mit der steigenden Nachfrage mithalten zu können, baute das Kartell eine wahre Rauschgiftfabrik im Urwald auf. Das "Tranquilandia" genannte Mega-Labor hatte 19 Kokainküchen mit einer jährlichen Produktionskapazität von über 300 Tonnen. In Tranquilandia arbeiteten mehr als tausend Männer und Frauen. Von mehreren Landepisten wurde das Kokain ausgeflogen.

In Schiffen und Kleinflugzeugen ging das Rauschgift nach Panama, Mexiko, auf Karibikinseln. Und von den Umschlagplätzen aus gelangte das Koks dann weiter in die USA. Anfang der achtziger Jahre kontrollierte das Medellín-Kartell 80 Prozent der globalen Kokain-Märkte. Aber die US-Antidrogenbehörde entdeckte "Tranquilandia" und ließ das Mega-Labor 1984 von kolumbianischen Einheiten auf Initiative von Justizminister Rodrigo Lara Bonilla zerschlagen.

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Erst ein Jahr zuvor hatte die Wochenzeitung "Semana" eine Reportage über den "Robin Hood" aus Antioquia veröffentlicht, in der seine Wohltaten gepriesen wurden. Escobar habe ein ganzes Stadtviertel für Menschen errichten lassen, die auf einer Müllhalde lebten, er habe Fußballplätze anlegen, Schulen bauen und Wälder wieder aufforsten lassen. Allerdings fragte sich "Semana", woher der weitgehend unbekannte Escobar die Millionen habe, wo er sich doch öffentlich als Autohändler, Viehzüchter und Aufkäufer von Ländereien ausgegeben hatte. Zumal der Wohltäter auch äußerlich bescheiden auftrat: Meistens zeigte sich der Mafioso in Polohemden, Jeans und Turnschuhen. Nur seine gern mit 24 Diamanten besetzten Uhren verrieten seinen Reichtum.

Der Terror des Medellín-Kartells

Der 30. April 1984 war der Wendepunkt in der Geschichte um Pablo Escobar und seine Mafia. Escobar war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Aber die Zerstörung von "Tranquilandia" verzieh er Justizminister Lara Bonilla nicht. Er schickte zwei Killer los, die den Minister schließlich von einem Motorrad aus auf einer Schnellstraße in Bogotá in seinem Dienst-Mercedes erschossen. Escobar floh nach Panama - und genoss den Schutz von Machthaber Manuel Noriega. Die Regierung daheim drohte ihm hingegen mit der Auslieferung in die USA. Der Patron bot an, im Gegenzug für ein Nichtauslieferungsabkommen die Auslandsschulden Kolumbiens zu begleichen. Doch der Deal platzte.

Zurück in Kolumbien ließ Escobar alle Skrupel fallen. Seine Killer entführten, mordeten und legten Bomben. Im Dezember 1986 töteten sie Gulliermo Cano, den Chefredakteur der wichtigsten Tageszeitung, "El Espectador". Cano war in seinen Leitartikeln der einzige gewesen, der sich getraut hatte, Macht und Taten Escobars anzuprangern. Schäumend vor Wut auch noch nach dem Mord, forderte Escobar von seinen Kartell-Kumpanen: "Der Tod muss unser Machtinstrument sein, die einzige Form, uns verständlich zu machen". In der Folge starben Journalisten, Richter, Polizisten und Unbeteiligte zu Tausenden. Irgendwo explodierte immer eine Bombe. Es war die Zeit, in der Kolumbien für Chaos, Gewalt und Kokain stand.

Im August 1989 folgten die perfiden Meisterstücke des Staatfeinds. Bei einem Wahlkampfauftritt nahe Bogotá streckte ein gedungener Killer Präsidentschaftskandidat Luis Carlos Galán nieder, Favorit auf den Wahlsieg 1990. Galán war ein unbestechlicher Gegner der Kartelle. Drei Monate später sprengten Escobars Leute eine Linienmaschine der staatlichen Fluggesellschaft "Avianca" kurz nach dem Start. 110 Menschen starben, aber das Ziel des Attentats, Galáns Nachfolger César Gaviria, war durch einen Zufall nicht an Bord. Ende 1989 war Kolumbien endgültig im "Narco-Terrorismus" angekommen. In der Folge erklärten die Regierungen in Washington und Bogotá dem Kartell und ihrem wahnsinnig gewordenen Anführer den offenen Krieg.

Escobars Ende

Die Zahl seiner Feinde erhöhte sich jetzt in dem Maße, wie sich die Zahl seiner Freunde verringerte. Kolumbianische und US-Sicherheitsspezialisten bildeten den "Bloque de Busqueda", eine Sondereinheit, um Escobar zur Strecke zu bringen. Tausende Mitglieder der Mafia wurden daraufhin festgenommen, Autos, Villen, Flugzeuge und Gelder beschlagnahmt. Auch auf der Seite der Kriminellen bildete sich eine Gruppe, die den Chef des Medellín-Kartells ins Visier nahm. Unter dem Akronym "Pepes", ("Perseguidos por Pablo Escobar", deutsch: Verfolgte von Pablo Escobar) sammelten sich Paramilitärs, Angehörige von Opfern und gegnerische Kartelle. Der noch immer mächtigste Kriminelle der Welt konnte nur noch auf seine Mutter, seine Frau, seine beiden Kinder und seine treuesten Killer bauen.

1991 feierte er noch einen letzten Erfolg: Gut geschmiert mit seinen Dollars verabschiedete der Kongress eine neue Verfassung, die die Auslieferung kolumbianischer Staatsbürger verbot. Daraufhin handelte Escobar die Bedingungen seiner Aufgabe aus - und der Staat baute ihm ein Gefängnis nach seinen Wünschen: "La Catedral" glich eher einer Luxusherberge als einem Knast - mit Büroräumen, Fitnessstudio, Fußballplatz, Diskothek und Billardzimmer. Hier empfing Escobar Prostituierte und Spieler der kolumbianischen Fußball-Nationalmannschaft. Nachdem er in "La Catedral" sogar mehrere Konkurrenten hatte ermorden lassen, platzte Präsident Gaviria der Kragen. Er schickte ein Großaufgebot, um den Bewohner des Luxus-Knastes im Juli 1992 festnehmen zu lassen - doch der war schon über alle Berge.

Am Tag seines Todes, es war der 2. Dezember 1993, telefonierte Escobar, bärtig, barfuß und schwer übergewichtig, aus seinem Unterschlupf in Medellín mit seinem Sohn Juan Pablo. Das Gespräch dauerte einen Moment zu lange. Seine Verfolger orteten den Anschluss. Ein letztes Mal floh der einstige Herrscher der Unterwelt durch ein Fenster auf ein Dach, dann streckten ihn mehrere Schüsse nieder. Einen Tag nach seinem 44. Geburtstag.

Seine Häscher gönnten sich mit dem toten Staatsfeind ein Triumphbild. Man sieht darauf lachende Soldaten auf roten Dachziegeln vor einem verdrehten Leichnam mit hochgerutschtem T-Shirt. Es sieht ein bisschen so aus, als hätten Jäger ein Tier erlegt.

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