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West-Kommunisten im Untergrund: »Trotz Verbot KPD bleibt«

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KPD-Verbot 1956 Die »Aktion Holzwurm« nagte an den West-Kommunisten

Kanzler Adenauer und seine Regierung übten massiven Druck aus, bis Richter die KPD vor 65 Jahren für verfassungswidrig erklärten. Die Kommunisten machten im Untergrund weiter – am Gängelband der DDR.

Die Polizei schwärmte bundesweit aus, zu einem ihrer größten Einsätze. Die »Aktion Holzwurm« war ein kühl kalkulierter Schlag im Kalten Krieg. Am Morgen des 17. August 1956 durchsuchten Polizisten von Flensburg bis München 3035 Büros und Wohnungen. Sie schlossen 215 Parteibüros und 35 Druckereien, Verlage und Redaktionen der Kommunistischen Partei Deutschlands.

An jenem Morgen hatte das Bundesverfassungsgericht die KPD als »verfassungswidrig« verboten. Ihr Vermögen wurde eingezogen »zugunsten der Bundesrepublik Deutschland«.

Damit endete ein langes Verfahren. Die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer hatte das Verbot schon im November 1951 beantragt, zeitgleich mit dem der neonazistischen Skandaltruppe »Sozialistische Reichspartei«. Die SRP, die sich unverhüllt in die Tradition der Nationalsozialisten gestellt hatte, kam ihrem Verbot 1952 durch Selbstauflösung zuvor. Die Kommunisten hingegen widersetzten sich politisch wie juristisch. Vor dem Verfassungsgericht vertrat sie der Ost-Berliner Staranwalt Friedrich Karl Kaul.

In der Arbeiterschaft zunächst verankert

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die KPD in Westdeutschland zunächst eine Massenpartei und hatte 1947 in den Westzonen 324.000 Mitglieder. Bei Landtagswahlen im Oktober 1946 erhielt sie in Hamburg, Hessen und Bremen gut jede zehnte Wählerstimme. Bis 1948 war sie in mehreren Landesregierungen vertreten. Bei den Hungernden in den Ruinenstädten fanden ihre Forderungen nach Sozialisierung der Produktion und Wirtschaftsplanung Anklang, ebenso Parolen gegen die Besatzungsmächte wie »Ami go home«.

Viele erinnerten sich, dass die KPD 1932 gewarnt hatte: »Wer Hitler wählt, wählt den Krieg«. Achtung und Respekt auch bei politischen Gegnern genoss der Vorsitzende Max Reimann, Jahrgang 1897; für seine Überzeugung hatten ihn die Nazis lange im Gefängnis und im KZ Sachsenhausen inhaftiert.

Ein Großteil der Mitglieder waren Arbeiter, vor allem in Großbetrieben. Bei Betriebsratswahlen in der Kohleindustrie in Nordrhein-Westfalen 1946 errang die KPD 38,8 Prozent, gut zwei Prozent mehr als die SPD. Und bei der ersten Bundestagswahl stimmten 5,7 Prozent der Wähler für die Kommunisten: 15 Sitze.

Doch mit der deutschen Teilung und dem Kalten Krieg schwand ihr Einfluss. Die Mitglieder lebten riskanter: Im September 1950 verabschiedete die Bundesregierung den sogenannten Adenauer-Erlass, der Kommunisten die Tätigkeit im öffentlichen Dienst verbot – noch unter Mitwirkung des damaligen CDU-Innenministers Gustav Heinemann, der kurz darauf aus Protest gegen die Wiederbewaffnung zurücktrat. Im Jahr darauf verbot die Bundesregierung den KPD-nahen Jugendverband Freie Deutsche Jugend, ebenso eine »Volksbefragung gegen Remilitarisierung«, wie die Partei die Wiederbewaffnung nannte.

Den Verbotsantrag begründete die Regierung ausdrücklich mit den Aufrufen zum »aktiven Widerstand gegen die Remilitarisierung«. Doch dazu war die KPD kaum noch in der Lage. Ihre Mitgliederzahl sank rasant, auf 84.000 im Januar 1954. Wie interne Berichte zeigen, war die Parteiorganisation desolat. Vielerorts zahlte nur die Hälfte der Mitglieder Beiträge, und »Säuberungen« gegen vermeintliche Abweichler, etwa Sympathisanten des jugoslawischen Sozialismus, legten ganze Parteileitungen lahm.

Kraftmeierei kompensierte Schwäche

Bei der zweiten Bundestagswahl 1953 landete die KPD mit 2,2 Prozent weit unterhalb der frisch eingeführten Fünfprozenthürde – und kompensierte ihren Misserfolg durch kraftmeiernde Rhetorik. In einem »Programm zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands« forderte sie etwa den »Sturz des Adenauer-Regimes« durch »revolutionären Kampf deutscher Patrioten«. Die Marxisten gaben sich martialisch: »Unzweifelhaft wird unser Kampf Opfer fordern. Aber für jeden im Kampf gefallenen oder aus dem Kampf herausgerissenen Patrioten werden Tausende neue aufstehen.«

Dieses Maulheldentum hatte Moskau der KPD aufgedrängt. Den Verbotsbefürwortern kamen die ultralinken Töne sehr recht, schienen sie doch die Gefährlichkeit zu belegen. Dass dahinter keine Aufstandspläne standen, konnte das Bundesinnenministerium jedoch schon im Januar 1952 feststellen: Bei einer groß angelegten Razzia fanden die Beamten keinerlei Waffen, nur Berge bedruckten Papiers.

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West-Kommunisten im Untergrund: »Trotz Verbot KPD bleibt«

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Beim Vorantreiben des KPD-Verbots half Adenauer maßgeblich Hans Ritter von Lex, Staatssekretär im Innenministerium. Der Rechtskatholik, Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges, war 1919 an der Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik beteiligt gewesen. 1933 hatte er im Reichstag für Hitlers »Ermächtigungsgesetz« plädiert und das brutale Vorgehen gegen die KPD gerechtfertigt.

Die Regierung übte massiven Druck auf das Bundesverfassungsgericht aus. Das zeigen Archivdokumente, die der Freiburger Historiker Josef Foschepoth in seiner Studie »Verfassungswidrig« ausgewertet hat. Immer wieder drängte CDU-Innenminister Gerhard Schröder den Gerichtspräsidenten Josef Wintrich zu einem Urteil, ebenso Adenauer: Die Bundesregierung, schrieb Adenauer am 30. August 1956 an Wintrich, sei »aus zwingenden politischen Gründen an einer schnellen Entscheidung interessiert«, denn »die Gefahr des Kommunismus hat sich noch nicht verringert«.

»Die KPD ist da, und die KPD bleibt da«

Den Kanzler trieb eine antikommunistische Frontstaat-Ideologie. Die 23 Verfassungsrichter erfüllten ihm nach langem Zögern seinen Wunsch. In der Begründung diente das Programm von 1952 zum »Sturz des Adenauer-Regimes« als »wichtigste Grundlage für die Beurteilung der aktuellen Zielsetzung der KPD«.

Die Partei reagierte trotzig und traditionsbewusst: »Die KPD ist da, und die KPD bleibt da«, verkündete sie am selben Tag. Sie sei »noch immer im Kampf gewachsen« und werde »sich auch in diesem Kampf stärken«. Das aber war nicht die Realität.

Führende Mitglieder wie der Vorsitzende Reimann retteten sich vor dem Verbot in die DDR. Dort redigierte die Partei ihre in der Bundesrepublik illegale Zeitung »Freies Volk« und ihre Theoriezeitschrift »Wissen und Tat«. In der Bundesrepublik organisierte sie sich konspirativ in Gruppen aus fünf Mitgliedern. Doch diesen Weg gingen, nunmehr im Untergrund, nur wenige mit. Bis 1967 sank die Mitgliederzahl auf 7000, es gab kaum Neuzugänge.

Nur selten ließ die illegale Partei durch spektakuläre Aktionen aufhorchen, als sie 1960 etwa mit Flugblättern gefüllte Raketen bei einem Oberligaspiel über dem Stuttgarter Neckarstadion explodieren oder KPD-Zettel beim Schichtwechsel auf Arbeiter eines Dortmunder Stahlwerks regnen ließ. Auch verbreitete die KPD Propaganda in Tarnschriften wie »Ferienland Schleswig-Holstein«.

Sie präsentierten sich als Klub der Harmlosen

Zudem war ab 17. August 1956 täglich der »Deutsche Freiheitssender 904« zu hören – angeblich der »einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht«. Tatsächlich befand er sich in Burg bei Magdeburg. Und stand unter Kontrolle der DDR-Regierung. Wer für den Radiosender oder ein anderes KPD-Medium tätig war, musste in der Bundesrepublik mit mehrjähriger Haft rechnen. Gegen vermeintliche Mitglieder und Sympathisanten leiteten bundesdeutsche Staatsanwälte bis 1968 insgesamt 125.000 Ermittlungsverfahren ein.

6000 bis 7000 Angeklagte wurden verurteilt, rund ein Drittel zu Gefängnisstrafen von mehr als neun Monaten, die damals nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. Bei leitenden Parteimitgliedern, auch Redakteuren ihrer Zeitungen, waren es oftmals zwei bis drei Jahre Haft. Dabei agierte jahrelang eine Gesinnungsjustiz, teils mit Richtern, die schon unter Hitler Kommunisten ins Gefängnis gebracht hatten.

Dennoch radikalisierte sich die illegale Partei nicht. Im Gegenteil, sie rief 1957 bei der Bundestagswahl zur Wahl der SPD auf – weil die sich »für eine Wende in der Bundespolitik« einsetze: »Keine Stimme gegen Adenauer darf verloren gehen«, so das biedere Plädoyer aus dem Untergrund. In ihrem »Bundestagswahlprogramm« 1961 warben die Kommunisten nicht etwa für die Revolution, sondern für »Sauberkeit in Staat und Verwaltung« und eine »Wende zum Guten in der Bundesrepublik«. Diesmal empfahl sie die Deutsche Friedens-Union (DFU). Die Pazifisten, von der KPD subtil beeinflusst und von Sozialdemokraten auch als »Die Freunde Ulbrichts« verspottet, bekamen 1,9 Prozent.

Die verbotenen Kommunisten präsentierten sich als bessere SPD, als Klub der Harmlosen – zugleich aber mit Bekenntnissen zur Politik der DDR. So rühmte die KPD am Tag des Mauerbaus die DDR als »uneinnehmbare Bastion des Friedens«. Und rief den Bundesbürgern auch über ihren Sender zu: »Nicht der Bonner Staat der Militaristen ist euer Staat, sondern euer Staat, westdeutsche Arbeiter – das ist die Deutsche Demokratische Republik.« So begab sie sich in eine Randrolle.

Roter Relaunch: Aus KPD wird DKP

Ihren Parteitag 1963 hielt die KPD in der DDR ab und bekannte, sie sei »aufs engste mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands verbunden«. Tatsächlich war sie, wie Dokumente aus dem SED-Archiv zeigen, politisch wie finanziell abhängig und die Bevormundung so stark, dass selbst KPD-Chef Reimann 1963 intern darüber klagte.

1968 bot sich die Möglichkeit, das KPD-Verbot zu umgehen. Zuvor hatte Bundesjustizminister Gustav Heinemann, inzwischen Sozialdemokrat, den Kommunisten signalisiert, sie könnten wieder eine Partei gründen, die sich aber weder KPD nennen, noch mit der alten Führung antreten dürfe.

Die Bundesrepublik war zu dieser Zeit die einzige liberale Demokratie in Europa, in der die kommunistische Partei verboten war – eine unangenehme Nachbarschaft zu Rechtsdiktaturen in Spanien und Portugal. In die beginnende Ost-West-Entspannung passte das Verbot erst recht nicht. Und die SPD, die ab 1966 in einer Großen Koalition mitregierte, war nie dafür.

Nach dezenten Verhandlungen von KPD-Funktionären mit Heinemann kam es zur »Neukonstituierung« der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im September 1968. Der rote Relaunch mit Buchstabentausch verschaffte der SED wieder eine legale Bruderpartei im Westen. Und die Möglichkeit, den unbequemen Sturkopf Reimann abzuservieren. Der Veteran trat 1971 der DKP bei und wurde zum einflusslosen »Ehrenvorsitzenden«. Die SED sicherte sich zugleich durch Finanzströme und Funktionärsschulungen die absolute Loyalität der DKP-Führung.

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