Krieg in Jugoslawien "Ein riesiger, extrem blutiger Test für alle"
Warum bricht ein Krieg aus, den niemand will? Um diese Frage kreist eine einestages-Artikelreihe. Ausgangspunkt ist ein Konzert in der Zetra-Halle von Sarajevo, das 1991 Zehntausende vor Ort und Millionen im Fernsehen verfolgten. Kurz darauf brach in Jugoslawien die Hölle los. Hier erzählen Zeitzeugen, was damals passierte. Bereits erschienen: Berichte eines Fernsehjournalisten , eines Musikers , einer Konzertbesucherin , eines Architekten , einer Schülerin . Alles über das Zetra-Projekt finden Sie hier . Heute: Srdjan Vuletic , Medizintechniker und Filmemacher.
Mir scheint es, als ob wir uns heute in einer ähnlichen Situation wie damals befinden. Man muss den Leuten heute wieder beibringen, dass Frieden besser ist als Krieg, dass es sich dafür einzusetzen lohnt. Mir war das vor 25 Jahren auch nicht klar.
Als 1991 das Friedenskonzert in der Zetra-Halle von Sarajevo stattfand, war ich zu jung, um den Ernst der Lage zu verstehen. Ich wusste davon, aber ich war ein Junge aus der Stadt, der Punk, Hardcore-Musik und Trash-Metal hörte und den das einfach nicht interessierte. Ich war zu dumm, um die Botschaft zu erkennen, die hinter dem Konzert stand.
Dabei war der Zehn-Tage-Krieg in Slowenien damals bereits schon wieder vorbei, und auch in Kroatien hatte es schon Kämpfe im Nationalpark Plitvicer Seen und noch einige andere Zwischenfälle gegeben. So gesehen, fand das Konzert eigentlich zu spät statt. Dennoch waren wir damals alle überzeugt, dass bei uns hier nie Krieg ausbrechen werde, dass wir uns niemals auf verschiedenen Seiten gegenüberstehen würden.
Jugoslawien 1991: Der Krieg, den niemand wollte
Während des Kriegs habe ich zusammen mit meinen Kollegen mehrere Dokumentarfilme gedreht. Jedem Film lag die gleiche Idee zugrunde. Wir haben gezeigt, dass im Krieg Leute sterben, richtige Menschen, dass das keine abstrakten Zahlen sind. Wenn heute in Syrien Krieg herrscht, berichten die Nachrichten darüber wieder nur die Zahl der Todesopfer. Heute 17 Tote, morgen elf oder 30 Tote.
Mit einer Zahl kann sich niemand identifizieren, zu ihr lässt sich keine Beziehung aufbauen, man kann kein Mitgefühl mit ihr empfinden. Und deswegen kann man sie ignorieren. Aber wenn du einen Film über einen Menschen siehst, mit Vornamen und Nachnamen, mit Brüdern und Schwestern, mit Vater und Mutter, dann ist das anders.
Eine kleine Minderheit kann einen Krieg anzetteln
Wir haben solche Filme gemacht über einfache Menschen in abnormalen Situationen. Wir haben gezeigt, dass einfache Leute sterben und nicht Politiker, die in ihren Büros sitzen. Dass Leute sterben, die für den Krieg weder verantwortlich sind noch die Macht haben, ihn zu beenden.
Im Krieg habe ich ein paar Sachen gelernt. Zum Beispiel, dass es schlechte Menschen gibt, die im Unglück des anderen eine Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung sehen. Und ich habe gelernt, dass man wirklich hilfsbereit sein muss, weil man dadurch sich selbst hilft.
Es gab damals Menschen, die haben nichts mit den anderen geteilt. Und andere, die haben wirklich alles mit jedem geteilt, die haben sogar bei dir an die Tür geklopft und gefragt, ob du was brauchst.
Heute im Frieden gibt es das nicht mehr. Heute wird niemand mehr an deiner Tür klopfen und fragen, ob du was brauchst. Deshalb war dieser Krieg ein riesiger Test für uns alle, nur dass dieser extrem blutig und brutal war.
Heute weiß ich, dass Krieg stets eine mögliche Option ist und deshalb immer etwas getan werden muss, damit es nicht so weit kommt. Es heißt immer, dass die Völker sich untereinander versöhnen müssen. Aber die haben sich doch gar nicht zerstritten. Stattdessen reichen fünf Leute, eine kleine Minderheit ist in der Lage, einen Krieg anzuzetteln. Und deshalb ist es so wichtig, nicht diese falsche Minderheit zu wählen.

Wie kam es zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien? Welche Rolle spielte die politische Führung, welche die Friedensbewegung? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Jugoslawien-Krieg finden Sie hier.