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Kuba-Despot Batista: Freiheitskämpfer mit Folterkammer

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Kuba-Despot Batista Freiheitskämpfer mit Folterkammer

Rebell, Volksheld, Diktator: Wie kaum ein anderer Herrscher wechselte Fulgencio Batista seine Rollen. Der kubanische Staatsmann reformierte nach seinem Putsch 1952 erst den Sozialstaat - dann wurde er selbst zum brutalen Tyrannen. Ein Akt der Gnade sollte den Despoten seine Macht kosten.

Die Straßen Havannas waren verlassen, als in der Nacht zum 10. März 1952 eine Limousine vor Camp Columbia zum Stehen kam. Vor dem Haupteingang des Garnisonsquartiers der kubanischen Armee lehnte sich der Fahrer des Wagens aus dem Fenster: "Hier ist Batista", rief er den Wachen vor dem Tor zu, "seid ihr auf unserer Seite?" Die Soldaten nickten, dann öffneten sie das Eingangstor zur Kaserne. Es war der Beginn eines Staatsstreichs unter der Regie eines Mannes namens Fulgencio Batista.

Der Aktion dauerte 77 Minuten und kostete zwei Palastwachen das Leben: Unterstützt von einer Handvoll karrierehungriger Offiziere und desertierter Soldaten überrumpelte Batista die regimefreundlichen Stabsoffiziere in ihren Betten, ließ sie festnehmen und abführen. Dann ließ der Putschist die restlichen Mannschaften wecken und hielt seine erste Ansprache als neuer Staatschef: "Wir sind das Gesetz!", brüllte er den Soldaten zu. Dann verdoppelte er ihren Sold - und sicherte sich so den Erfolg seiner Revolution.

Der Mann, der sich in dieser Nacht die Macht mit Gewalt holte, war kein Unbekannter: Die Kubaner erinnerten sich an den kleinen Mann in der protzigen Uniform als idealistischen Revoluzzer, beliebten Sozialreformer. In dieser Märznacht erwuchs ein neuer Batista: ein gewissenloser Diktator und blutrünstiger Schlächter, ein selbstverliebter Zampano, der sein Volk ausbeutete und in die eigene Tasche wirtschaftete. Er war ein Despot wie aus dem Bilderbuch.

Staatsstreich auf Geheimsignal

Dabei war Batista in frühen Jahren ein Idealist gewesen, ein Schöngeist: Nachdem er sich als 20-Jähriger zur Armee gemeldet hatte, fiel der ungebildete Rekrut durch sein Interesse an Literatur auf. Stapelweise las er Bücher, schrieb heimlich Gedichte. Als Armeestenograf arbeitete er Ende der zwanziger Jahre als Protokollführer in Militärprozessen gegen politische Gegner von Diktator Gerardo Machado. Die Schauprozesse erfüllten den jungen Soldaten mit Abscheu, er knüpfte Kontakt zum Revolutionskomitee der Studenten und schloss sich schließlich der oppositionellen Gruppen "A. B. C." an. Plötzlich war der Militärstenograf Politiker.

Batista, der sich nach dem frühen Tod seiner Eltern als Bananenpflücker, Barkeeper, Friseur und Bremser bei der Eisenbahn durchgeschlagen hatte, ergriff seine Chance: Als das Revolutionskomitee im Herbst 1933 den Generalstreik gegen Diktator Machado ausrief, setzte er sich an die Spitze der Bewegung - mit einem Trick: Am Abend des 3. September gab er den diensthabenden Unteroffizieren, die er zuvor auf seine Seite gezogen hatte, im ganzen Land telefonisch die Losung durch: "Die Spieße übernehmen das Kommando." Seine Leute verriegelten daraufhin die Kasernen und verweigerten am nächsten Morgen den Offizieren den Zugang. Die Armee war führungslos - und meuterte unter Batistas Führung.


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Während Studenten- und Arbeiterräte Großgrundbesitzer reihenweise an die Wand stellten, ließ Batista das Hotel mit Kanonen beschießen, in dem sich Machados letztes Aufgebot verschanzte. Der Diktator selbst hatte sich längst in die USA abgesetzt, seine Armeeführer ließ Batista später hinrichten, degradieren oder verbannen. In den Wirren der Revolution ernannte sich der 32-Jährige selbst zum Oberst und Stabschef. Es war der Beginn seines rasanten Aufstiegs.

Doch nach der Wahl seines sozialdemokratischen Verbündeten Grau San Martin zum kubanischen Präsidenten hatte Batista ein Problem: Die USA verweigerten der neuen Regierung die diplomatische Anerkennung. Ein linker Staatschef, der unter der Devise "Kuba den Kubanern" die Insel dem US-Einflussbereich entzieht - das wollte US-Präsident Franklin Roosevelt verhindern.

Schulen, Krankenhäuser - und Casinos

Batista begriff, dass ohne den Segen Washingtons kein Staat zu machen war: Kaum hatten die Amerikaner ihr Urteil gesprochen, mutierte der linksradikale Revoluzzer zum rechtskonservativen Realpolitiker. Prompt setzte Batista 1934 Staatschef Grau San Martin ab und einen neuen ein. Sechs weitere Pseudopräsidenten installierte er bis 1939, um sie bald wieder zu entmachten. "Ich bin ein Idealist", beteuerte Batista, "aber ein pragmatischer".

Alle Ideale warf er nicht über Bord: Batista führte als Mann hinter den Präsidenten-Marionetten einen Kongress mitsamt frei gewählten Abgeordneten ein. 1938 begann er, Gewerkschaften zu gründen, päppelte die bislang verbotene Kommunistische Partei auf und veranlasste eine Strafrechtsreform. Batista ließ 3000 Schulen errichten, baute Krankenhäuser, Straßen und Brücken. Nachdem ihn die Kubaner 1940 zum Präsidenten erkoren hatten, führte Batista zur Entlastung der Armen die Einkommensteuer ein und erklärte Hitler den Krieg. Kuba blühte unter Batista auf, und Batista mit Kuba: Wirtschaftlicher Aufschwung und kluge Sozialpolitik machten den Armeeoberst zum beliebten Reformpolitiker.

Ganz anders gab sich Batista nach seinem Putsch im März 1952: Die Demokratie, einst von ihm selbst errichtet und verteidigt, fiel seiner Tyrannei zum Opfer. Zu seinen ersten Amtshandlungen zählte das Verbot seiner eigenen Partei "Einheitsaktion" und der einst von ihm geförderten Kommunistischen Partei. Die Wirtschaft prosperierte zwar weiterhin - doch der Preis dafür war hoch: Batista hatte mit seiner US-freundlichen Politik die Zuckerinsel in ein Dorado für Kapitalanleger, Casinobarone und Mafiapaten verwandelt.

Auf seinen guten Ruf setzte Batista deshalb vergeblich, als er sich 1952 wieder um das Präsidentenamt bewarb. Drei Monate vor der Wahl bemerkte er, dass er verlieren könnte, und entschied sich zum Putsch: So kam er wieder an die Macht, um die er fortan jedoch kämpfen musste. Denn Batista hatte sich durch seinen Staatsstreich einen erbitterten Feind gemacht, der bei den Wahlen eigentlich ins Parlament hatte einziehen wollen - der bekannter Rechtsanwalt mit Doktortitel und dunklem Vollbart, Fidel Castro.

Bomben auf Barfüßige

Castros Kampf begann am 26. Juli 1953 vor einer Militärkaserne in Kubas zweitgrößter Stadt Santiago: Mit Dutzenden Rebellen stürmte der 26-Jährige gegen das Fort Moncada, wo seine Truppe jedoch gnadenlos zusammengeschossen wurde. Castro entkam der Schießerei, aber wenig später verurteilte ihn ein Gericht zu 15 Jahren Zuchthaus. Castros Glück war die Blauäugigkeit des Diktators: Batista begnadigte seinen Widersacher und ließ ihn nach Mexiko fliehen. Es war die letzte großmütige Geste des Diktators - und der Fehler, der ihn die Macht kosten sollte.

Dreieinhalb Jahre später setzte Castro Anfang Dezember 1956 mit 81 Kämpfern von der mexikanischen Hafenstadt Tuxpan aus zum Südostzipfel Kubas über, die Maschinengewehre geschultert. Batista hatte Castro erwartet: Kampfflugzeuge kamen dem 20 Meter langen Boot im Tiefflug entgegen, empfingen die Revoluzzer mit Bomben und Schusssalven. Die wenigen, die den Angriff überlebten und sich barfüßig an den Strand schleppten, wurden dort von den alarmierten Armeepatrouillen gejagt. 60 Rebellen starben im Gemetzel, nur zwölf konnten sich in die dschungelüberwucherten Berge der Sierra Maestra retten. Unter ihnen: Fidel Castro.

Verdienstkreuz für den Massenmörder

Doch nun schlichen sich Hunderte Bauernsöhne, Studenten und Arbeiter in Castros Versteck, um seinen Kampf zu unterstützen: Bald hielten fast 2000 Dschungelkämpfer Batistas hochgerüstete 30.000-Mann-Armee in Atem. Die wirksamste Waffe der Partisanen waren medienwirksame Überfälle und Sabotageakte, mit denen sie immer mehr Anhänger fanden - Stück für Stück entrissen sie so dem Diktator die Provinz Oriente. Mit jedem Dorf verlor Batista an Rückhalt.

An der Macht hielt sich der Herrscher mit brutaler Tyrannei. "Ein europäischer Diplomat kann nicht mehr schlafen, weil sein Domizil neben einer Polizeistation liegt, aus der jede Nacht die Schreie der Gefolterten aufsteigen", berichtete die Pariser Zeitung "Le Monde" aus Havanna. Regelmäßig ließ Batista politische Gegner martialisch kastrieren, seine Schergen rissen den Gefangenen die Fingernägel aus oder badeten ihre Füße in Säure. Laut "New York Times" baumelten die Opfer der Folternächte morgens an den Laternenmasten der Hauptstadt - zur Abschreckung. Gleichzeitig flog die Luftwaffe Vergeltungsangriffe auf Siedlungen im Osten Kubas, im Westen hielten Geheimpolizei und Spitzel das Volk in Schach. Mit allen Mitteln kämpfte Batista um seine Macht. Die westliche Welt schaute zu.

Für die Demokratien blieb Batista ein wichtiger Verbündeter: Er war der letzte Vorposten gegen den Kommunismus vor der Haustür der USA. Die hingen auch am Zuckerimport der kleinen Insel und bereicherten sich an der Tabakproduktion. Die Bundesrepublik verlieh Batista im Mai 1957 das Bundesverdienstkreuz, die USA hielten bis März 1958 dem Diktator die Treue - erst dann verhängten sie ein Waffenembargo.

Die Attentäter verfehlen ihr Ziel nur knapp

Die Aufständischen um Castro versuchten im April 1958 zum dritten Mal den Umsturz. Castro rief für Havanna den Generalstreik aus, doch Batista hatte sich gewappnet: Als die Rebellen strategisch wichtige Orte Havannas stürmen wollten, verbluteten sie im Feuer der Regierungstruppen. Hunderte Aufständische verloren in wenigen Tagen ihr Leben. Batista hatte wieder gewonnen, es war sein letzter Sieg.

Castro und seine Mitstreiter kämpften weiter: Sie stürmten den Radiosender in Havanna, um "Batista ist tot" und "Freiheit" in den Äther zu brüllen, sie überfielen Züge und Omnibusse, steckten Zuckerfabriken und Plantagen in Brand. Sogar ins Präsidentenpalais stürmten sie, um den Diktator zu ermorden. Batista entkam dem Anschlag, doch seine Nerven lagen blank: Scharenweise ließ er Offiziere und Politiker in seinem Umfeld als vermeintliche Putschisten einkerkern. Wem konnte er noch trauen?

Als die Umstürzler Ende Dezember 1958 in die zentralkubanische Stadt Santa Clara vorrückten, wuchs Batista die Situation über den Kopf: Am Neujahrstag 1959 floh er in die Dominikanische Republik. Während Castro und seine bärtigen Kämpfer im vierten Anlauf als Freiheitshelden mit großem Jubel in Havanna empfangen wurden, baute sich Batista eine neue Existenz auf - mithilfe von rechtzeitig ins Ausland geretteten Millionen aus der kubanischen Staatskasse, später als Vertreter eines Pistolenherstellers in Spanien. Als Batista 1973 in Spanien starb, trauerten Hunderte am Grab des beliebten Reformers und gefürchteten Schlächters - darunter auch hundert Exil-Kubaner.

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