
Familien im Duell: Jetzt aber "Ruck Zuck" am Rad gedreht
Legendäre deutsche TV-Shows Als der Preis noch heiß war
Der Kandidat hatte sich ein beleibtes und überaus beliebtes Objekt für seine Parodie ausgesucht. Er wollte Franz Josef Strauß durch den Kakao ziehen, den bayerischen Sonnenkönig von der CSU. Und tatsächlich sollte die Parodie in die Fernsehgeschichte eingehen, was allerdings nicht an der Qualität der Darbietung lag, sondern an dem Skandal, den sie auslöste: Der Kandidat, der an jenem 3. Oktober 1988 bei "Ruck Zuck" auftrat, imitierte einen Toten. Franz Josef Strauß war am selben Tag gestorben.
Die Sendung wurde plötzlich abgebrochen, zu spät war der peinliche Fauxpas bemerkt worden. In den nächsten Tagen warteten die Zuschauer bei Tele 5 vergeblich auf eine neue Folge der überaus beliebten Spielshow. Mit "technischen Problemen" begründete der Sender die tagelange Pause. Doch der Grund war ein anderer: Der Strauß-Imitator wäre auch in weiteren Ausgaben von "Ruck Zuck" zu sehen gewesen, die längst abgedreht waren - allesamt natürlich vor dem Tod des Patriarchen aus Bayern.
Der Beliebtheit der noch jungen Sendung, die erst im April 1988 gestartet war, tat das keinen Abbruch. Anstatt ruck, zuck auf dem Friedhof der TV-Unterhaltung beerdigt zu werden, erreichte die Spielshow mit ihrem Moderator Werner Schulze-Erdel Kultstatus und später ein stattliches Alter. Erst nach 15 Jahren und mehr als tausend Ausgaben wurde sie eingestellt - und ruft noch heute bei Millionen wohlige Erinnerungen wach.
Generationen vor dem Fernseher
"Ruck Zuck" steht damit in einer Reihe von vielen legendären Spielshows, die Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten unterhielten und die heute allesamt eines gemeinsam haben: Millionen wünschen sie sich zurück. Ob seicht oder sentimental, ob große Kulisse oder kleines Studio, ob Kulenkampff und Rosenthal oder Wijnvoord und Schulze-Erdel - immer wieder gab es diese Shows und mit ihnen Moderatoren, die Generationen vor den Fernseher bannten.
Aber was war ihr Erfolgsgeheimnis? Warum schauten regelmäßig 80 oder 90 Prozent der Zuschauer "Einer wird gewinnen" und warum konnten das "Familien Duell" bei RTL oder "Geh aufs Ganze" auf Sat.1 in den neunziger Jahren gigantische Einschaltquoten von mehr als 50 Prozent feiern, von denen "Dschungelcamp" oder "DSDS" heute nur träumen können? Und warum sind sie mit wenigen Ausnahmen alle verschwunden?
"Das Geheimnis einer guten Show ist: Sie muss ganz einfach sein", sagt Werner Schulze-Erdel im einestages-Interview . Der heute 58-Jährige ist ein Kind des Privatfernsehens, er moderierte ab 1988 erst "Ruck Zuck" bei Tele 5 und danach das "Familien Duell" bei RTL. Bei "Ruck Zuck" duellierten sich Nachbarn oder Kegelclubs, beim "Familien Duell" zwei Familien. Am Ende gab es immer Emotionen, Geld, Gewinner, Verlierer und zwischendurch einen Hauch Zeit für den Moderator, zu improvisieren. Doch die Sendungen waren auch immer so stark gegliedert, dass jeder den Fernseher verlassen und später wiederkommen konnte, ohne die Orientierung zu verlieren.
Stangenware aus Köln
"Die Lebenswirklichkeit der Zuschauer sah eben nicht so aus, dass sie mit einem Bier konzentriert vor dem Fernseher saßen. Fernsehen war Hintergrundmedium wie das Radio", sagt Jens Bujar, Kreativchef von Grundy Light Entertainment. Der Spielshowriese produzierte neben "Geh aufs Ganze", "Ruck Zuck" oder "Der Preis ist heiß" auch das "Familien Duell", das zur Mittagszeit lief und vor allem von Hausfrauen gesehen wurde. "Die Sendung war so konzipiert, dass die Mutter mal eben nach dem Kind schauen konnte, ohne etwas zu verpassen", sagt Bujar.

Familien im Duell: Jetzt aber "Ruck Zuck" am Rad gedreht
Die Shows aus dem Hause Grundy kannte in den Achtzigern jeder, weil man ihnen nicht entfliehen konnte. Sie liefen zu festgelegten Zeiten an fünf, manchmal sogar sieben Tagen in der Woche. Mittags schauten die Hausfrauen, abends die ganze Familie. Es war die vielleicht spannendste Zeit im deutschen Fernsehen, denn erstmals in der Geschichte hatten die öffentlich-rechtlichen Sender Konkurrenz von privaten bekommen. Und RTL, Tele 5 oder Sat.1 wirkten mit ihren aus den USA oder England abgekupferten Shows jünger, bunter, schneller.
Dabei waren "Der Preis ist heiß" oder "Familien Duell" Stangenware. Am Stück aufgezeichnet in Studios in der Kölner Peripherie und billig herzustellen, weil es nur eine Kulisse brauchte und eine volle Tribüne. Von "industrieller Fertigung" spricht Kreativmann Bujar. "Fernsehen für sieben Mark fuffzich" hätten sie bei RTL gemacht, sagt Schulze-Erdel, "aber wir hatten riesigen Erfolg." Die Billigshows der Privaten verankerten sich derart fest im kollektiven Gedächtnis der Fernsehnation, dass noch im April 2009 eine Meldung in der "BamS" für ekstatische Reaktionen sorgte. Die Springer-Sonntagszeitung spekulierte über ein baldiges Comeback von "Der Preis ist heiß" und titelte: "Es ist fast so, als würde die D-Mark wiederkommen." Selbst Harry Wijnvoord, der rundliche Moderator aus Holland, witterte sein Comeback. Doch eine Fortsetzung gibt es bis heute nicht.
Ein glatzköpfiger Ex-Animateur mit Goldkettchen
Vielleicht war die Enttäuschung auch deshalb so groß, weil "Der Preis ist heiß" stellvertretend für eine Zeit steht, die es so nicht mehr gibt. Heute geht es bei "Wer wird Millionär" um Hunderttausende Euro oder beim "Dschungelcamp" um das Seelenleid abgehalfterter B-Prominenter. Heute sind Doku-Soaps über Auswanderer oder Polizisten im Einsatz en vogue. "Jedes Format hat seine Zeit", sagt Jens Bujar. Es sei so ein bisschen wie mit den Jahreszeiten, "alles verläuft in Wellenbewegungen. Ich kann nicht sagen wann, aber die Historie des Fernsehens zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein Format wie 'Der Preis ist heiß' wiederkommt."
Und tatsächlich funktioniert in Frankreich eine moderne Version von "Der Preis ist heiß" zur Primetime. Moderiert wird die Show von einem glatzköpfigen Ex-Animateur mit offenem Hemd und Goldkettchen. Aber sie funktioniert nach den gleichen Prinzipien wie 1990 in Deutschland. Es geht "um das kleine Glück", wie es Bujar nennt. Es geht um LCD-Fernseher oder Motorräder statt um gigantische Gewinne. "Das können die Leute viel eher nachvollziehen. Sie wissen nicht, wie es sich anfühlt, eine Million Euro zu gewinnen. Aber sie wissen, wie es ist, sich einen neuen Fernseher zu kaufen", sagt Bujar.
Neben dem Traum vom kleinen Glück brachten die Shows auch schrille, bunte Farben in die deutschen Wohnzimmer. Sie rissen die Menschen aus dem Alltag und orientierten sich doch an genau diesem Alltag. "Bei 'Der Preis ist heiß" wurden Alltagsgegenstände zu etwas Besonderem erhoben. Die Zuschauer fanden die Frage, ob das Putzmittel 1,39 oder 1,99 kostet, gar nicht so absurd. Das war für die Hausfrauen, die es geschaut haben, so ein Stück tägliches Leben, eine Aufwertung der eigenen Erlebniswelt", erklärt Grundy-Mann Bujar.
Das größte Geheimnis: Der Moderator
Und doch war das größte Geheimnis aller großen Spielshows im deutschen Fernsehen immer der Mann, der sie präsentierte. Oft verband sich der Quotenerfolg sogar fast ausschließlich mit dem Moderator.
Als 1964 "Einer wird gewinnen" im Hessischen Rundfunk auf Sendung ging, war der Mann auf der Bühne schon längst ein Star. Hans-Joachim Kulenkampff hatte in vielen Filmen ("Kein Mann zum Heiraten", "Drei Mann in einem Boot") mitgespielt und auch schon diverse Quizshows im deutschen Fernsehen ("Wer gegen wen", "Sieben auf einen Streich") moderiert. Doch mit "Einer wird gewinnen" wurde Kulenkampff endgültig zur Legende und zum größten deutschen Entertainer seiner Zeit. Niemand unterhielt das Publikum so charmant und lässig - und niemand überzog so gern die Sendezeit.
Auch "Dalli Dalli" und sein Moderator gingen in die Geschichte ein, obwohl Hans Rosenthal das genaue Gegenteil des coolen Kulenkampff war. Seit 1971 unterhielt der Perfektionist Rosenthal Millionen Menschen mit einem Mix aus Wort- und Actionspielen und plante dabei alles haargenau. "Für ihn war nach der Sendung immer schon vor der Sendung", erinnert sich Werner Schulze-Erdel, der Rosenthal hinter den Kulissen kennenlernte. Die Show hatte immer wieder große Momente, als zum Beispiel eine aus der DDR mit einem Heißluftballon geflohene Familie bei "Dalli Dalli" zu Gast war und die Kinder vom Moderator Lego geschenkt bekamen. Unvergessen auch die emotionalen Achterbahnfahrten, wenn die Kandidaten eben noch mit kruden Brillen Luftballons hinterherhechelten und kurz darauf Hans Rosenthal verkündete: Das Geld der heutigen Sendung wird Familie XY gespendet, die dies oder jenes schwere Schicksal erlitten hat.
Ein halbes Lager voller Geschenke
"Die Zuschauer müssen bereit sein, den Moderator jeden Tag in ihr Wohnzimmer zu lassen", sagt Grundy-Kreativchef Bujar. Und genau deshalb sei es so schwer, die richtigen Typen zu finden. "Es ist für den Erfolg einer Show extrem wichtig, dass die Liebe der Moderatoren zu den Kandidaten authentisch ist. Und genau das zieht sich eigentlich durch alle Jahrzehnte: Kulenkampff, Rosenthal, Schulze-Erdel, Wijnvoord." Bei keinem habe der Zuschauer jemals das Gefühl gehabt, dass sie mit ihren Kandidaten nichts zu tun haben wollten. "Sondern dass sie es mochten, wenn ihnen eine alte Omi plötzlich um den Hals fiel."
Wie glaubwürdig die Nähe der Moderatoren zu den Kandidaten ist, kann man in Köln noch immer besichtigen. "Wir haben hier noch ein halbes Lager voll mit Geschenken, die die Leute Werner Schulze-Erdel gemacht haben. Von Bergarbeiterpickeln aus dem Erzgebirge bis hin zu selbstgebranntem Schnaps - sie haben geglaubt er freut sich drüber, und das hat er auch", sagt Jens Bujar. "Er konnte es nur nicht alles mit nach Hause nehmen, sonst hätte er anbauen müssen."
Moderator Werner Schulze-Erdel im Interview
einestages: Sie haben über 5000 Shows im deutschen Fernsehen moderiert. Warum hatten die Deutschen Sie so gern?
Schulze-Erdel: Wenn Sie jemanden jeden Tag quasi in Ihre gute Stube lassen, muss Sympathie da sein. Und die konnte nur entstehen, weil ich immer absolut authentisch war.
einestages: Es ist irgendwie schwer vorstellbar, dass jemand über so lange Zeit immer er selbst ist. Sie haben teilweise fünf oder sieben Shows am Tag produziert, das war Fließbandarbeit.
Schulze-Erdel: Es ging, weil ich mich nie verstellt habe. Ich habe nie jemanden bloßgestellt, auch wenn ich mich natürlich auch mal über einen Kandidaten lustig gemacht habe. Aber nur mit Blicken, nie mit Worten.
einestages: Sie sind mit "Ruck Zuck" Kult geworden, einer Show, die in den USA zuvor unter dem Namen "Bruce Forsyth's Hot Streak" gefloppt war. Warum funktionierte sie in Deutschland?
Schulze-Erdel: Ich dachte am Anfang auch, dass das Konzept nicht funktionieren würde. Ich war bei RTL in Luxemburg, bekam dann aber von meinem alten Tele-5-Chef die Idee für eine Gameshow präsentiert. Ich wusste überhaupt nicht, was eine Gameshow war! Und er zeigte mir Bilder von Bruce Forsyth aus den USA, der ein alternder Comedian war und furchtbar aussah. Aber ich bekam Geld und war weg von der Straße. Also habe ich es probiert. Die Anstrengung war gewaltig, wir haben nur am Wochenende aufgezeichnet, sieben Sendungen am Tag, fast bis zur Besinnungslosigkeit. Und plötzlich hatte "Ruck Zuck" Kultstatus. Der Bayern-München-Profi Roy Makaay hat mir später gesagt, er hätte durch mich Deutsch gelernt. Nach einem Jahr bekam ich eine 500-prozentige Gehaltserhöhung und nach vier Jahren eine Bambi-Nominierung.
einestages: In Erinnerung geblieben ist vor allem ein Skandal. Ein Kandidat parodierte Franz Josef Strauß, doch der war am Tag der Ausstrahlung gestorben.
Schulze-Erdel: Das war tatsächlich peinlich. Kurz nachdem die Meldung über Strauß' Tod kam, wurde der im Fernsehen parodiert. Nach wütenden Protesten wurde die Sendung abgebrochen. Dann gab es aber Proteste aus Norddeutschland, dass das doch kein Grund für einen Abbruch sei! So ein Fauxpas ist später noch einmal passiert, nur dass den niemand bemerkte. Ich hatte Stefano Casiraghi, den Sohn des Fürsten von Monaco, in einer Aufzeichnung als Playboy bezeichnet. Die Sendung wurde am Montag ausgestrahlt, aber am Sonntag war Casiraghi tödlich verunglückt. Aber wir haben die Shows eben teilweise vier Monate vorher aufgezeichnet.
einestages: Die Anfänge bei den privaten Sendern wirken heute wie ein einziges Experiment.
Schulze-Erdel: Natürlich war auch viel Mist dabei, aber wo man nichts versucht, da passiert auch nichts. Als ich 1984 die "Musicbox" moderierte, haben wir Spiele gemacht, bei denen die Anrufer Rot von Blau unterscheiden mussten und 100 Mark gewinnen konnten. Es rief aber trotzdem keiner an, weil niemand zuschaute. Bei "Ruck Zuck" habe ich die Garderobe selbst organisiert. Ich bin mit meinen eigenen Klamotten aufgetreten, ich habe sie selbständig in die Reinigung gebracht und bin mit dem eigenen Auto nach Hause gefahren. Heute alles undenkbar.
einestages: Das "Familien Duell" bei RTL hatte zeitweise 50 Prozent Marktanteil. Was war das Geheimnis?
Schulze-Erdel: Die Kandidaten mussten nichts wissen. Beim "Familien Duell" konnte jeder aus dem Bauch heraus antworten, unsere Fragen hatten ja auch keine demoskopische Relevanz. Jeder konnte mitreden, jeder fühlte sich wertig. Aber natürlich war die Motivation für die Kandidaten auch beim "Familien Duell", ins Fernsehen zu kommen. Früher wollten die Leute in den Himmel, heute ins Fernsehen. Das war neben dem Geld die Triebfeder.
einestages: Die Sendungen waren aufgezeichnet. Können Sie sich an Szenen erinnern, die herausgeschnitten wurden?
Schulze-Erdel: Herausgeschnitten haben wir zum Beispiel das Outing eines Laienpredigers. Er hatte die Sendung unheimlich seriös begonnen, aber jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, so dass ich schon stutzig wurde. Und dann, mitten im Jubel - er hatte 100.000 Euro gewonnen - verlor er jede Kontrolle und sprach von seinem Freund. Als Moderator hatte ich damals auch eine Verantwortung für die unerfahrenen Kandidaten. Ich habe doch selbst gemerkt, welche Angst die teilweise hatten, sich zu blamieren und zum Gespött des ganzen Heimatdorfs zu werden.
einestages: Warum gibt es keine Sendungen mehr wie das "Familien Duell" oder "Ruck Zuck"?
Schulze-Erdel: Jede Zeit hat ihre Shows und ihre Gesichter. Am Ende hat uns wohl die pure Masse der Shows geschadet. Ich habe ja auch viele Sendungen als Producer oder Coach angeschoben; jeder glaubte, damit sei das schnelle Geld zu verdienen. Aber es gab nichts Neues mehr, die meisten Ideen stammen ja aus den USA der vierziger und fünfziger Jahre.
einestages: Wer hat Sie früher fasziniert?
Schulze-Erdel: Ich war ein Fan von Hans-Joachim Kulenkampff. Dieser Charme! Diese Lässigkeit! Er konnte machen, was er wollte. Hans Rosenthal hat mir auch imponiert. Meine Frau war dort zehn Jahre Regieassistentin, ich war häufiger hinter den Kulissen von "Dalli Dalli". Er war ein Macher, für ihn war nach der Sendung vor der Sendung. Und Rudi Carrell. Von ihm habe ich gelernt, dass alles nur so leicht aussehen kann, als hätte man es aus dem Ärmel geschüttelt, wenn man vorher was in den Ärmel rein getan hat. Er war ein Vollprofi.
einestages: Ihren Namen verbindet man mit Tausenden erfolgreichen Unterhaltungsshows - und einer einzigen Kuppelshow. "Ich heirate einen Millionär" wurde kurz nach dem Start im Januar 2001 abgesetzt und zu einem Medienskandal.
Schulze-Erdel: RTL hat mir die Sendung angeboten, ohne Not hatte ich Ja gesagt. Es war ein Geheimformat, und der Druck war groß, denn Sat.1 wollte diese Show auch machen. Um der Konkurrenz zuvorzukommen, wurde eine junge Produktionsfirma beauftragt, die aber völlig überfordert war.
einestages: Lag es an dem Zeitdruck?
Schulze-Erdel: Sicher, auch. Aber der Redakteur recherchierte fahrlässig. Ihm entging, dass der Millionär und die dann später ausgewählte Kandidatin schon liiert waren. Einen Tag vor der Aufzeichnung holte ich mir eine Virusinfektion und lag bewusstlos vorm Fahrstuhl im Maritim-Hotel. Ich kam ins Krankenhaus, moderierte aber trotzdem unter Psychopharmaka. Sie hielten mir Schilder hin, ich war wie ferngesteuert und sagte immer das Gleiche. Ich habe nichts mitbekommen. Für mich nahm die Sendung gefühlt kein Ende und elf Millionen schauten zu. Ein Sensationswert. Sofort am anderen Morgen bin ich nach Mallorca geflogen, um mich zu erholen. Als ich von dem Betrug erfuhr, habe ich spontan erstmal alle Verträge gekündigt. Ich war so verletzt, so enttäuscht, dass mir niemand zur Seite stand. Für mich war das eine öffentliche Hinrichtung...
einestages: ...obwohl Sie nicht wirklich etwas dafür konnten.
Schulze-Erdel: Aber ich war stigmatisiert. Fortan hieß es, der Schulze-Erdel kann keine großen Dinger. Was natürlich Blödsinn ist. Nach wie vor moderiere ich heute immer wieder Veranstaltungen mit bis zu 10.000 Zuschauern.
einestages: Sie haben in mehr als 50 Filmen mitgespielt. Wollen Sie lieber als Schauspieler oder als Showmaster in Erinnerung bleiben?
Schulze-Erdel: Für einen Schauspieler fehlt mir die Portion Wahnsinn aber auch Mut, anders als meinen Jugendfreunden Uwe Ochsenknecht oder Heiner Lauterbach. Heute glaube ich, dass ich vieles richtig gemacht habe. Ich bin wenigstens finanziell unabhängig, und die Leute mögen mich, andere Kollegen haben all das aufs Spiel gesetzt, weil sie unbedingt die Hauptstraße in Bitterfeld kaufen wollten oder mit 65 zum sechsten Mal Vater wurden. Das kostet alles viel Geld.
einestages: Spielen Sie noch mal Theater?
Schulze-Erdel: Ich hatte zwei Theaterangebote und zwei Musicalangebote - heute sage ich, ich hätte es machen können. Und ich werde das auch noch tun, das habe ich mir geschworen. Momentan bin ich stolz, dass ich mich nicht für alles hergeben muss.