
Regan, Gage und Samara: So sehen die Gruselkinder heute aus
Legendäre Gruselfilmkinder Hollywoods Horrorhort
"Brumm, brumm, brumm!", macht der kleine Damien, während er auf seinem Dreirad durchs Zimmer fährt, immer im Kreis herum, immer schneller. Seine Mutter, schwanger mit einem kleinen Geschwisterchen für Damien, bekommt nichts mit von dem Spiel. Draußen im Flur, an der Balustrade zum Eingangssaal ihrer Villa, sieht sie gerade nach den Pflanzen. Sie klettert auf einen kleinen Tisch, um einen hoch gelegenen Blumentopf zu erreichen. Plötzlich schießt Damien in einer schnurgeraden Linie auf dem Dreirad aus dem Zimmer heraus und den Gang hinunter. Seine Mutter hört ihn nicht kommen. Sie bemerkt ihn erst, als er mit entschlossenem Blick gegen den Tisch rast. Sie schlägt mit dem Kopf gegen die Wand, kippt über das Geländer in die Tiefe und bleibt dort still liegen. Damien blickt teilnahmslos hinterher.
Es war 1975, und der fünf Jahre alte Brite Harvey Stephens stand in seiner ersten Filmrolle vor der Kamera - als Hauptdarsteller des Horrorfilmklassikers "Das Omen". Er spielte Damien Thorn, dessen leibliche Mutter bei der Geburt unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, und der daraufhin von einem US-Botschafter adoptiert wird. Während Damien unter den Fittichen des Diplomaten aufwächst, häufen sich mysteriöse Zwischenfälle: Sobald der kleine Junge in die Nähe einer Kirche gebracht wird, packen ihn Tobsuchtsanfälle. Sein Kindermädchen begeht Selbstmord. Und ein Pfarrer, der davor warnt, Damien sei nicht, wer er zu sein scheint, stirbt bei einem bizarren Unfall. Schließlich muss Damiens entsetzter Adoptivvater realisieren, wer der wahre Vater seines Zöglings ist: der Leibhaftige.
So sonderbar die Idee auch war, das ultimative Böse ausgerechnet von einem fünf Jahre alten Milchbubi verkörpern zu lassen: Gerade Harvey Stephens' stupsnäsiges Milchgesicht und seine piepsige Stimme ließen die Gewalt, die von Damien ausging, umso grauenvoller erscheinen. Tausenden gefror das Blut in den Adern, als der Knirps sich in der letzten Einstellung des Filmes plötzlich umdrehte, die Zuschauer direkt anschaute und ein freudiges Lächeln auf seine Lippen wanderte - während im Hintergrund die Särge seiner Eltern im Boden versenkt wurden. Der Kindergarten-Satan wurde ein Erfolg: "Das Omen" spielte alleine in den US-Kinos mehr als 60 Millionen Dollar ein.
Etliche Horrorfilme eiferten dem Beispiel nach und warteten seither mit ähnlichen Killer-Knirpsen auf. Und auch, wenn die jungen Darsteller ihre Filme zunächst selbst gar nicht sehen durften - viele wurden durch ihre blutigen Auftritte weltbekannt.
"Der zäheste kleine Bastard, der mir je untergekommen ist"
Selbst wenn "Das Omen" ein Flop geworden wäre, hätte Harvey Stephens allen Grund gehabt, zufrieden zu sein. Welcher Fünfjährige hätte nicht davon geträumt, einmal allmächtig zu sein? Nicht umsonst hatten sich viele von Stephens Altersgenossen damals um seinen Job gerissen: "Die Filmemacher hatten sich 500 Kinder angesehen", erinnerte er sich im Interview mit Twenty Four 7 TV: "Nach zwei Vorstellungsgesprächen gaben sie mir dann die Rolle." Glaubt man allerdings Regisseur Richard Donner, dann musste der kleine Junge zuvor noch einen besonderen Aufnahmetest absolvieren - einen Kampf mit dem Regisseur: "Er fing an mich zu schlagen und zu treten", erinnerte sich Donner 2005 im Dokumentarfilm "The Curse of The Omen": "Er schlug mir sogar in die Hoden." Stephens sei "der zäheste kleine Bastard" gewesen, der ihm je untergekommen sei.

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Auf dem Filmset konnte der rabiate Knirps fortan seiner dunklen Seite völlig freien Lauf lassen - sehr zum Leidwesen seiner Kollegen. Billie Whitelaw, die im Film ein unheimliches Kindermädchen spielte, das sich zum Schutz des Antichrist in dessen Adoptivfamilie einschleicht, war im realen Leben weit weniger auf den Schutz des Jungen bedacht: "Ich wollte ihn einfach erwürgen", erinnerte sie sich 2005 im Dokumentarfilm "The Curse of The Omen". Der kleine Harvey, so Whitelaw, hatte genau verstanden, wie wichtig er für den Film war - und ließ es alle anderen spüren.
Doch sein Starruhm sollte nur von kurzer Dauer sein: 1980, als Zehnjähriger, spielte er noch eine kleine Rolle an der Seite von David Carradine in "Gauguin the Savage", einem Fernsehfilm über das Leben des Malers Paul Gauguin, dann war seine Filmkarriere auch schon wieder vorbei. Im Interview bleibt Stephens dennoch gelassen: "Ich hab's nicht wirklich weiterverfolgt." Er sei einfach zur Schule gegangen, habe seinen Abschluss gemacht und einen Job in London angenommen. Heute arbeitet er in der Baubranche. Seiner kurzen Schauspielkarriere scheint er nicht nachzuweinen. Er lächelt nur milde: "Es hat Spaß gemacht, solange es dauerte, aber dann war's auch gut."
Immerhin: Das kleine rote Dreirad, mit dem er damals in "Das Omen" seine schwangere Filmmutter von einer Brüstung stieß, hat er aufgehoben. Auch wenn er es heute nur noch selten benutzt, auf Horror-Fan-Tagungen, wenn schwarzgekleidete Gruselfilm-Nerds für ein Foto mit ihm posieren wollen, dem einstigen Fürsten der Finsternis.
Polizei jagt Kinderstar
Nicht jeder Horrorfilm-Kinderstar fand sich so altersmilde mit dem Ende seiner Laufbahn als Bösewicht ab wie Harvey Stephens: 1992 spielte der damals gerade achtjährige Amerikaner Brian Bonsall im Horror-Schocker "Mikey" einen Waisenjungen, der von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht wird - weil es ihm immer wieder gelingt, unbemerkt seine Adoptiveltern zu ermorden. Der Film sparte nicht mit drastischer Gewalt: Der Dreikäsehoch erschießt seinen Schuldirektor mit einer Schleuder, wirft einen Fön ins Badewasser seiner Pflegemutter, ertränkt seine kleine Adoptivschwester im Familienpool und Schlimmeres. Doch niemand hegt einen Verdacht gegen ihn - schließlich ist er nur ein Kind und sieht aus, als könne er kein Wässerchen trüben.
Genau wie bei Harvey Stephens war auch Brian Bonsalls Filmkarriere bald wieder zu Ende: Nur drei Jahre nach seinem Auftritt in "Mikey" gab er die Schauspielerei auf. Doch anders als der ruhige Brite bemühte sich Bonsall nach Kräften, auch im realen Leben die Rolle des bösen Buben weiterzuspielen: Er ließ sich tätowieren, wurde Punkrock-Musiker und geriet immer öfter in Konflikt mit dem Gesetz - wegen Trunkenheit am Steuer, wegen Drogenkonsums, vor allem aber wegen Gewalttätigkeit.
Im August 2007 wurde er wegen Körperverletzung an seiner Freundin zu 24 Monaten auf Bewährung verurteilt. Er entzog sich jedoch den Bewährungsauflagen, tauchte unter und befand sich mehr als ein Jahr auf der Flucht vor der Polizei. Erst Anfang Dezember 2009 tauchte der frühere Kinderschauspieler wieder auf: Nach einer Kneipenschlägerei in Boulder, Colorado wurde er festgenommen, weil er seinem besten Freund mit einem zerbrochenen Kneipenstuhl ins Gesicht geschlagen hatte. Das Newsportal coloradodaily.com meldete am 7. Dezember Bonsalls Begründung: Er sei manisch-depressiv und nehme Drogen. Denn die, so Bonsall, würden ihm helfen, "Dinge zu vergessen". Vielleicht ja sogar, wie schnell er selbst vergessen war.
einestages erinnert an die gefeierten und gefürchteten, verehrten und vergessenen Kinderstars des Horrorkinos - und zeigt, wie es nach dem Abspann mit ihnen weiterging: Vom exorzierten Teenager, der in die Drogensucht abstürzte, bis zur Oscar-Preisträgerin, die ihre Karriere als Muttermörderin begann.