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»Lübecker Wunderkind« Christian Henrich Heineken Der Höchstbegabte

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Georg Philipp Telemann über den kleinen Christian
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»Zuerst sollte man die Eltern aller Wunderkinder erschießen und dann das Kind an die Wand stellen und Schluss machen!« So lautete die drastische Forderung des US-amerikanischen Stargeigers Ruggiero Ricci (1918 bis 2012) – er wurde schon als Dreikäsehoch gedrillt und vorgeführt. Und der große Violinist Jascha Heifetz (1901 bis 1987) formulierte es einmal voller Bitterkeit so: »Wunderkind? Das ist der Name einer Krankheit, die kaum einer überlebt.«
Beide haben dennoch bis ins hohe Alter durchgehalten. Obwohl sie schon als kleine Jungen permanent zu Höchstleistungen angespornt und um eine unbeschwerte Kindheit betrogen worden waren. Einer großen Schar Wunderkinder indes war kein langes Leben vergönnt.
Christian Henrich Heineken, geboren am 6. Februar 1721, verzeichnete in dieser Liga der Hochbegabten einen tragischen Rekord: Das »Wunderkind von Lübeck« wurde nur vier Jahre, vier Monate und 21 Tage alt. Der Knirps soll bereits mit 14 Monaten das Alte Testament rezitiert, mit zwei Jahren Französisch sowie Latein beherrscht und mit knapp drei die Mitglieder aller europäischen Herrscherhäuser heruntergerattert haben.
»Es ist ein Miraculum«, rief der dänische König Frederik IV. aus, als man ihm 1724 den Dreijährigen präsentierte. Ein Wunder! Fortan sprachen alle vom »Wunderkind«. Christian, letzter Spross des Künstler-Ehepaares Paul und Catharina Elisabeth Heineken, wurde herumgereicht wie ein dressierter Affe. Und selbst nach seinem Tod, mit Lorbeer bekränzt, noch öffentlich zur Schau gestellt: »Also lag nun auf einem Trauer-Gerüste, unsers Abgestorbenen gekleidete Leiche, welche von vielen Tausenden (...) zwo Wochen lang belagert wurde«, schrieb Christian von Schöneich, Lehrmeister und Biograf des Jungen.
1726 erschien Schöneichs Schrift mit dem schwülstigen Titel: »Merkwürdiges Ehren-Gedächtnis von dem christlöblichen Leben und Todes des weyland klugen und gelehrten Lübeckischen Kindes Christian Henrich Heineken«. Ob alles stimmt, was er darin behauptete? Fakt ist: Mehrere Intellektuelle überzeugten sich zu Lebzeiten von Christians exorbitanten Fähigkeiten. Sie veröffentlichten lateinische und deutsche Abhandlungen über den Mini-Gelehrten; am ausführlichsten hat sich damit bisher der italienische Wissenschaftler Guido Guerzoni befasst.
Am 3. Dezember 1721 soll das Baby erstmals sein Talent preisgegeben haben, auf Plattdeutsch. Es zeigte auf die blau-weißen Ofenkacheln und wiederholte die Worte, mit denen seine Amme Sophie ihm am Tag zuvor die Bilder erklärt hatte: »Dat is een Peerd, dat is 'n Katt un dat is een Kerkturm«. Pferd, Katze, Kirchturm – sogleich engagierten die Eltern einen Privatlehrer: Christian Schöneich, Untermieter im Hause Heineken.
Der schlesische Adelige begann, mit dem Baby die Bibel durchzuarbeiten: Schon mit 14 Monaten soll der Kleine Passagen aus dem Alten und Neuen Testament rezitiert, 80 Psalmen und 200 Kirchenlieder auswendig gekannt haben. Es folgten Weltgeschichte und Geografie, wöchentlich 150 neue Lateinvokabeln sowie Französisch.
Das »frühkluge Wunderkind von ephemerischer Existenz«, so der Philosoph Immanuel Kant, konnte sämtliche Flüsse und Hauptstädte Europas aufsagen, auch in Mathematik und Anatomie brillierte er. Ein »ganzes Menschengerippe« habe Christian »in allen Theilen begriffen«, reportierte Lehrer Schöneich stolz.
Nur bei Tisch machte der Kleine Probleme: Er verweigerte jegliche feste Nahrung und wollte ausschließlich gestillt werden. Statt zu essen, habe er alles über »Namen, Ursprung, Kräffte und andere Umstände der Speisen betreffend« in Erfahrung bringen wollen, so Schöneich. Und bekam mit 20 Monaten schweren Durchfall, trocknete aus, magerte ab.
Dass nicht die Ammenmilch schuld war, wie Schöneich mutmaßte, sondern das Kind wohl unter Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) litt, konnte kein Arzt wissen: Die Krankheit war damals noch unbekannt. Sobald Christian genesen war, paukte Schöneich Jura mit ihm.
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Im Januar 1724 kam Johann Henrich von Seelen, Rektor des Lübecker Katharineums, zu Besuch, um das Wissen des Kleinen zu testen. Er lobte das »wunderwürdige Gedächtnis« Christians, der ihm die Namen aller römischen Kaiser aufsagte, über Karl den Großen referierte, lateinische Sprichwörter aufsagte.
Doch sorgte sich Seelen auch ob Christians »grosser Schwachheit«: 20 Mal rief der kleine Kerl bei der Examination nach der Brust der Amme. Und als Christian sein Steckenpferd besteigen wollte, musste er von zwei Personen gestützt werden, fiel hin – »und ratterte alles herunter, was er über Steckenpferde wusste«, so Seelen. Quod cito fit, cito perit: »Was schnell entsteht, schnell vergeht«, reimte der Rektor und prophezeite dem Kind einen frühen Tod.
Seelens Gutachten über Christian erschien im Januar 1724 in der Hamburger Wochenzeitschrift »Der Patriot«. Trotz seines körperlichen Leids wurde das Kind als glänzendes Beispiel dafür angeführt, was Erziehung bewirken könne: »Sinnet der Wirkung eines klugen Unterrichts ein wenig nach und gestehet mir aufrichtig, dass es keine Unmöglichkeit sey, mit ganz jungen Kindern das Werck der Erziehung glücklich anzufangen.«
Das Zeitalter der Aufklärung zog herauf – und damit der Glaube an die schier unbegrenzte Macht der Pädagogik. Zahlreiche Menschen machten sich daran, ihren Nachwuchs mit »Lerntortouren« zu drangsalieren, so der Kinderpsychiater und Psychoanalytiker Gerhardt Nissen.
Es begann mit einem persönlichen Drama: Lesen Sie hier, warum ausgerechnet der italienische Historiker Guido Guerzoni das Rätsel um Christian Henrich Heineken lüften wollte.
Neben Heineken gab es etwa Jean-Philippe Baratier; der Sohn eines hugenottischen Priesters soll mit sechs Jahren fünf Sprachen gesprochen und mit zehn ein Universitätsstudium begonnen haben. Oder den kleinen Johann Gotthilf Kirsten, der angeblich schon mit acht Monaten als Student immatrikuliert wurde.
Obwohl seine Freunde ihm von der »Treibhauserziehung« abrieten, versuchte auch der Reformpädagoge Johann Bernhard Basedow, die eigene Tochter zum Wunderkind zu formen. Ihm tat es sein Kontrahent gleich, der Gelehrte August Ludwig von Schlözer.
Wunderkinder waren so in Mode, dass der Arzt Johann Peter Frank 1780 eindringlich vor brachialer Frühpädagogik warnte: »Schont ihre Fasern noch, schont ihres Geistes Kräfte. Verschwendet nicht im Kind des künft'gen Mannes Säfte.«
Auch Joachim Heinrich Campe betonte 1786 die »große Schädlichkeit einer allzu frühen Ausbildung der Kinder«. Den Erzieher der Humboldt-Brüder graute es: »Sehet um Euch – alle diese kleinen Gelehrten – was werden sie? Schaale, seichte Köpfe«, schrieb er.
Doch solche Mahnungen verhallten vielfach ungehört. Denn Wunderkinder dienten ehrgeizigen Pädagogen nicht nur als Beweis der eigenen Brillanz, sie ließen sich auch perfekt vermarkten. Vor allem, wenn sie musisch begabt waren. An dem kleinen »Wolferl« und dessen Schwester »Nannerl« verdiente der alte Leopold Mozart so gut, dass er einen veritablen Wunderkindboom auslöste.
Immerhin scheint er seine Kinder nicht mit physischer Gewalt drangsaliert zu haben. Anders der von Wolfgang Amadeus bemitleidete Wundercellist Zygmontofsky: Der arme Kerl wurde von seinem Vater mit Hunger und Prügel konditioniert und starb mit nur elf Jahren.
Mit dem kleinen Christian Henrich Heineken konnte sein Mentor Schöneich nicht nur angeben – der berühmte Wunderknirps trug auch kräftig zum Familieneinkommen bei. Nach einer weiteren Krankheitsattacke reiste der Kleine im Sommer 1724 mit Lehrer, Amme und Mutter nach Dänemark.
In Kopenhagen kam es Schöneich zufolge zu Volksaufläufen und Straßenverstopfungen; Schaulustige beschenkten Christian mit »güldenen Ducaten«, über deren Münzbilder er sogleich kleine Vorträge hielt. Auch die königliche Familie ließ dem Lübecker Besucher ein »gnädiges Geschenk in Golde« zukommen: Kurz zuvor noch fiebrig, glänzte Christian bei einer Privataudienz im Schloss Fredensborg zwei Stunden lang mit seinem Wissen. Pause machte er nur zum Trinken an der Ammenbrust.
König Frederik IV. war schwer beeindruckt, aber auch beunruhigt über den Gesundheitszustand des Kindes. Ob nicht »die übermässige Arbeit des Gemüthes die nöthigen Leibeskräfte verzehre«, fragte der Monarch. Schöneich wiegelte ab – und hielt Christian an, sein enormes Geografiewissen zum Besten zu geben.
Georg Philipp Telemann über den kleinen Christian
Zurück in Lübeck, riss der Besucherstrom nicht mehr ab. Alle wollten den Knaben bestaunen, aus Hamburg reiste im Januar 1725 der Komponist Georg Philipp Telemann an. »Wahrlich, wäre ich ein Heide, ich würde meine Knie beugen und dieses Kind anbeten!«, rief der Hamburger Musikdirektor aus und verfasste ein Gedicht zu Ehren Christians.
Telemanns Verszeilen gerieten zum Nachruf auf das »Lübecker Wunderkind«: Nachdem er von der Ammenbrust entwöhnt worden war, aber partout keine feste Nahrung vertrug, hauchte Christian Henrich Heineken am 27. Juni 1725 erschöpft sein junges Leben aus. »O, Herr Jesu! Nimm meinen Geist auf!«, sollen die letzten Worte des sterbenden Superhirns gewesen sein.
Zum Weiterlesen:
Guido Guerzoni: Il bambino prodigio di Lubecca, Allemandi 2006
Joachim und Angelika Konietzny: Das Lübecker Wunderkind Christian Henrich Heineken und der Preußische Hofmaler Johann Harper. Bestellbar auf der Website des Ehepaares.
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»Frühkluges Wunderkind von ephemerischer Existenz«: So nannte Philosoph Immanuel Kant den 1721 in Lübeck geborenen Wunderknaben Christian Henrich Heineken (nachkolorierter Kupferstich von 1726). Das Kind soll schon mit einem Jahr aus der Bibel rezitiert und mit zwei Jahren Lateinisch sowie Französisch beherrscht haben. 1725 starb Christian an einer unerkannten Zöliakie. Unter diesem 1726 angefertigten Stich von Christian Fritzsch steht ein Gedicht, das der Komponist Georg Philipp Telemann zu Ehren Christians verfasste: »Kind deßgleichen nie vorhin ein Tag gebahr /die Nachwelt wird Dich zwar mit ewgem Schmuck umlauben / doch auch nur kleinen Teils Dein großes Wyßen glauben / das dem, der Dich gekannt, selbst unbegreiflich war.«
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Kleines Superhirn: Dieser Kupferstich von Johann Balthasar Probst (1724) zeigt das »Lübecker Wunderkind« im Alter von drei Jahren im langen Kleid beim Studium. Die lateinischen Verse unter dem Stich stammen von dem Gelehrten Johann Henrich von Seelen, der sich 1724 von den schier übernatürlichen Kenntnissen des Kleinen überzeugte. »Ein Kind /wie dieses ist / bringt kaum in hundert Jahren die mildeste Natur aus ihrem Schoß herfür«, so Seelen.
Mini-Genie: Neben Heineken führte Philosoph Kant als Beispiel für Hochbegabung auch den Sohn eines hugenottischen Priesters an, Jean-Philippe Baratier (hier mit Minerva, Göttin der Weisheit – Gemälde von Antoine Pesne, 1735). Baratier kam am 19. Januar 1721 im mittelfränkischen Schwabach zur Welt und beherrschte als Sechsjähriger angeblich bereits die Sprachen Deutsch, Französisch, Latein, Griechisch und Hebräisch. Mit 14 legte das Kind in Halle seinen Magister ab, wurde Mitglied der Berliner Akademie, befasste sich mit Astronomie – und entwickelte eine Methode zur Bestimmung der geografischen Längengrade auf See.
Kurzes Leben: Jean-Philippe Baratier wurde nur 19 Jahre alt. Er starb an den Folgen eines Tumors, der ihn bereits seit dem 11. Lebensjahr plagte. »Die Welt war in seinen Augen nicht mehr als ein Theater und das Leben ein Spiel, bei dem jeder eine Zeit lang seine Rolle spielte«, schrieb der hugenottische Theologe, Philosoph und Historiker Jean Henri Samuel Formey in seiner 1755 erschienenen Biografie über Baratier. Der Stich zeigt den Jungen als Elfjährigen.
Mathe-Crack: Da staunen die Erwachsenen im Hintergrund – der junge Franzose Blaise Pascal (1623 bis 1661) erläutert ein geometrisches Problem (Illustration von 1900). Schon mit 13 Jahren leitete er eigenständig die Grundlagen der Geometrie und Mathematik ab, mit 16 Jahren stellte er einen Lehrsatz zu Kegelschnitten auf. Und mit 19 erfand Pascal, Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die erste Rechenmaschine – Basis für die heutigen Computer. Doch Blaise Pascal brillierte während seines kurzen Lebens nicht nur in Mathematik und Physik, sondern erwies sich auch als tiefsinniger, innerlich zerrissener Philosoph.
»Das größte Wunder, dessen sich Europa und die Menschheit überhaupt rühmen kann«: Mit blumigen Worten und großem Geschäftseifer vermarktete Vater Leopold Mozart nicht nur seinen Wunderknaben Wolfgang Amadeus (1756 bis 1791), sondern auch dessen Schwester Maria Anna (1751 bis 1829). Der Musiker und Komponist starb mit nur 35 Jahren – und wurde namenlos in einem Armengrab verscharrt. Mozarts Erfolg löste in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen wahren Wunderkindboom aus; Kritik an der öffentlichen Zurschaustellung und Vermarktung der Kinder gab es kaum. Eine der wenigen Ausnahmen war der Arzt Johann Peter Frank. Er warnte: »Schont ihre Fasern noch, schont ihres Geistes Kräfte. Verschwendet nicht im Kind des künft’gen Mannes Säfte.«
»Jedes Kind ist ein Künstler. Die Frage ist nur, ob es einer bleibt, wenn es aufwächst«: Dieses Zitat wird einem zugeschrieben, der schon von Kindesbeinen an außergewöhnliches Talent entfaltete – Pablo Picasso (1881 bis 1973), hier als Siebenjähriger mit seiner kleinen Schwester Dolores (Lola) in Malaga.
Malte, bevor sie laufen konnte: Die Werke der 2007 geborene Australierin Aelita Andre (Foto von 2014) werden mit denen von Jackson Pollock verglichen, schon mit vier Jahren hatte sie eine Einzelausstellung in New York. Alle ausgestellten Arbeiten wurden verkauft – für zusammen rund 190.000 Euro.
Umstrittenes Talent: Ob das Mädchen wirklich selbst schriftstellerte oder nicht doch die Adoptivmutter zum Stift griff? Um die 1947 in Frankreich geborene Kinderschriftstellerin Minou Drouet gab es in Frankreich in den Fünfzigerjahren heftigen Streit. Jean Cocteau prägte das (anmaßende) Diktum: »Alle Kinder haben Genie, außer Minou Drouet.« Das Foto zeigt Minou im Jahr 1960.
Opernkomponistin: Die achtjährige Britin Alma Deutscher (Foto von 2013) bei der Vorführung eines ihrer Stücke. Das Mädchen griff bereits mit zwei in die Tasten, komponierte mit sechs eine Klaviersonate, mit sieben ihre erste Oper. Alma hat es allmählich satt, mit Mozart verglichen zu werden, wie das Mädchen 2018 der »taz« verriet: »Ich weiß, die Leute meinen es nett. Aber ich will nicht wie Mozart sein. Ich will Alma sein und meine eigenen Kompositionen schreiben.«
Das kleine Wunder: »Little Stevie Wonder« – unter diesem Künstlernamen wurde der blinde Sänger Stevie Wonder (geboren 1950 als Stevland Hardaway Judkins Morris) von Kindesbeinen an vermarktet, mit zwölf nahm er seine erste Platte auf.
Das Mädchen mit der Violine: Mit sechs gewann sie ihren ersten Musikwettbewerb, mit 13 Jahren debütierte sie bei den Salzburger Pfingstfestkonzerten unter der Leitung von Herbert von Karajan – Anne Sophie Mutter (hier als 14-Jährige) wurde als Kind von der Schulpflicht befreit, um sich der Musik zu widmen.
Schach-Königin: Ex-Weltmeister Garri Kasparow schmähte sie einmal als »dressierten Hund« – die 1976 geborene Ungarin Judit Polgar (hier mit zehn Jahren in New York). Der Vater unterrichtete seine drei Töchter daheim und trainierte sie jeden Tag stundenlang im Schach. Genie sei reine Erziehung, so seine Überzeugung. »Du wunderst dich nicht, warum du Schach lernen sollst, wenn deine zwei großen Schwestern kaum etwas anderes tun. Es kam so selbstverständlich zu mir, wie man laufen lernt«, sagte Polgar 2020 der »Zeit«. Sie ist bis heute die erfolgreichste Frau der Schachgeschichte.
Sein größter Hit hieß »Mama«: Heintje (hier als 14-Jähriger zu Besuch in Zürich) wurde 1955 als Hendrik Nikolaas Theodor Simons in den Niederlanden geboren. Mit elf Jahren nahm Heintje in Amsterdam seine erste Platte auf – an seinen Erfolg als Kinderstar konnte der Sänger im Erwachsenenalter jedoch nie anschließen.
Erwachsene mit Windeln: Baby-Star Shirley Temple (1928 bis 2014) erhielt schon als Sechsjährige einen Nachwuchs-Oscar und ist damit bis heute jüngste Preisträgerin der Filmgeschichte. Präsident Franklin D. Roosevelt dankte der in den Dreißigerjahren extrem populären Kinderschauspielerin öffentlich dafür, dass sie »Amerika mit einem Lächeln durch die Wirtschaftskrise führt«. Shirleys Karriere, die massiv von ihrer Mutter gepusht wurde, endete schon mit zwölf Jahren. Das Foto zeigt sie 1932 als Vierjährige im Film »War Babies« an der Seite von Georgie Billings und Georgie Smith.
»Lieber Yehudi, heute hast du wieder bewiesen, dass es einen Gott im Himmel gibt«: So äußerte sich Albert Einstein, nachdem er den 13-jährigen Yehudi Menuhin im Konzertsaal gehört hatte. Ähnlich drückte es der irische Dramatiker George Bernard Shaw aus: »Yehudi kann mit seinem Spiel einen Atheisten zum Glauben bekehren.« 1916 (und nicht 1917, wie sein Vater zunächst behauptete) in den USA geboren, wurde das Kind von seinen aus Palästina eingewanderten russisch-jüdischen Eltern daheim erzogen und von der Außenwelt abgeschirmt; eine Schule hat er nie besucht. »Sie dürfen nicht vergessen«, erklärte Menuhin seinem Biografen Robert Magidof, »dass ich erst nach meinem 18. Geburtstag zum ersten Mal eine Straße ohne Begleitung überquert habe.« Das Foto zeigt Yehudi Menuhin im Jahr 1931 in New York. Der Geiger war der erste jüdische Musiker, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Deutschland auftrat. »Was mich betrifft, so war mir das ungeheure Glück zuteil geworden, mit ihr, der deutschen Musik, mein ganzes Leben lang zu leben. Deshalb war das entwürdigende Geschehen des Nationalsozialismus für mich totaler Verrat.« Menuhin starb 1999 während einer Deutschland-Tournee in Berlin.
Erziehungsexperiment: Er soll schon mit 18 Monaten die »New York Times« gelesen haben und mit sechs Jahren zehn Sprachen gesprochen haben, als Elfjähriger hielt er in Harvard einen Vortrag über seine Theorie der vierten Dimension – der Amerikaner William James Sidis (1898 bis 1944). Seine Eltern waren beide Mediziner und der festen Überzeugung, dass man Kinder mit der richtigen Frühförderung zu Genies erziehen kann. »Das ganze Geheimnis von Billys Erziehung ist, dass wir ihm zeitig die Liebe zum Lernen eingepflanzt haben. Wir haben beschlossen, dass wir Billy von Anfang an wie einen Erwachsenen behandeln«, so Mutter Sarah. Das Foto zeigt Sidis als Teenager im Jahr 1915. Der Autor Klaus Cäsar Zehrer hat dem tragischen Wunderkind 2017 mit seinem Romandebüt »Das Genie« ein literarisches Denkmal gesetzt.
»Frühkluges Wunderkind von ephemerischer Existenz«: So nannte Philosoph Immanuel Kant den 1721 in Lübeck geborenen Wunderknaben Christian Henrich Heineken (nachkolorierter Kupferstich von 1726). Das Kind soll schon mit einem Jahr aus der Bibel rezitiert und mit zwei Jahren Lateinisch sowie Französisch beherrscht haben. 1725 starb Christian an einer unerkannten Zöliakie. Unter diesem 1726 angefertigten Stich von Christian Fritzsch steht ein Gedicht, das der Komponist Georg Philipp Telemann zu Ehren Christians verfasste: »Kind deßgleichen nie vorhin ein Tag gebahr /die Nachwelt wird Dich zwar mit ewgem Schmuck umlauben / doch auch nur kleinen Teils Dein großes Wyßen glauben / das dem, der Dich gekannt, selbst unbegreiflich war.«
Foto:akg-images
Kleines Superhirn: Dieser Kupferstich von Johann Balthasar Probst (1724) zeigt das »Lübecker Wunderkind« im Alter von drei Jahren im langen Kleid beim Studium. Die lateinischen Verse unter dem Stich stammen von dem Gelehrten Johann Henrich von Seelen, der sich 1724 von den schier übernatürlichen Kenntnissen des Kleinen überzeugte. »Ein Kind /wie dieses ist / bringt kaum in hundert Jahren die mildeste Natur aus ihrem Schoß herfür«, so Seelen.
Foto: KHARBINE-TAPABOR / imago imagesMini-Genie: Neben Heineken führte Philosoph Kant als Beispiel für Hochbegabung auch den Sohn eines hugenottischen Priesters an, Jean-Philippe Baratier (hier mit Minerva, Göttin der Weisheit – Gemälde von Antoine Pesne, 1735). Baratier kam am 19. Januar 1721 im mittelfränkischen Schwabach zur Welt und beherrschte als Sechsjähriger angeblich bereits die Sprachen Deutsch, Französisch, Latein, Griechisch und Hebräisch. Mit 14 legte das Kind in Halle seinen Magister ab, wurde Mitglied der Berliner Akademie, befasste sich mit Astronomie – und entwickelte eine Methode zur Bestimmung der geografischen Längengrade auf See.
Foto: akg-imagesKurzes Leben: Jean-Philippe Baratier wurde nur 19 Jahre alt. Er starb an den Folgen eines Tumors, der ihn bereits seit dem 11. Lebensjahr plagte. »Die Welt war in seinen Augen nicht mehr als ein Theater und das Leben ein Spiel, bei dem jeder eine Zeit lang seine Rolle spielte«, schrieb der hugenottische Theologe, Philosoph und Historiker Jean Henri Samuel Formey in seiner 1755 erschienenen Biografie über Baratier. Der Stich zeigt den Jungen als Elfjährigen.
Foto: Artokoloro / imago imagesMathe-Crack: Da staunen die Erwachsenen im Hintergrund – der junge Franzose Blaise Pascal (1623 bis 1661) erläutert ein geometrisches Problem (Illustration von 1900). Schon mit 13 Jahren leitete er eigenständig die Grundlagen der Geometrie und Mathematik ab, mit 16 Jahren stellte er einen Lehrsatz zu Kegelschnitten auf. Und mit 19 erfand Pascal, Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die erste Rechenmaschine – Basis für die heutigen Computer. Doch Blaise Pascal brillierte während seines kurzen Lebens nicht nur in Mathematik und Physik, sondern erwies sich auch als tiefsinniger, innerlich zerrissener Philosoph.
Foto: KHARBINE-TAPABOR / imago images»Das größte Wunder, dessen sich Europa und die Menschheit überhaupt rühmen kann«: Mit blumigen Worten und großem Geschäftseifer vermarktete Vater Leopold Mozart nicht nur seinen Wunderknaben Wolfgang Amadeus (1756 bis 1791), sondern auch dessen Schwester Maria Anna (1751 bis 1829). Der Musiker und Komponist starb mit nur 35 Jahren – und wurde namenlos in einem Armengrab verscharrt. Mozarts Erfolg löste in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen wahren Wunderkindboom aus; Kritik an der öffentlichen Zurschaustellung und Vermarktung der Kinder gab es kaum. Eine der wenigen Ausnahmen war der Arzt Johann Peter Frank. Er warnte: »Schont ihre Fasern noch, schont ihres Geistes Kräfte. Verschwendet nicht im Kind des künft’gen Mannes Säfte.«
Foto: Leemage / imago images»Jedes Kind ist ein Künstler. Die Frage ist nur, ob es einer bleibt, wenn es aufwächst«: Dieses Zitat wird einem zugeschrieben, der schon von Kindesbeinen an außergewöhnliches Talent entfaltete – Pablo Picasso (1881 bis 1973), hier als Siebenjähriger mit seiner kleinen Schwester Dolores (Lola) in Malaga.
Foto: Apic / Getty ImagesMalte, bevor sie laufen konnte: Die Werke der 2007 geborene Australierin Aelita Andre (Foto von 2014) werden mit denen von Jackson Pollock verglichen, schon mit vier Jahren hatte sie eine Einzelausstellung in New York. Alle ausgestellten Arbeiten wurden verkauft – für zusammen rund 190.000 Euro.
Foto: Chance Yeh / Getty ImagesUmstrittenes Talent: Ob das Mädchen wirklich selbst schriftstellerte oder nicht doch die Adoptivmutter zum Stift griff? Um die 1947 in Frankreich geborene Kinderschriftstellerin Minou Drouet gab es in Frankreich in den Fünfzigerjahren heftigen Streit. Jean Cocteau prägte das (anmaßende) Diktum: »Alle Kinder haben Genie, außer Minou Drouet.« Das Foto zeigt Minou im Jahr 1960.
Foto: ZUMA / Keystone / imago imagesOpernkomponistin: Die achtjährige Britin Alma Deutscher (Foto von 2013) bei der Vorführung eines ihrer Stücke. Das Mädchen griff bereits mit zwei in die Tasten, komponierte mit sechs eine Klaviersonate, mit sieben ihre erste Oper. Alma hat es allmählich satt, mit Mozart verglichen zu werden, wie das Mädchen 2018 der »taz« verriet: »Ich weiß, die Leute meinen es nett. Aber ich will nicht wie Mozart sein. Ich will Alma sein und meine eigenen Kompositionen schreiben.«
Foto: Bertrand Rindoff Petroff / Getty ImagesDas Mädchen mit der Violine: Mit sechs gewann sie ihren ersten Musikwettbewerb, mit 13 Jahren debütierte sie bei den Salzburger Pfingstfestkonzerten unter der Leitung von Herbert von Karajan – Anne Sophie Mutter (hier als 14-Jährige) wurde als Kind von der Schulpflicht befreit, um sich der Musik zu widmen.
Foto: ZUMA / Keystone / imago imagesSchach-Königin: Ex-Weltmeister Garri Kasparow schmähte sie einmal als »dressierten Hund« – die 1976 geborene Ungarin Judit Polgar (hier mit zehn Jahren in New York). Der Vater unterrichtete seine drei Töchter daheim und trainierte sie jeden Tag stundenlang im Schach. Genie sei reine Erziehung, so seine Überzeugung. »Du wunderst dich nicht, warum du Schach lernen sollst, wenn deine zwei großen Schwestern kaum etwas anderes tun. Es kam so selbstverständlich zu mir, wie man laufen lernt«, sagte Polgar 2020 der »Zeit«. Sie ist bis heute die erfolgreichste Frau der Schachgeschichte.
Foto: Yvonne Hemsey / Getty ImagesSein größter Hit hieß »Mama«: Heintje (hier als 14-Jähriger zu Besuch in Zürich) wurde 1955 als Hendrik Nikolaas Theodor Simons in den Niederlanden geboren. Mit elf Jahren nahm Heintje in Amsterdam seine erste Platte auf – an seinen Erfolg als Kinderstar konnte der Sänger im Erwachsenenalter jedoch nie anschließen.
Foto: RDB / ullstein bildErwachsene mit Windeln: Baby-Star Shirley Temple (1928 bis 2014) erhielt schon als Sechsjährige einen Nachwuchs-Oscar und ist damit bis heute jüngste Preisträgerin der Filmgeschichte. Präsident Franklin D. Roosevelt dankte der in den Dreißigerjahren extrem populären Kinderschauspielerin öffentlich dafür, dass sie »Amerika mit einem Lächeln durch die Wirtschaftskrise führt«. Shirleys Karriere, die massiv von ihrer Mutter gepusht wurde, endete schon mit zwölf Jahren. Das Foto zeigt sie 1932 als Vierjährige im Film »War Babies« an der Seite von Georgie Billings und Georgie Smith.
Foto: Everett Collection / ddp images»Lieber Yehudi, heute hast du wieder bewiesen, dass es einen Gott im Himmel gibt«: So äußerte sich Albert Einstein, nachdem er den 13-jährigen Yehudi Menuhin im Konzertsaal gehört hatte. Ähnlich drückte es der irische Dramatiker George Bernard Shaw aus: »Yehudi kann mit seinem Spiel einen Atheisten zum Glauben bekehren.« 1916 (und nicht 1917, wie sein Vater zunächst behauptete) in den USA geboren, wurde das Kind von seinen aus Palästina eingewanderten russisch-jüdischen Eltern daheim erzogen und von der Außenwelt abgeschirmt; eine Schule hat er nie besucht. »Sie dürfen nicht vergessen«, erklärte Menuhin seinem Biografen Robert Magidof, »dass ich erst nach meinem 18. Geburtstag zum ersten Mal eine Straße ohne Begleitung überquert habe.« Das Foto zeigt Yehudi Menuhin im Jahr 1931 in New York. Der Geiger war der erste jüdische Musiker, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Deutschland auftrat. »Was mich betrifft, so war mir das ungeheure Glück zuteil geworden, mit ihr, der deutschen Musik, mein ganzes Leben lang zu leben. Deshalb war das entwürdigende Geschehen des Nationalsozialismus für mich totaler Verrat.« Menuhin starb 1999 während einer Deutschland-Tournee in Berlin.
Foto: UIG / imago imagesErziehungsexperiment: Er soll schon mit 18 Monaten die »New York Times« gelesen haben und mit sechs Jahren zehn Sprachen gesprochen haben, als Elfjähriger hielt er in Harvard einen Vortrag über seine Theorie der vierten Dimension – der Amerikaner William James Sidis (1898 bis 1944). Seine Eltern waren beide Mediziner und der festen Überzeugung, dass man Kinder mit der richtigen Frühförderung zu Genies erziehen kann. »Das ganze Geheimnis von Billys Erziehung ist, dass wir ihm zeitig die Liebe zum Lernen eingepflanzt haben. Wir haben beschlossen, dass wir Billy von Anfang an wie einen Erwachsenen behandeln«, so Mutter Sarah. Das Foto zeigt Sidis als Teenager im Jahr 1915. Der Autor Klaus Cäsar Zehrer hat dem tragischen Wunderkind 2017 mit seinem Romandebüt »Das Genie« ein literarisches Denkmal gesetzt.
Foto: Getty Images»Frühkluges Wunderkind von ephemerischer Existenz«: So nannte Philosoph Immanuel Kant den 1721 in Lübeck geborenen Wunderknaben Christian Henrich Heineken (nachkolorierter Kupferstich von 1726). Das Kind soll schon mit einem Jahr aus der Bibel rezitiert und mit zwei Jahren Lateinisch sowie Französisch beherrscht haben. 1725 starb Christian an einer unerkannten Zöliakie. Unter diesem 1726 angefertigten Stich von Christian Fritzsch steht ein Gedicht, das der Komponist Georg Philipp Telemann zu Ehren Christians verfasste: »Kind deßgleichen nie vorhin ein Tag gebahr /die Nachwelt wird Dich zwar mit ewgem Schmuck umlauben / doch auch nur kleinen Teils Dein großes Wyßen glauben / das dem, der Dich gekannt, selbst unbegreiflich war.«
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Kleines Superhirn: Dieser Kupferstich von Johann Balthasar Probst (1724) zeigt das »Lübecker Wunderkind« im Alter von drei Jahren im langen Kleid beim Studium. Die lateinischen Verse unter dem Stich stammen von dem Gelehrten Johann Henrich von Seelen, der sich 1724 von den schier übernatürlichen Kenntnissen des Kleinen überzeugte. »Ein Kind /wie dieses ist / bringt kaum in hundert Jahren die mildeste Natur aus ihrem Schoß herfür«, so Seelen.
Foto: KHARBINE-TAPABOR / imago imagesMini-Genie: Neben Heineken führte Philosoph Kant als Beispiel für Hochbegabung auch den Sohn eines hugenottischen Priesters an, Jean-Philippe Baratier (hier mit Minerva, Göttin der Weisheit – Gemälde von Antoine Pesne, 1735). Baratier kam am 19. Januar 1721 im mittelfränkischen Schwabach zur Welt und beherrschte als Sechsjähriger angeblich bereits die Sprachen Deutsch, Französisch, Latein, Griechisch und Hebräisch. Mit 14 legte das Kind in Halle seinen Magister ab, wurde Mitglied der Berliner Akademie, befasste sich mit Astronomie – und entwickelte eine Methode zur Bestimmung der geografischen Längengrade auf See.
Foto: akg-imagesKurzes Leben: Jean-Philippe Baratier wurde nur 19 Jahre alt. Er starb an den Folgen eines Tumors, der ihn bereits seit dem 11. Lebensjahr plagte. »Die Welt war in seinen Augen nicht mehr als ein Theater und das Leben ein Spiel, bei dem jeder eine Zeit lang seine Rolle spielte«, schrieb der hugenottische Theologe, Philosoph und Historiker Jean Henri Samuel Formey in seiner 1755 erschienenen Biografie über Baratier. Der Stich zeigt den Jungen als Elfjährigen.
Foto: Artokoloro / imago imagesMathe-Crack: Da staunen die Erwachsenen im Hintergrund – der junge Franzose Blaise Pascal (1623 bis 1661) erläutert ein geometrisches Problem (Illustration von 1900). Schon mit 13 Jahren leitete er eigenständig die Grundlagen der Geometrie und Mathematik ab, mit 16 Jahren stellte er einen Lehrsatz zu Kegelschnitten auf. Und mit 19 erfand Pascal, Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die erste Rechenmaschine – Basis für die heutigen Computer. Doch Blaise Pascal brillierte während seines kurzen Lebens nicht nur in Mathematik und Physik, sondern erwies sich auch als tiefsinniger, innerlich zerrissener Philosoph.
Foto: KHARBINE-TAPABOR / imago images»Das größte Wunder, dessen sich Europa und die Menschheit überhaupt rühmen kann«: Mit blumigen Worten und großem Geschäftseifer vermarktete Vater Leopold Mozart nicht nur seinen Wunderknaben Wolfgang Amadeus (1756 bis 1791), sondern auch dessen Schwester Maria Anna (1751 bis 1829). Der Musiker und Komponist starb mit nur 35 Jahren – und wurde namenlos in einem Armengrab verscharrt. Mozarts Erfolg löste in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen wahren Wunderkindboom aus; Kritik an der öffentlichen Zurschaustellung und Vermarktung der Kinder gab es kaum. Eine der wenigen Ausnahmen war der Arzt Johann Peter Frank. Er warnte: »Schont ihre Fasern noch, schont ihres Geistes Kräfte. Verschwendet nicht im Kind des künft’gen Mannes Säfte.«
Foto: Leemage / imago images»Jedes Kind ist ein Künstler. Die Frage ist nur, ob es einer bleibt, wenn es aufwächst«: Dieses Zitat wird einem zugeschrieben, der schon von Kindesbeinen an außergewöhnliches Talent entfaltete – Pablo Picasso (1881 bis 1973), hier als Siebenjähriger mit seiner kleinen Schwester Dolores (Lola) in Malaga.
Foto: Apic / Getty ImagesMalte, bevor sie laufen konnte: Die Werke der 2007 geborene Australierin Aelita Andre (Foto von 2014) werden mit denen von Jackson Pollock verglichen, schon mit vier Jahren hatte sie eine Einzelausstellung in New York. Alle ausgestellten Arbeiten wurden verkauft – für zusammen rund 190.000 Euro.
Foto: Chance Yeh / Getty ImagesUmstrittenes Talent: Ob das Mädchen wirklich selbst schriftstellerte oder nicht doch die Adoptivmutter zum Stift griff? Um die 1947 in Frankreich geborene Kinderschriftstellerin Minou Drouet gab es in Frankreich in den Fünfzigerjahren heftigen Streit. Jean Cocteau prägte das (anmaßende) Diktum: »Alle Kinder haben Genie, außer Minou Drouet.« Das Foto zeigt Minou im Jahr 1960.
Foto: ZUMA / Keystone / imago imagesOpernkomponistin: Die achtjährige Britin Alma Deutscher (Foto von 2013) bei der Vorführung eines ihrer Stücke. Das Mädchen griff bereits mit zwei in die Tasten, komponierte mit sechs eine Klaviersonate, mit sieben ihre erste Oper. Alma hat es allmählich satt, mit Mozart verglichen zu werden, wie das Mädchen 2018 der »taz« verriet: »Ich weiß, die Leute meinen es nett. Aber ich will nicht wie Mozart sein. Ich will Alma sein und meine eigenen Kompositionen schreiben.«
Foto: Bertrand Rindoff Petroff / Getty ImagesDas Mädchen mit der Violine: Mit sechs gewann sie ihren ersten Musikwettbewerb, mit 13 Jahren debütierte sie bei den Salzburger Pfingstfestkonzerten unter der Leitung von Herbert von Karajan – Anne Sophie Mutter (hier als 14-Jährige) wurde als Kind von der Schulpflicht befreit, um sich der Musik zu widmen.
Foto: ZUMA / Keystone / imago imagesSchach-Königin: Ex-Weltmeister Garri Kasparow schmähte sie einmal als »dressierten Hund« – die 1976 geborene Ungarin Judit Polgar (hier mit zehn Jahren in New York). Der Vater unterrichtete seine drei Töchter daheim und trainierte sie jeden Tag stundenlang im Schach. Genie sei reine Erziehung, so seine Überzeugung. »Du wunderst dich nicht, warum du Schach lernen sollst, wenn deine zwei großen Schwestern kaum etwas anderes tun. Es kam so selbstverständlich zu mir, wie man laufen lernt«, sagte Polgar 2020 der »Zeit«. Sie ist bis heute die erfolgreichste Frau der Schachgeschichte.
Foto: Yvonne Hemsey / Getty ImagesSein größter Hit hieß »Mama«: Heintje (hier als 14-Jähriger zu Besuch in Zürich) wurde 1955 als Hendrik Nikolaas Theodor Simons in den Niederlanden geboren. Mit elf Jahren nahm Heintje in Amsterdam seine erste Platte auf – an seinen Erfolg als Kinderstar konnte der Sänger im Erwachsenenalter jedoch nie anschließen.
Foto: RDB / ullstein bildErwachsene mit Windeln: Baby-Star Shirley Temple (1928 bis 2014) erhielt schon als Sechsjährige einen Nachwuchs-Oscar und ist damit bis heute jüngste Preisträgerin der Filmgeschichte. Präsident Franklin D. Roosevelt dankte der in den Dreißigerjahren extrem populären Kinderschauspielerin öffentlich dafür, dass sie »Amerika mit einem Lächeln durch die Wirtschaftskrise führt«. Shirleys Karriere, die massiv von ihrer Mutter gepusht wurde, endete schon mit zwölf Jahren. Das Foto zeigt sie 1932 als Vierjährige im Film »War Babies« an der Seite von Georgie Billings und Georgie Smith.
Foto: Everett Collection / ddp images»Lieber Yehudi, heute hast du wieder bewiesen, dass es einen Gott im Himmel gibt«: So äußerte sich Albert Einstein, nachdem er den 13-jährigen Yehudi Menuhin im Konzertsaal gehört hatte. Ähnlich drückte es der irische Dramatiker George Bernard Shaw aus: »Yehudi kann mit seinem Spiel einen Atheisten zum Glauben bekehren.« 1916 (und nicht 1917, wie sein Vater zunächst behauptete) in den USA geboren, wurde das Kind von seinen aus Palästina eingewanderten russisch-jüdischen Eltern daheim erzogen und von der Außenwelt abgeschirmt; eine Schule hat er nie besucht. »Sie dürfen nicht vergessen«, erklärte Menuhin seinem Biografen Robert Magidof, »dass ich erst nach meinem 18. Geburtstag zum ersten Mal eine Straße ohne Begleitung überquert habe.« Das Foto zeigt Yehudi Menuhin im Jahr 1931 in New York. Der Geiger war der erste jüdische Musiker, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Deutschland auftrat. »Was mich betrifft, so war mir das ungeheure Glück zuteil geworden, mit ihr, der deutschen Musik, mein ganzes Leben lang zu leben. Deshalb war das entwürdigende Geschehen des Nationalsozialismus für mich totaler Verrat.« Menuhin starb 1999 während einer Deutschland-Tournee in Berlin.
Foto: UIG / imago imagesErziehungsexperiment: Er soll schon mit 18 Monaten die »New York Times« gelesen haben und mit sechs Jahren zehn Sprachen gesprochen haben, als Elfjähriger hielt er in Harvard einen Vortrag über seine Theorie der vierten Dimension – der Amerikaner William James Sidis (1898 bis 1944). Seine Eltern waren beide Mediziner und der festen Überzeugung, dass man Kinder mit der richtigen Frühförderung zu Genies erziehen kann. »Das ganze Geheimnis von Billys Erziehung ist, dass wir ihm zeitig die Liebe zum Lernen eingepflanzt haben. Wir haben beschlossen, dass wir Billy von Anfang an wie einen Erwachsenen behandeln«, so Mutter Sarah. Das Foto zeigt Sidis als Teenager im Jahr 1915. Der Autor Klaus Cäsar Zehrer hat dem tragischen Wunderkind 2017 mit seinem Romandebüt »Das Genie« ein literarisches Denkmal gesetzt.
Foto: Getty ImagesMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
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