
"MacGyver": Bombentyp mit Bombentipps
"MacGyver" Mit Klebeband die Welt retten
Noch 30 Sekunden. Der Mann in der Militärjacke durchsucht seinen Rucksack nach geeignetem Werkzeug, die Uhr tickt gnadenlos auf die Detonation zu. Noch elf Sekunden. Etwas Glänzendes fällt dem Agenten in die Hände. Noch sieben Sekunden. Entschlossen biegt er eine Büroklammer auseinander. Noch drei Sekunden. Aus dem Büro-Utensil ist ein Verbindungsdraht entstanden. Noch zwei Sekunden. Mit dem Kupferleiter verbindet er zwei Kontakte im Schaltkreis des Sprengsatzes. Noch eine Sekunde. Der Timer bleibt stehen.
Der Timer gehört zu einem Sprengsatz. Der Sprengsatz zu einer Rakete. Und die liegt in einem Zelt, hoch oben auf einem Felsen in einer Einöde in Zentralasien. Hier ist ein Flugzeug der US-Airforce abgestürzt, ringsherum patrouillieren feindliche Soldaten. Und der Spezialagent namens Angus MacGyver, der hier mit Pudelmütze auf dem Kopf hinaufgeklettert ist, versteckt sich im Zelt mit der explosiven Fracht, die das gegnerische Heer erbeutet hat.
Für die gefährliche Bergung hat der Agent mit dem Vokuhila im Gegensatz zu seinen vielen Film- und Fernsehkollegen keine Maschinengewehre mitgebracht. Keine Handgranaten oder Revolver. Nur eine einzige Waffe hat er im Gepäck - ein kleines, rotes Taschenmesser mit dem Schweizerkreuz darauf.
Bastelmann im Hauptprogramm
Als 1985 "MacGyver" im US-Fernsehen anlief, ließ der namensgebende Protagonist sein Publikum staunen. Statt eine erbeutete Kalaschnikow gegen seine Gegner einzusetzen, wie es zuvor jeder US-Actionheld getan hätte, bastelte er daraus eine Selbstschussanlage - die aber nur in die Luft feuerte, um die Soldaten in die Irre zu führen. Kein Problem schien groß genug, um den pazifistischen Tüftler aus dem Konzept zu bringen.
Er nutzt eine Leuchtpistole als Raketenantrieb. Er leitet mit dem Prisma eines Fernglases einen Laser um. Ein Leck in einem Schwefelgastank verstopft er mit Schokolade. Er verschiebt einen Metallträger mit dem Druck eines Wasserschlauchs. Mit einer Bombe aus Erkältungskapseln und Wasser sprengt er eine verschlossene Tür. Und eine Warnbotschaft morst er ganz einfach durch die Lichtanlage eines Gebäudes.
Von der Bombenentschärfung mit der Büroklammer gleich am Anfang der ersten Folge mal ganz abgesehen. MacGyver war anders als die anderen Agenten. Im Auftrag des fiktiven US-Geheimdienstes DXS und später der Phoenix Foundation, klärte er Verbrechen auf, beschaffte Informationen, trickste gegnerische Dienste aus - und bastelte, was das Zeug hielt. Seine wichtigsten Utensilien: das Schweizer Offiziersmesser und etwas Klebeband.
Kleines Bomben-Einmaleins
Fünf Jahre lang hatte Richard Dean Anderson Ende der Siebzigerjahre in der Soap "General Hospital" einen Arzt gespielt. Schwerlich die erste Wahl für den Helden einer Actionserie. Doch gerade seine Andersartigkeit machte ihn für die Produzenten zur idealen Besetzung. "Wir schauten uns 100 Darsteller an - und dann kam Richard zum Vorsprechen", erinnerte sich einer der Produzenten, Henry Winkler, in einem Interview. "Er musste erst mal in seiner Aktentasche nach seiner Brille suchen, um das Skript lesen zu können. Da dachte ich nur: 'Das ist es.'"
Aus dem Off kommentierte und erklärte Richard Dean Anderson fortan die technischen Spielereien seines MacGyver, um sie dem Zuschauer verständlich zu machen. Als Berater für die Erfindungen hatten die Produzenten der Serie John Koivula engagiert. Der Universal-Gelehrte und Mineraloge arbeitete am California Institute of Technology, dem Caltech. Koivula überprüfte, ob die Tricks, mit denen MacGyver seine Gegner übertrumpfte, machbar waren. Obwohl manche Erfindung die Grenzen der Physik überstrapazierte, waren die Serienmacher um Realismus bemüht. Nur bei Anleitungen für den Bau von Sprengstoff und tödlichen Waffen ließen MacGyver und seine Schatteneminenz Koivula absichtlich elementare Bestandteile außen vor.
Zum Glück, denn die Zuschauer liebten ihren tüftelnden Helden so sehr, dass sich immer mehr von ihnen zu eigenen Experimenten verleiten ließen. Die Euphorie vor den Bildschirmen ging sogar so weit, dass Zuschauer eigene Erfindungen und Tricks an die Produzenten schickten - mit Erfolg: "Wir bekommen genügend Einsendungen, um bis zum Jahrtausendwechsel durchhalten zu können", sagte Richard Dean Anderson 1986. "In einer Folge knacke ich ein Schloss mit dem Faden einer Glühbirne. Das hatte uns jemand geschickt."
Schlagfertiger Pazifist
Über die Jahre verwuchs Anderson immer mehr mit seiner Rolle. Der Agent sei ein TV-Heldentyp, der verletzlich sei und Gewalt ablehne, stellte der Schauspieler einmal fest. Im Laufe der Serie wurden immer mehr Teile seiner persönlichen Biografie, wie etwa der Geburtsort in Minnesota, zum Teil seiner Figur. Besonders seine persönliche Abneigung gegen Schusswaffen aber wurde zu einem der Hauptmerkmale von MacGyver.
In einer Folge warfen die Macher und Anderson einen Blick zurück in die Kindheit ihres Helden - in der der junge MacGyver mitansehen musste, wie sein Freund beim Spielen mit einer Handfeuerwaffe tödlich verunglückte. Daraufhin machten sich die US-Waffenlobby NRA und konservative Organisationen gegen die "liberale" Serie und ihren Hauptdarsteller stark. "MacGyver wurde offensichtlich von der NRA angeschwärzt", stellte Richard Dean Anderson fest, der sich auch privat immer wieder für eine Einschränkung des Waffenbesitzes aussprach. "Ich stehe auf ihrer Abschussliste der Prominenten, die boykottiert werden müssen. Darauf bin ich ziemlich stolz."
Doch die Fans des pazifistischen Superagenten waren weitaus zahlreicher als seine Feinde. Sieben Staffeln lang verfolgten sie die Abenteuer des Mannes, der auch in den brenzligsten Situationen mit dem Basteln begann. Selbst Jahrzehnte nachdem die erste Folge im Fernsehen lief, steht der Name des Agenten stellvertretend für Erfindergeist. Der Begriff "MacGyverism" wurde über die Jahre zum Synonym für technische Kreativität angesichts großer und kleiner Probleme, 2015 wurde er in das Wörterbuch OxfordDictionaries.com aufgenommen. Verschiedene Wissenschaftsformate haben MacGyvers Tricks dem Realitätscheck unterzogen, die Redakteure des Technikmagazins "Wired" wählten ihn neben Steve Jobs und Nikola Tesla unter ihre größten Helden. Nach ersten Berichten hat der Sender CBS sogar kürzlich einen Reboot der Serie beschlossen, in dem ein junger MacGyver seine ersten Abenteuer erleben soll.

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