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Maharishi Mahesh Yogi: Der kichernde Guru

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Maharishi Mahesh Yogi Der Lieblingsguru der Hippies

Er nannte sich "spiritueller Lehrer der Beatles", gründete eine "Weltregierung" und machte Millionen mit Meditation. Maharishi Mahesh Yogi verstand es blendend, fernöstliche Spiritualität mit westlichem Geschäftssinn zu paaren.

John Lennon dampft vor Zorn. Eben noch sah man ihn Querflöte spielend durch die Gärten streifen, jetzt keift er den Journalisten ins Mikro: "Der Kerl ist eben auch nur so ein geiler Bock." Lennon steigt ins Taxi zum Flughafen von Delhi. Auf der Fahrt an diesem 11. April 1968 schreibt er den Song "Sexy Sadie". Die ersten Zeilen: "What have you done? You made a fool of everyone."

Jemand hat ihn mächtig verärgert. Was ist nur passiert?

Nicht viel. Jedenfalls nicht das, was Lennon zugetragen wurde, ehe er sich aus dem Staub machte. Auf die Palme hat ihn das Gerücht gebracht, dieser ach so heilige Guru habe eine Amerikanerin verführt und weitere Frauen belästigt. Was wohl nicht stimmte, den berühmten Musiker aber zum Wutsong veranlasste.

Knapp zwei Monate zuvor war Lennon mit den übrigen Beatles und ihren Frauen, den Musikerkollegen Mike Love von den Beach Boys und Donovan sowie Schauspielerin Mia Farrow ins indische Rishikesh nahe des Himalaya gereist, um dort Seelenfrieden zu finden - oder zumindest Antworten auf drängende Fragen nach dem Sinn des Lebens.

"Wie eine Feder über einem Heißluftrohr"

Wer diese Verantwortung ganz entspannt auf seine schmalen Schultern nahm: Maharishi Mahesh Yogi, damals um die 50. Er hatte lange Haare, einen Rauschebart und schien beständig über Witze zu glucksen (die Medien nannten ihn giggling guru, den kichernden Guru). In weiße Leinen gehüllt und umrahmt von bunten Blumen, saß er im Schneidersitz auf dem Sofa und sagte Sätze wie: "Die Antwort auf jedes Problem ist, dass es kein Problem gibt."

Maharishis Lehre war die "Transzendentale Meditation", ein Ableger der uralten hinduistischen Mantrapraxis, bei der sich Meditierende mit einem personalisierten Mantra auf eine Reise in tiefere Bewusstseinsschichten begeben, um dort Frieden und neue Energie zu finden. Das erfordert viel Übung und Hingabe, wurde vom Yogi und seinem Gefolge aber so weit heruntergedimmt, dass sich zur Zeit des Beatles-Besuchs bereits Menschen in gut 50 Ländern für TM begeisterten.

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Maharishi Mahesh Yogi: Der kichernde Guru

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Laut Verkündung des stets so fröhlichen Maharishi helfen schon zweimal 20 Minuten täglich gegen praktisch alles: Falten, Stress im Job, fallende Aktienkurse, Krieg. Der indische Guru war ein neuer Magnet für Hippies, die sich in den späten Sechzigerjahren gen Asien aufmachten, um mit bewusstseinserweiternden Substanzen, freier Liebe und fernöstlichen Glaubensrichtungen zu experimentieren.

Die Beatles kamen nicht allein. 800 Journalisten aus aller Welt folgten ihnen und erlebten Musiker, die in kunterbunten Gewändern durch Klostergärten hopsten, einander rote Farbe in die Gesichter klecksten und erste meditative Erfahrungen etwa so schilderten: "Ich fühlte mich wie eine Feder über einem Heißluftrohr."

Tatsächlich inspirierten diese Wochen die kreativ angerosteten Beatles. "Ob-La-Di, Ob-La-Da", sang das Ensemble eines Dorfkinos, als John, Paul, Ringo und George einen Fackelzug zum Ganges antraten. Klingt doch nett, dachten die Briten. Die meisten Songs für ihr Doppelalbum "The BEATLES", weithin bekannt als "The White Album", entstanden in Indien.

Runzeln weg, Kreislauf topfit

Das Glück währte nur kurz. Ringo Starr hielt es gerade eine Woche aus, bis er die gebackenen Bohnen aus der Heimat vermisste. Ihm folgte Paul McCartney, George Harrison begleitete schließlich den grimmigen John Lennon. Der Guru aber verstand den Besuch der Band für sich zu nutzen: Auf dem Markt der Religionen positionierte er sich als Weiser aus einer anderen Welt, der mit einfacher fernöstlicher Lehre vom Leben gebeutelten Westlern zu frischem Elan verhilft.

Die Geschichte beginnt im indischen Dorf Chichli, wo Mahesh Srivastava (vermutlich) am 12. Januar 1917 geboren wird und aufwächst. Später studiert er Physik und wird persönlicher Assistent von Swami Brahmananda Saraswati. Als der Guru 1953 stirbt, zieht es Mahesh Srivastava ins Himalaya-Gebirge. Nach seiner Rückkehr nennt er sich Maharishi Mahesh Yogi und hat einen Plan.

In Kalifornien gibt er erstmals TM-Kurse. "Meine Meditationstechnik", verspricht der Guru, "verhilft den Menschen zur seelischen und geistigen Gesundheit. Da 70 Prozent aller Krankheiten auf nervösen Belastungen beruhen, ist die seelische Ausgeglichenheit sehr wichtig. Meine Anhänger verloren ihre Runzeln und Falten im Gesicht, hatten einen geregelten Pulsschlag und Blutkreislauf und waren sehr glücklich." So einfach ist das. Und bringt so viel Erfolg. Die Zahl seiner Jünger wächst beständig.

Weltberühmt macht den Maharishi (übersetzt: der große Seher) erst der Beatles-Besuch. Trotz des hässlichen Abschieds bezeichnet er sich nun als "spirituellen Lehrer der Beatles", wird zum esoterischen Oberhaupt der Flower-Power-Hippies und letztlich Wegbereiter der Wellness-Industrie mit all ihren Ayurveda-Behandlungen und Yogakursen. Das Medienbild verfeinert er mit aufwendiger PR-Arbeit - in London etwa ziert sein Gesicht die Werbeflächen der U-Bahn.

"Bausparkasse der Erleuchtung"

Wie kein Zweiter verbindet Maharishi fernöstliche Spiritualität mit westlicher Geschäftstüchtigkeit. Unter den Hindulehrern in seiner Heimat ist es verpönt, für spirituelle Nachhilfe Geld zu verlangen. Dagegen sind seine Schüler auch Kunden. 1960 bietet er erstmals Kurse in Deutschland an, sieben Einheiten TM kosten 200 Mark. Einige Jahre später sind für den Lehrerkurs, höchste Stufe des TM-Bewusstseins, schon 40.000 Mark fällig. Läuft. Überall auf der Welt eröffnet er neue Meditationszentren und gibt auch mal 80.000 Dollar für ein Gerät zur Gehirnwellenmessung aus.

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"Wer mit der Meditation von heute näher bekannt werden will, stößt unumgänglich auf das marktbeherrschende System des Inders Maharishi Yogi", schreibt die "Zeit" 1975 über den "zottelbärtigen Magier". Und zum Bau einer 5,5 Millionen Mark teuren Berliner Akademie, die der Yogi mit "attraktiven Kapitaleinlagen" in eine "Bausparkasse der Erleuchtung" finanzieren möchte, sagt Psychologe Dietrich Langen dem "Stern" drei Jahre später: "Der Maharishi hat den Westen mit dessen eigenen Waffen geschlagen."

Längst werfen Kritiker ihm Scharlatanerie und wenig Verantwortungsbewusstsein vor. Ernst Hess, SPIEGEL-Reporter unter dem Pseudonym Peter Brügge, urteilt bei einem journalistischen Selbstversuch 1971 nach ersten TM-Einheiten: "Wie ein seelischer Sessellift trägt einen das in andere Bewusstseinsregionen."  Was jedoch nicht lange anhalte: "Es handelt sich nicht um ein spielerisches 'Trimm Dich' der Seele. Sie, die dank TM angeblich die schlimmsten Prüfungen bewältigen, vergessen, von den ebenfalls zu erwartenden unglaublichen Störungen im Seelenhaushalt des Meditierenden zu berichten."

Brügge erlebt "Phasen nachtheller, apathischer Schlaflosigkeit und nervöser Arbeitsunlust", später "panische Ratlosigkeit gegenüber den plötzlich vielfach verstärkten Forderungen und Reizen der Umwelt". 1987 sagt Freya Barschel der "Bild" nach dem Tod ihres Gatten Uwe: "Wir hatten mit der TM-Technik gute Erfahrungen gemacht. Wir sind auf dem Teppich geblieben." Sie warnt jedoch: "Jugendliche und labile Menschen sollten vorsichtig sein."

Flieger im Lotussitz

Spätestens Ende der Siebziger, als die Flower-Power-Bewegung ausdörrt, wirken Maharishi Yogi und seine weltweiten TM-Anhänger immer spleeniger. In der Schweiz gründet er eine "Weltregierung", später auch mit einer deutschen Filiale. Sie wird geführt von zehn Ministern und halluziniert unter anderem über die "Unbesiegbarkeit der deutschen Nation".

Im "Jahr der idealen Gesellschaft" 1977 orakelt der Yogi von einer krankheitsfreien Gesellschaft, in der niemand mehr für seinen Lebensunterhalt arbeiten müsse und "ideales Wetter und pünktliche Ernten selbstverständlich" seien. Unterdessen berichtet ein ehemaliger TM-Lehrer im "Stern" über verstörende Begegnungen mit dem gackernden Guru: "Zum Beispiel sagte er im kleinen Kreis, Hitler sei der beste deutsche Führer gewesen. Jeder große Führer muss schädliche Elemente beseitigen."

Populär bleibt der Yogi dennoch. In Deutschland tritt ab 1994 sogar die "Naturgesetz Partei" zu Wahlen an, doch ihre "Yogischen Flieger" hüpfen im Bund wie in den Ländern weit am Parlament vorbei. An der Justiz zerschellen Strafanzeigen der schrulligen Zwergpartei gegen Politiker - wegen angeblicher Schuld an Gesundheitsschäden durch Ignorieren der doch so vorteilhaften Bewusstseinstechnologien. Und etwa 15 Jahre später sollen 1000 Studenten einer neuen "vedischen Friedensuniversität" in Berlin Meditation lernen; auch daraus wird nichts.

Bis heute sollen mehr als fünf Millionen Menschen TM betreiben. Wie viel Geld Maharishi Mahesh Yogi in all den Jahren verdient hat: unbekannt. Sehr wahrscheinlich wurde er Multimillionär. Kurz vor seinem Tod am 5. Februar 2008 richtete der Guru via Internet letzte Worte aus dem TM-Hauptquartier im niederländischen Vlodrop an seine Jünger: "The future is bright - and this is my delight." Ein letztes Kichern. Den Beatles hätte dieser Reim vermutlich gefallen.

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