
Marianne Faithfull zum Geburtstag Supergroupie, Superwoman


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Vor einiger Zeit saß Marianne Faithfull mal grimmig in einem dieser Pariser Bistros, die damit werben, dass schon viele berühmte Menschen dort einkehrten. In jenem elegant runtergerockten Laden nahe Faithfulls Wohnung tranken bereits F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, Pablo Picasso und ein gewisser Mick Jagger.
Wobei dessen Name in Marianne Faithfulls Gegenwart besser nicht erwähnt werden sollte. An den Rolling-Stones-Sänger, mit dem sie in den Sechzigerjahren sehr öffentlich liiert war, möchte sie keine Gedanken mehr verschwenden - nachdem sie ihre Affären als eine Art Supergroupie der Sechzigerjahre so lange so intensiv beplaudert hatte.
Es war das Jahr 2014, als ich Faithfull für ein Interview in Paris traf. Ich kannte ihren Ruf, eine sehr anstrengende Interviewpartnerin zu sein. Und trat dennoch voll ins Fettnäpfchen.
Ich lernte: Wer die ohnehin reizbare Britin wirklich zur Weißglut bringen will, muss sie nur eine "Überlebenskünstlerin" nennen. Das bringt sie augenblicklich auf die Zinne. Denn ihre Vergangenheit ist für Faithfull nur Schnee von vorgestern, höchstens. Nostalgie sei noch nie ihr Problem gewesen, fauchte sie mich damals im Bistro an.
Fragen nach dem Privatleben kann sie nicht ausstehen
Dummerweise wird Faithfull dieser Tage auch schon 70 Jahre alt, und viele der alten, ungeliebten Geschichten aus ihrem Leben werden aus diesem Anlass wieder hervorgekramt werden. Vermutlich wird sich die Künstlerin an ihrem Geburtstag allein in ihrer Wohnung im Zentrum von Paris verbarrikadieren und warten, bis der Rummel um ihre Person sich wieder verflüchtigt hat. Vielleicht schaut aber auch ihr Sohn Nicholas mit ihrer Enkelin vorbei, oder sie amüsiert sich irgendwo mit ihrem Lebensgefährten, falls es einen geben sollte.
Man wird es kaum erfahren. Fragen nach ihrem Privatleben kann Faithfull nicht ausstehen, was ihr gutes Recht ist, nach einem überwiegend im Rampenlicht gelebten Leben.
Zur Welt kam Marianne Faithfull am 29. Dezember 1946 im elegant verschlafenen Londoner Stadtteil Hampstead. Ihr Vater war ein britischer Armeeoffizier, ihre Mutter eine österreichische Adlige. Als Kind träumte Marianne davon, eine Schauspielschule in Wien zu besuchen oder eines Tages in einer Oper von Mozart mitzusingen.
Hauptqualität: Sie sah so umwerfend aus
Dann aber nahm ihre innig geliebte Großmutter sie eines Tages mit zu einer Aufführung des Musicals "Westside Story", wo wohl der Geist des Showbusiness in die tief beeindruckte Enkelin fuhr. Denn von jenem Tag an wollte sie nur noch Pop-Songs singen.
Tatsächlich in Fahrt kam ihre Karriere 1964, als sie acht Minuten lang Joan-Baez-Songs im Vorprogramm der Hollies klampfen durfte - ihr erster öffentlicher Auftritt überhaupt. Singen konnte sie ganz leidlich und sie beherrschte auch ein paar Gitarrengriffe. Aber vor allem sah sie damals so umwerfend aus, dass Zeitzeugen heute noch ganz verzückt sind.
Kein Wunder also, dass die hübsche junge Frau wenig später auf einer Party der Rolling Stones landete, wo sie Andrew Loog Oldham beeindruckte, den Manager der jungen Wilden. Er gilt seitdem als ihr "Entdecker". Nach dieser Party sei ihr Leben ein anderes geworden, so Faithfull.
Damals brachte Loog Oldham seine Klienten Jagger und Richards dazu, Faithfull den Song "As Tears Go By" zu überlassen. Sie sang ihn noch mit zarter Mädchenstimme, er wurde tatsächlich ein Hit und legte den Grundstein zu ihrer Karriere.
Mick und Marianne, das Glamour-Paar
Es folgten weitere erfolgreiche Songs, Schauspielunterricht und eine leidenschaftliche Affäre mit Mick Jagger. Für ihn verließ Faithfull ihren frisch angetrauten Gatten und den gemeinsamen Sohn, um sich lustvoll mit dem Sänger ins wilde Londoner Nachtleben zu stürzen. In den "Swingin' Sixties" wurden Mick und Marianne zum glamourösen Vorzeigepaar der Metropole und schienen alles im Übermaß zu genießen.
Dass Faithfull aber ebenso unbeschwert wie Jagger die Puppen tanzen ließ, kam in den Medien nicht gut an. Spätestens nach einer exzessiven Sause 1966 im Haus von Keith Richards in Sussex, bei der Polizisten die nur mit einem Pelz bekleidete Marianne Faithfull aufgabelten, galt sie in der Presse als "Schlampe" oder "Flittchen", die ihre Familie im Stich gelassen habe, um mit halbseidenen Typen auf den Putz zu hauen.
Nebenher inspirierte sie die Rolling Stones zu Songs wie "Sympathy For The Devil", "Wild Horses" oder "You Can't Always Get (What You Want)". Zum Drogensong "Sister Morphine" lieferte sie sogar den Text. Aber zum Ende der Sechzigerjahre hin wuchs ihr alles so über den Kopf, dass sie sich 1970 von Jagger trennte.
Es folgte der Absturz. Drogen und Alkohol trugen sie so aus der Bahn, dass Faithfull eine Weile obdachlos in den Straßen von Soho hauste. Das Sorgerecht für ihren Sohn war ihr längst entzogen worden. Ein Selbstmordversuch scheiterte knapp.
Ein Song für Ulrike Meinhof
Das sei natürlich alles nicht angenehm gewesen, grummelte sie 2014 beim Interview in Paris. Aber auch längst nicht so furchtbar, wie es sich Menschen ausmalten, die niemals in solchen Situationen waren. Wobei anzumerken wäre, dass Faithfull eben auch zäh und stark ist, sonst hätte sie ihre Abstürze kaum überstanden. Doch nach einigen Monaten ließ sie sich von Freunden helfen, absolvierte einen Entzug und kam wieder auf die Beine.
Als Erinnerung an diese finsteren Zeiten blieb Faithfull die brüchig gewordene, dunkle Stimme. Völlig überraschend gelang ihr 1979 ein spektakuläres Comeback mit dem Album "Broken English", das bis heute als ihr Meisterwerk gilt.
In dem von Ulrike Meinhof inspirierten Titelsong bündelte Faithfull all ihre aufgestaute Wut zu großer Kunst. Das brachte ihr nicht nur den Applaus von Kritikern, sondern auch Millionen verkaufte Platten. Ohne diesen Erfolg hätte sie die - finanzielle wie persönliche - Wende in ihrem Leben vermutlich nicht geschafft.
Seitdem hat Faithfull regelmäßig neue Alben veröffentlicht. Manche umwerfend, manche nicht. Sie ließ sich auf Konzertreisen feiern und beeindruckte obendrein als Schauspielerin in Filmen wie "Irina Palm" oder "Marie Antoinette". Trotz immer wiederkehrender finanzieller Probleme und ihrer lädierten Gesundheit.
Ob es ihr also passt oder nicht: Selbstverständlich ist Marianne Faithfull auch eine große Überlebenskünstlerin.
Jetzt aber mal Schluss mit den Tourneen
Nicht, dass sie nicht klagen würde. Ganz im Gegenteil: Faithfull ist eine Großmeisterin des beständigen Zeterns. Nur ist es kein Zetern über das Altern oder Gebrechen. Sondern mit Vorliebe darüber, dass sie völlig unterschätzt sei. Was ihre Musik angeht, hat sie sogar recht. Einige der Alben, die sie mit Größen wie Hal Willner oder Angelo Badalamenti einspielte, hätten ein sehr viel größeres Publikum verdient gehabt.
Aber letztlich hat Marianne Faithfull keinen Grund zu jammern. Immerhin residiert sie zurzeit in einem der schöneren Viertel von Paris und nennt obendrein ein Cottage in Irland ihr Eigen.
Künftig wird sie mehr Zeit dazu haben, dort innezuhalten. Denn auf Tournee will sie künftig nicht mehr gehen, um ihre Gesundheit zu schonen: "70 ist doch ganz schön alt, oder?" Faithfulls ohnehin heisere Raspelstimme hatte auf Tour zuletzt nicht mehr die frühere Kraft; Auftritte absolvierte sie oft sitzend auf einer Art Thron, nachdem sie sich die Hüfte gebrochen hatte.
Schon beim Interview 2014 in Paris war sie angeschlagen, betrat das Bistro am Stock gehend. Sie habe wirklich genug erlebt und überlebt, sagte Marianne Faithfull. Wichtig sei letztlich nur: Sie schäme sich für nichts. Wirklich gar nichts.
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It-Girl: Marianne Faithfull im Januar 1967 am Londoner Flughafen. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits eine der bekanntesten Figuren des Londoner Nachtlebens - nicht zuletzt durch ihre Affäre mit Mick Jagger, mit dem sie sich ins Nachtleben der Sechziger stürzte. Doch nach ihrer Trennung von Jagger 1970 folgte ein Absturz ins Bodenlose.
Auf der Leinwand: Neben ihrer Musikkarriere trat Marianne Faithfull auch immer wieder in Filmen auf - etwa 1968 in dem Film "Nackt unter Leder" (Originaltitel: "The Girl On A Motorcycle").
Alles am richtigen Platz? 1964 debütierte Faithfull als Sängerin, durchaus mit Erfolg. Aber bekannt machte sie mehr ihr Status als Supergroupie - und ihr Aussehen, von dem Zeitzeugen noch heute schwärmen. Es brachte ihr auch Filmauftritte wie diesen in "The Girl On A Motorcycle" ein.
In illustrer Gesellschaft: Neben den Rolling Stones war Marianne Faithfull auch mit vielen anderen Musikern, etwa David Bowie, gut befreundet. Hier steht sie im Oktober 1980 mit Bowie für die "Midnight Special"-Show der NBC im Londoner Marquee-Klub auf der Bühne.
Fotogen: Faithfull posiert mit ihrem Dalmatiner für den Fotografen. Ihre Liebe zum Showgeschäft hatte die Sängerin, Tochter einer Mutter aus österreichisch-ungarischem Adel, bereits als Kind entdeckt - bei einem Musical-Besuch mit ihrer Großmutter.
Blonde Versuchung: Marianne Faithfull 1968 mit Alain Delon im Film "Nackt unter Leder". Nicht nur auf der Leinwand gab Faithfull den Vamp - auch privat wechselten ihre Beziehungen häufig.
Berühmter Partner: An der Seite von Mick Jagger wurde Marianne Faithfull in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre berühmt. Hier wartet das Glamour-Paar am 29. Mai 1969 vor einem Londoner Gericht auf den Beginn des Verfahrens, nachdem sie wegen Cannabis-Besitzes verhaftet worden waren.
Angebetet: In den Sechzigerjahren galt Marianne Faithfull - hier mit Alain Delon 1968 in einer Filmszene - als Sexsymbol und als eine der attraktivsten Frauen des Swinging London.
Schillernde Welt der Stars: Auf einer Party hatte die 17-jährige Faithfull 1964 den Manager der Rolling Stones kennengelernt. Über ihn lernte sie auch Mick Jagger kennen. Hier verlässt die Sängerin 1967 das Gericht von Chichester, nachdem ihr Lebensgefährte Jagger dort zu drei Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 300 Pfund wegen Drogenbesitzes verurteilt wurde.
Heiliger Bund: Marianne Faithfull war mehrfach verheiratet. Auf diesem Foto posiert sie am 8. Juli 1979 bei ihrer Hochzeit mit Ben Brierly für den Fotografen. Doch letztlich scheiterten alle ihre Ehen.
Rückkehr: Ein unerwartetes und spektakuläres Comeback gelang Faithfull nach schwierigen Jahren 1979 mit dem Album "Broken English", das sich mehr als eine Million Mal verkaufte.
Verlassen für einen Rolling Stone: Faithfulls erster Gatte war der Künstler John Dunbar, mit dem sie 1964 die Party der Rolling Stones besuchte, die ihr Leben ändern sollte. Nicht nur in beruflicher Hinsicht: Faithfull begann eine Affäre mit Mick Jagger und verließ für ihn den Ehemann.
Unerwartete Wurzeln: Ihre Filmrolle als Mutter von "Marie Antoinette" im Jahr 2006 war für Faithfull auch deshalb interessant, weil sie selber dem österreichischen Adel entstammt.
Schwere Zeiten: Nach ihrer Trennung von Mick Jagger 1970 folgte für Faithfull - hier 1971 mit Britt Ekland (links) - eine Zeit der Krisen. Nur mit Hilfe von Freunden konnte sie sich aus Drogen- und Alkoholsucht freikämpfen.
Ist der Ruf erst ruiniert... Weil Faithfull es in den Sechzigerjahren so wild trieb wie viele ihrer männlichen Begleiter, wurde sie in den britischen Medien bald als "Schlampe" tituliert. Inzwischen hält die Sängerin - hier bei einem Auftritt 2005 in Dublin - ihr Privatleben weitestgehend aus den Medien heraus.
Zwischen Stars: Marianne Faithfull zwischen Alain Delon (links) und Mick Jagger bei einem Treffen mit Regisseur Jack Cardiff 1967. Er führte Regie bei Faithfulls Film "Nackt unter Leder".
Schwierige Beziehung: Ihren Sohn Nicholas erlebte Faithfull nur in Intervallen. Lange war ihre Beziehung durch diese Vernachlässigung getrübt. Erst Jahre später näherten sich beide wieder einander an.
International bekannt: Nicht nur in Großbritannien wurde Faithfull berühmt. Hier steht die Sängern im Januar 1967 auf der Bühne des berühmten Sanremo-Festivals, des wichtigsten Popmusik-Wettbewerbs in Italien.
Inspiration: Den Rolling Stones diente Marianne Faithfull als Muse für berühmte Songs wie "Wild Horses", "Sympathy for the Devil oder "You Can't Always Get (What You Want)".
Aus gutem Hause: Marianne Faithfulls Vater war ein britischer Offizier, ihre Mutter entstammte dem österreichischen Adelsgeschlecht der Sacher-Masochs. Die Aufnahme zeigt die Sängerin 1979 im Londoner Dorchester Hotel.
Hohe Ziele: Als junges Mädchen beschloss Faithfull ursprünglich, später in Mozart-Opern singen zu wollen. Doch ein Besuch des Musicals "West Side Story" brachte sie zur Popmusik.
Gebrochenes Englisch: Die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, aufgenommen im März 1962. Wenig bekannt ist, dass Marianne Faithfull durch Meinhof zu dem Titelstück ihres Comeback-Albums "Broken English" von 1979 inspiriert wurde. "Mir war die Wut, die viele vorantrieb, durchaus vertraut", sagte Faithfull in einem SPIEGEL-ONLINE-Interview. "Ulrike Meinhof hatte diesen tief sitzenden Schmerz von klein auf, soweit ich da richtig informiert bin, weil sie eine unerfreuliche Kindheit hatte. Das konnte ich nachvollziehen."
Glamour-Girl der 68er: Wo Uschi Obermaier auftauchte, war ein Fotograf nicht weit. Die Münchnerin, geboren am 24. September 1946, schmiss erst die Schule, dann ihre Retuscheur-Lehre und tingelte lieber durch die Klubs. Bald wurde sie durch Filme und als Fotomodell bekannt. "Zu meiner Zeit hießen Models Tausend-Mark-Mädchen, weil man 1000 Mark pro Tag bekommen hat", sagte sie einmal der "Süddeutschen Zeitung". Sie selbst bekam sogar 1200 Mark - und sah sich gar nicht als Model: "Ich habe mich nur fotografieren lassen."
Wildes Mädchen im Jahr 1969: Obermaier fand erst Anschluss an die Krautrock-Band Amon Düül, dann an rebellierende Studenten, obwohl sie selbst mit Politik nicht viel am Hut hatte. Endlose Debatten über den Kapitalismus, den Kommunismus und den ganzen verdammten Rest fand sie ermüdend - und schlief mitunter darüber ein.
Jederzeit zeigefreudig: Als Galionsfigur der Gegenkultur provozierte Uschi Obermaier durch freizügige Statements und durch dauernden Flirt mit der Öffentlichkeit. Sie galt als Sex-Ikone der Sechziger- und Siebzigerjahre. "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment" - das galt damals als Motto zur sexuellen Befreiung der Gesellschaft.
Vorzeigepaar der Apo: Uschi Obermaier wurde zur Frontfrau der legendären Berliner Kommune 1, verliebt in die Locken und das Engelsgesicht von Rainer Langhans, den sie so klug und sanft fand. Der Psychologiestudent bildete damals zusammen mit Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel den Kern der Wohngemeinschaft, die Polit-Happenings inszenierte, sich allmählich in endlosen Diskussionen und auch durch Drogenexzesse aufrieb.
Die schöne Vorderseite der Revolte: Während die Kommunarden alles Private zum Politischen erklärten, die Klotüren aushängten und Freie-Liebe-Experimente propagierten, machte Obermaier auf Medienstar und verdiente bei Modeaufnahmen gutes Geld.
Parade der Hintern: Die K1 sorgte durch allerlei Provokationen für Wirbel, auch durch dieses ikonische Foto vom Sommer 1967, kurz nach den Berliner Krawallen um den Besuch des Schahs von Persien und einige Monate nach dem "Pudding-Attentat". Die Polit-WG wollte mit dem Bild eine Polizei-Razzia nachstellen. Uschi Obermaiers Rückseite ist allerdings nicht auf diesem Bild, sie stieß erst etwas später hinzu.
Rudelkiffen: Die Kommunarden schilderten ihr WG-Leben gern wie ein großes, fröhliches Fest, wie einen permanenten Kindergeburtstag. Uschi Obermaier (1969, 2. v.r.) lernte auch die anstrengenden Seiten kennen und bekam das ewige Theoretisieren bald satt. Zur Marx- und Mao-Lektüre sagte sie dem SPIEGEL: "Über die Einleitung bin ich nie hinausgekommen. Buchstaben sind mir zu unattraktiv."
Anfänge als Schauspielerin: In ihrem ersten Film "Detektive" (1968, schwarz-weiß) spielte sie an der Seite von Iris Berben. Für sein Filmdebüt musste Regisseur Rudolf Thome nicht lange suchen: Obermaier wohnte im gleichen Apartmenthaus wie er. Im Film ließ er schöne Frauen schöne Dinge tun, gern auch nur leicht bekleidet.
Für seinen nächsten Film "Rote Sonne" (1969), diesmal in Bonbonfarben, heuerte Thome sie gleich erneut an. Eine skurrile Geschichte um eine männermordende Vier-Frauen-WG. Das Foto zeigt Obermaier zusammen mit Gaby Go und Diana Körner.
Regisseur und Hauptdarstellerin: Sie hatte keinerlei Schauspielausbildung. Er wusste das zu schätzen - Profis waren Thome suspekt. Wegen ihrer natürlichen Bewegungen vor der Kamera nannte er Obermaier "mein Südseemädchen".
Szenenfoto: Bei den "Rote Sonne"-Dreharbeiten war Rainer Langhans durchgehend dabei, auf Wunsch von Obermaier. Bald darauf gründeten die beiden in München eine neue Kommune. Die Berliner K1 war inzwischen zerstritten, wurde zusehends militanter und warf dem Paar zudem den "Ausverkauf der Revolution vor, den Uschi Obermaier und ich angeblich popmäßig betrieben", wie Langhans dem SPIEGEL sagte.
Fachfrau für große Tüten: In den Sechzigern und Siebzigern ließ Uschi Obermaier wenig aus, auch drogenmäßig. Ihr Frühstück, so schilderte sie es in ihrer Autobiografie "Das wilde Leben" selbst, bestand bisweilen aus Apfelsaft, einer Line Heroin und einem Joint. Ihre Expertise nutzte 1969 auch der SPIEGEL: Zu einer Titelgeschichte über "Die Haschischwelle" zeigte Obermaier auf acht Bildern, wie man sich als Fortgeschrittene fachgerecht einen baut. Es war eine der ersten Presse-Erwähnungen von Obermaier.
Für Furore sorgte Obermaier auch mit ihren Affären. Sie war zeitweise mit Jimi Hendrix verbandelt, ebenso mit den beiden Stones-Musikern Mick Jagger und Keith Richards. In einer Münchner WG-Küche prügelten sie sich einmal fast darum, wer die Nacht mit ihr verbringen darf - "ein Highlight in meinem Leben", so Obermaier in der "Süddeutschen Zeitung". Das Foto zeigt sie mit Richards bei einer US-Tournee der Rolling Stones 1975.
Girls just wanna have fun? Oft habe sie gehört, dass sie "zu oberflächlich sei, ich wolle nur Spaß haben - und das stimmt", so Obermaier. In den Siebzigerjahren wurde es dann ruhiger um sie. Das Angebot des italienischen Regisseurs Carlo Ponti, in zehn Jahren zehn Filme mit ihr zu drehen, schlug sie aus und posierte gelegentlich noch für Modefotos.
1973, als sie Parallelbeziehungen mit Jagger und Richards laufen hatte, lernte sie auch noch Dieter Bockhorn kennen und lieben, einen Kneipier und Nachtklubbetreiber in Hamburg, Spitzname: "Prinz vom Kiez". Daraus wurde eine schwierige, aber langjährige Beziehung. "Meine Hauptmänner - das waren natürlich der Bockhorn und der Keith Richards, das waren meine ganz großen Lieben", sagt Obermaier heute.
Auf Weltreise: Wie so viele Hippies der Sechziger und Siebziger zog es das Paar nach Fernost, dann auch nach Nord- und Mittelamerika. Kiezgröße Bockhorn hatte Kleinbusse luxuriös zu Wohnmobilen umgestaltet. Darin reisten und wohnten die beiden - bis Bockhorn Silvester 1983 auf seinem Motorrad tödlich verunglückte.
Zudem ist sie Autorin von drei Büchern. Auf diesem Bild von 2013 präsentierte sie bei der Frankfurter Buchmesse ihre Autobiografie "Expect nothing! Die Geschichte einer ungezähmten Frau". Sie lebt zwar in den USA recht zurückgezogen in den Bergen nahe Los Angeles, gab aber dennoch immer wieder recht freimütig Auskunft über ihr Leben und ihre Ansichten.
Ziemlich beste Feinde: Die Ex-Kommunarden Rainer Langhans und Uschi Obermaier posieren 2007 in der TV-Sendung "Beckmann". Hier sieht es nach Eintracht aus, sonst wussten sie übereinander durchaus Giftiges zu sagen - zum Beispiel darüber, wer von beiden denn nun wirklich verklemmt war (Langhans: "Sexgöttin? Pustekuchen!"). Der ewige Hippie pflegt eigenwillige esoterische Neigungen und lebt mit fünf Frauen in einer Münchner Gemeinschaft, die er "Harem" nennt; 2011 nahm er gar am RTL-"Dschungelcamp" teil. Dazu äußerte Obermaier sich drastisch: "Er ist eine traurige, erbärmliche Witzfigur. Jetzt legt er sich mit Kakerlaken in einen Sarg und spielt tot. Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen muss."
"Das wilde Leben" heißt ein Spielfilm von 2007, der sich eng an der Biografie von Obermaier (gespielt von Natalia Avelon) orientiert. Regisseur Achim Bornhak war davon völlig fasziniert: "Sie war in der Kommune 1, aber keine Intellektuelle. Sie ist mit den Stones getourt, war aber kein Groupie. Sie nahm Drogen, war aber kein Junkie. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der allen Schubladen, in die man ihn steckte, so leicht entkam."
Seniorin mit Hund: Ihr Lebenspartner heißt heute Lulla, "ein Mix aus Schäferhund und Husky", adoptiert aus dem Tierheim. Tierschutz ist ihr wichtig, die "ganzen alten Geschichten" sind es nicht mehr: "Es ist mir zu langweilig, das Gleiche wiederzukäuen. Sex, Drugs and Rock'n'Roll war ein Teil, aber das ist nun Vergangenheit. Jetzt bin ich woanders und sehr happy mit meinem Leben."
Was, schon 70? Man sieht's Uschi Obermaier nicht an. Sie lebt recht gesund, hat das Rauchen schon vor einigen Jahren aufgegeben - bis auf gelegentliche Joints ("macht immer noch Spaß"). Ihr Aussehen führt sie auf "gute Gene" zurück. Obermaier räumt aber auch ein: "Ab und zu haben die Ärzte mit der Nadel nachgeholfen."
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