
150. Geburtstag von Marie Curie Die Radium-Rebellin

Der Mob scheint zu allem entschlossen. "Nieder mit der Fremden, nieder mit der Gattendiebin" skandieren die Menschen, die sich am Morgen des 23. November 1911 vor dem Haus von Marie Curie in Sceaux versammelt haben. Manche werfen Steine gegen die Fenster. Freunde eilen herbei, um Curie zu beschützen und in Sicherheit zu bringen. "Versteinert" und "weiß wie eine Statue", so beschreiben Augenzeugen die Wissenschaftlerin.
Was hat Marie Curie, die erste Nobelpreisträgerin, verwitwete Mutter zweier Mädchen, nur verbrochen?
Geliebt hat sie. Einen jüngeren, verheirateten Mann und vierfachen Vater: Paul Langevin, Schüler und Freund ihres 1906 von einem Pferdewagen überrollten Partners Pierre. Als die Affäre öffentlich wurde, traten rechtskonservative Zeitungen eine Schmutzkampagne los, die das ganze Land spaltete.
Von Kollegen gedemütigt
Erbost attackierten Moralhüter die aus Polen stammende "Ausländerin" und "Jüdin", die sich nur für "Bücher, Labor, Ruhm" interessiere und kaltblütig ein "französisches Heim" zerstöre. Sie sei eine "Fremde, eine Intellektuelle, eine Emanze", hetzte Gustave Téry, Gründer der antisemitischen Wochenzeitschrift "L'Oeuvre".
Am schlimmsten demütigten sie jedoch die eigenen Kollegen: Professoren der Pariser Sorbonne forderten Curie auf, Frankreich zu verlassen. Und aus Stockholm erreichte sie per Brief die Bitte, nicht zur Verleihung ihres zweiten Nobelpreises zu reisen.
Ein Affront, den Curie nicht akzeptierte: "Ich glaube, es besteht keine Verbindung zwischen meiner wissenschaftlichen Arbeit und ( ...) meinem Privatleben", konterte sie, fuhr nach Schweden und holte sich hoch erhobenen Hauptes die Auszeichnung ab. Erst danach brach die Forscherin zusammen, wurde ins Krankenhaus eingeliefert, tauchte monatelang ab.
Madame Curie tat, was sie für richtig hielt, liebte, wen sie wollte. Und pfiff ein Leben lang auf das gängige Frauenideal. Doch war sie weder die feministische Ikone, zu der sie schon zu Lebzeiten stilisiert wurde. Noch die überirdische Wonder Woman, als die Tochter Ève sie überhöhte.
Die wohl berühmteste Naturwissenschaftlerin der Welt war eine beispiellos kluge, besessene Frau, die sich leidenschaftlich in den Dienst der Forschung stellte - und am Ende mit ihrem Leben dafür bezahlte.
"Sie verhält sich zurzeit eben wie ein Kind"
Maria Salomea Sklodowska, so Curies Geburtsname, war am 7. November 1867 als letztes von fünf Kindern in Warschau geboren worden. Mit vier konnte sie lesen, mit 15 legte sie das beste Abitur ihres Jahrgangs hin. Und wurde danach so krank, dass ihr Vater sie ein Jahr lang zur Erholung aufs Land schickte.
Da Frauen in Polen das Studium verwehrt war, ließ sie sich heimlich an einer "fliegenden Universität" ausbilden, einem illegalen Netzwerk ohne festen Ort. 1891 schrieb sich an der Pariser Sorbonne ein, nannte sich Marie, schloss ihr Physikstudium als Beste ab. Und erlitt erneut Zusammenbrüche, da sie weder aß noch pausierte: ein Muster, das sich durch ihr Leben ziehen sollte.
"Sie verhält sich zurzeit eben wie ein Kind", schimpfte 1903 Georges Sagnac, ein Freund ihres Ehemannes Pierre Curie. Doch Marie hörte nicht auf ihn. Und hatte in Pierre einen Mann gefunden, der ebenso mutwillig an seine Grenzen ging.
Jahrelange Knochenarbeit
Während der Vater von Pierre auf die Kinder aufpasste, schuftete das Forscherduo in einem maroden Hinterhausschuppen in der Rue Lhomond, von einem Kollegen als "Kreuzung zwischen Stall und Kartoffelkeller" beschrieben.
Vier Jahre lang schippten sie dort tonnenweise Pechblende, zerkleinerten, siebten, kochten das uranhaltige Gestein. Bis sie endlich ein Zehntelgramm des von ihnen entdeckten, massiv strahlenden Elements isoliert hatten, das sie Radium tauften. "Wir lebten wie in einem Traum, von der einen, einzigen Sache erfüllt", schrieb Marie Curie über diese Zeit.
Für ihre Forschungen zur Radioaktivität sollten Henri Becquerel und Pierre Curie Ende 1903 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden - seine Frau aber leer ausgehen. Erst als er sich wehrte, lenkte das Komitee ein und ehrte auch Marie.
Doch waren beide zu angeschlagen, um nach Stockholm zu reisen und den Preis persönlich entgegenzunehmen: Ihre Entdeckung hatte die Curies berühmt und krank zugleich gemacht. Schon 1898 litt Marie erstmals an einer Entzündung der Fingerspitzen, ein Symptom der Strahlenkrankheit. Pierre hielt seine Beschwerden für Rheuma, seine Abgeschlagenheit für Überarbeitung.
"Wie zarte Feenlichter"
Dass radioaktive Substanzen zu oberflächlichen Verletzungen führen, nahmen die Forscher in Kauf. Welche gravierenden Schäden die Strahlung im Körperinneren verursachen kann, war den Curies - zumindest anfangs - nicht bewusst.
Vielmehr hegten sie zu ihrer Entdeckung eine fast zärtliche Beziehung: Pierre trug stets ein Fläschchen Radium mit sich herum, "mein Kind" nannte Marie das Element. Wie sie in ihren autobiografischen Notizen schrieb, spazierte das Paar nachts gern zum Labor, um einen Blick in sein Reich zu werfen:
"Dann konnten wir überall die schwach leuchtenden Silhouetten der Flaschen sehen, die unser Material enthielten. ( ... ) Die strahlenden Reagenzgläser sahen aus wie zarte Feenlichter."
Radioaktives Kondom
Da die Curies auf die Anmeldung von Patenten verzichtet hatten, bereicherten sich andere an dem angeblichen Allheilmittel: Quacksalber brachten "Curie-Haar-Tonikum" gegen Haarausfall und andere Produkte mit radioaktiven Inhaltsstoffen auf den Markt - von der Zahnpasta über Badesalz und Zäpfchen bis hin zu Kondomen, Bier und Schokoladenbonbons.
Euphorisch feierte die Presse die Radioaktivität und ihre Entdecker. "Madame Curie hat vor, allen Krebsarten ein Ende zu bereiten", titelte die "New York Times", das "Petit Journal" fragte: "Ist das Ungeheuer besiegt?" Der Medienrummel um die Curies ebbte nicht ab, entnervt schrieb Marie 1904 ihrem Bruder: "Gestern hat mich ein Amerikaner schriftlich um die Erlaubnis gebeten, ein Rennpferd nach mir zu benennen."
Doch bald war es vorbei mit der Glorifizierung. Marie Curie, seit dem Unfalltod Pierres erste Frau in der Professorenriege an der Sorbonne, mutierte 1911 in der öffentlichen Darstellung vom Genie zur Frevlerin. Erst wagte sie es, für die - rein männliche - französische Akademie der Wissenschaften zu kandidieren. Dann wurde ihre Liebesbeziehung zu Langevin publik.
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15.04.2021 10.55 Uhr
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Frankreich war nicht reif für diese selbstbestimmte Ausnahmefrau: Während die gemäßigte Presse schwieg, wurden die rechten Tiraden so unappetitlich, dass Langevin den Journalisten Téry zum Duell aufforderte, Marie den Suizid erwog.
"Madame Curie hörte nie die Vögel singen"
Es dauerte lange, bis die Forscherin sich von den Anfeindungen erholt hatte. Noch 1913 schrieb Albert Einstein nach einem gemeinsamen Wanderurlaub: "Madame Curie hörte nie die Vögel singen." Erst die Amerikaner schafften es, die sonst stets ernst in die Kamera blickende Frau aufzuheitern.
Als Curie am 20. Mai 1921 am Arm von US-Präsident Warren G. Harding die Freitreppe des Weißen Hauses herunterging, entstand laut Biografin Brigitte Röthlein das einzige Foto, das sie lächelnd zeigt: Harding hatte der Forscherin soeben symbolisch ein Gramm Radium geschenkt - ihr größter Wunsch. Und ihr Verderben.
Die permanente Strahlung hatte Curies Augen stark beschädigt, immer öfter litt sie unter Übelkeit, Kopfschmerz, Schwächeanfällen. Zumal sie sich während des Ersten Weltkriegs erneut verausgabt hatte: Wenn sie nicht gerade ihr neues Institut in Paris einrichtete, fuhr Curie mit selbst entwickelten mobilen Röntgenwagen, sogenannten "Petites Curies", zu den Schlachtfeldern, um den Verwundeten zu helfen. Getreu ihrem Motto: "Wir sollten nichts im Leben fürchten, aber alles verstehen."
Tabubrecherin über den Tod hinaus
Ein Jahr bevor ihre Tochter Irène 1935 den Nobelpreis für die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität erhalten sollte, starb die Pionierin der Strahlentherapie gegen Krebs an Anämie. Dass sie 66 Jahre alt wurde, grenzt an ein Wunder: Noch heute sind ihre Besitztümer laut Biografin Alina Schadwinkel so verstrahlt, dass sie nur mit Schutzkleidung angefasst werden dürfen.
Als "wichtigste Frau unserer Geschichte" würdigte sie 1995 der französische Staatspräsident François Mitterand, als er die Asche von Marie und Pierre Curie ins Panthéon überführen ließ.
Noch nach ihrem Tod war es der Rebellin gelungen, eine weitere Männerdomäne zu erobern - als erste Frau, die für ihre Verdienste in der französischen Ruhmeshalle beigesetzt wurde. Auf deren Giebel eingemeißelt steht: "Den großen Männern die Dankbarkeit des Vaterlands".
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Die Erste: Marie Curie (1867-1934) eroberte zahlreiche traditionell männlich geprägte Domänen für die Frauenwelt. Sie war die erste Doktorin der Naturwissenschaften, die erste Sorbonne-Professorin, die erste weibliche Nobelpreisträgerin (Physik), der erste Mensch, der einen zweiten Nobelpreis erhielt (Chemie) und das erste weibliche Mitglied der Pariser "Académie de Medicine". Für die "Académie des Sciences" kandidierte Curie 1911 - und verlor. Erst 1979 gelang es mit der Physikerin Yvonne Choquet-Bruhat erstmals einer Frau, in die Eliteorganisation aufgenommen zu werden.
Revolution im Hinterhausschuppen: Marie und Pierre Curie in ihrem Labor (undatiertes Foto). "Es war eine Kreuzung zwischen Stall und Kartoffelkeller, und wenn ich nicht die chemischen Apparate auf dem Arbeitstisch gesehen hätte, hätte ich das Ganze für einen Witz gehalten", schrieb der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald über den zugigen Schuppen in der Rue Lhomond. Während Pierre sich auf die Messungen konzentrierte, übernahm Marie den kräftezehrenden Part: "Manchmal verbrachte ich einen ganzen Tag damit, eine kochende Masse mit einem schweren Eisenstab umzurühren, der fast so groß war wie ich selbst", erinnerte sich Marie später.
Eine Familie im Dienst der Wissenschaft: Marie Curie und ihre Tochter Irène im Jahr 1925. Wie ihre Mutter verschrieb sie sich der Forschung: 1935 erhielt Irène mit ihrem Ehemann Frédéric Joliot-Curie - als zweite Frau nach Marie - den Chemienobelpreis für die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität. Sogar die Enkelin von Marie setzte den Weg fort: Hélène Langevin-Joliot arbeitete als Kernphysikerin in Paris, ihr Bruder Pierre Joliot wurde Biochemiker.
Genies im Doppelpack: Marie Curie und Albert Einstein (Aufnahme von 1925). Die beiden Wissenschaftler waren miteinander befreundet und trafen sich zu gemeinsamen Wanderurlauben. Über Curie schrieb Einstein 1935 in einer Gedenkschrift: "Sie war von einer Stärke und Lauterkeit des Willens, von einer Härte gegen sich selbst, von einer Objektivität und Unbestechlichkeit des Urteils, die selten in einem Menschen vereinigt sind. (...) Wenn auch nur ein kleiner Teil von Frau Curies Charaktergröße und Hingabe in den Intellektuellen Europas lebendig wäre, stünde es besser um Europas Schicksal."
Kurzes Glück: 1895 heiratete Marie den Physiker Pierre Curie, mit dem sie zwei Töchter bekam, Irène (geboren 1897) und Ève (geboren 1904). Im April 1906 überquerte Pierre die Rue Dauphine in Paris - und lief geradewegs in einen vorbeifahrenden Pferdewagen. Das linke Hinterrad zertrümmerte Pierres Kopf. Marie übernahm seine Professorenstelle an der Sorbonne und litt entsetzlich unter dem Verlust ihres Mannes: "Mein Leben ist so zerstört, dass es sich nie mehr einrichten wird. So ist es, so wird es bleiben, und ich werde nicht versuchen, es zu ändern", schrieb sie 1907 in einem Brief.
Füreinander da: Maria Salomea Sklodowska, so Marie Curies Geburtsname, kam am 7. November 1867 als Lehrerstochter in Warschau zur Welt. Das Bild zeigt sie (l.) mit Vater Wladislaw Sklodowski sowie den Schwestern Bronia und Hela. 1876 verlor Maria erst die Schwester Sofia und zwei Jahre später ihre Mutter. Um ihrer Schwester Bronia das Medizinstudium an der Pariser Sorbonne zu ermöglichen, nahm die hochbegabte Maria einen Job als Hauslehrerin an. Nachdem Bronia fertig studiert hatte, tauschten die beiden Frauen die Rollen.
Nicht auf Reichtum bedacht: "Das Radium soll niemanden reich machen. Es ist ein Element und also gehört also allen Menschen" - mit diesem Argument verzichtete Marie Curie (hier mit Ehemann Pierre und Tochter Irène) bewusst auf die Anmeldung von Patenten. - Die Curies entdeckten die Elemente Radium und Polonium (benannt nach Maries Heimat Polen) und machten den Vorschlag, die Strahlung, die von diesen beiden Stoffen sowie von Uran und Thorium ausgeht, "Radioaktivität" zu nennen. Zudem entwickelte das Forscherduo die Radiotherapie, also die Bestrahlung als Methode zur Behandlung von Krebs.
Im Dienste Frankreichs: Marie Curie und ihre Tochter Irène 1915. "Ich bin entschlossen, meine ganze Kraft in den Dienst meines Adoptiv-Vaterlandes einzusetzen", so Curie über ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg. Die Wissenschaftlerin entwickelte mobile Röntgeneinheiten, sogenannte "Petites Curies", und fuhr damit zu den Feldlazaretten, um die Untersuchung verletzter Soldaten vor Ort zu ermöglichen. Ihr zur Seite stand Tochter Irène. Zudem bildete Curie Röntgenpersonal aus. Der von Curie etablierte Röntgendienst kam Schätzungen zufolge mehr als einer Million Verletzter zugute.
Frau am Steuer: Um die von ihr entwickelten "Petites Curies" (Foto) selbst zu steuern, machte Marie Curie 1916 den Führerschein. Was die Forscherin während des Krieges erlebte, bestärkte ihre pazifistische Einstellung: "Um allein schon den Gedanken an den Krieg zu hassen, genügt es, ein einziges Mal zu sehen, was ich so oft gesehen habe, all jene Jahre lang: Männer und Jungen, die, in einem Gemisch von Blut und Schmutz, zur Feldambulanz gebracht wurden." Während ihre Tochter Irène für ihren patriotischen Einsatz vom französischen Staat eine Medaille bekam, ging Marie leer aus.
Zur Superfrau stilisiert: "Wir begrüßen Sie als führende Wissenschaftlerin im Zeitalter der Wissenschaft, als Anführerin unter Frauen in einer Generation, die erlebt, wie sich Frauen langsam ihrer selbst bewusst werden." Mit diesen Worten feierte US-Präsident Warren G. Harding Marie Curie in Washington, wo er ihr am 20. Mai 1921 den Schlüssel zu einer Schatulle überreichte, die ein symbolisches Gramm Radium enthielt. Zum Dank dafür lächelte die Wissenschaftlerin in die Kamera - was sie so gut wie nie tat.
PR-Tour durch die USA: 1921 reiste Marie Curie mit ihren Töchtern durch die Vereinigten Staaten - das Foto zeigt sie links neben US-Präsident Warren G. Harding. Eingefädelt worden war die Reise von Marie Mattingley Meloney. Die amerikanische Journalistin glorifizierte Curie zur Heldin im Kampf gegen den Krebs und startete eine große Spendenkampagne. Mit Erfolg: Binnen kürzester Zeit waren 100.000 Dollar zusammen - genug Geld für das von Curie ersehnte Gramm Radium.
"Ich mag ja dieses Radium": 1903 ging der Nobelpreis für Physik gleich an drei Personen - Marie und Pierre Curie sowie Henri Becquerel. Eher zufällig hatte dieser herausgefunden, dass Uranverbindungen Strahlungen aussenden. Wie die Curies nahm Becquerel in Kauf, sich bei seiner Arbeit zu verletzen. Das zerstörerische Potenzial der Strahlung indes war ihm nicht bewusst. Als er ein Stück Radium längere Zeit in seiner Westentasche mit sich trug, erlitt er quälende Verbrennungen. "Ich mag ja dieses Radium", schrieb er den Curies, "aber es erbost mich auch."
Legende wider Willen: Eine sichtlich erschöpfte Marie Curie im Jahr 1931, drei Jahre vor ihrem Tod. Die Ausnahme-Wissenschaftlerin wurde schon zu ihren Lebzeiten als Ikone verklärt: Frauenrechtlerinnen stilisierten sie als Vorkämpferin für die Frauenrechte, die sie nie war; ihre Tochter Ève überhöhte sie als überirdisch starkes Genie. Als Vorbild taugt die Frau, die sich regelmäßig bis zum Kollaps schindete, nur bedingt: "Marie Curie hat mich gestresst", so das Fazit der Wissenschafts-Journalistin und Curie-Biografin Alina Schadwinkel.
"Eve mit den Radiumaugen": Mit diesen Worten bedachten die "New York Daily News" im Mai 1921 Marie Curies Tochter Ève, die sich - anders als ihre Mutter - gern hübsch machte, schminkte, figurbetont kleidete. Im Gegensatz zu Mutter und Schwester wurde Ève keine Wissenschaftlerin, sondern Schriftstellerin und Journalistin. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie als Kriegsberichterstatterin (Foto).
Filmstar: Zahlreiche Filme widmen sich der außergewöhnlichen Persönlichkeit Marie Curies. 1943 kam der US-Film "Madame Curie" von Regisseur Mervyn LeRoy in die Kinos: In die Rolle Maries schlüpfte Greer Garson, Pierre Curie wurde von Walter Pidgeon verkörpert.
"Forscherin mit Leidenschaft": Heißt dieser 1996 erschienene - und mit historischen Fakten sehr großzügig umspringende - Film von Regisseur Claude Pinoteau. Das legendäre Forscherpaar wird gespielt von Isabelle Huppert und Charles Berling.
"Physiknobelpreisträger-Softporno ohne Sex": So verriss die "Süddeutsche Zeitung" 2016 das Biopic "Marie Curie" von Regisseurin Maria Noelle. Hauptdarsteller sind die Polin Karolina Gruszka - und erneut Charles Berling als "Pierre".
Todesursache Anämie: Marie Curie (Szenenfoto aus "Marie Curie" von Regisseurin Marie Noelle) starb am 4. Juli 1934 an einer, so der Arztbericht "aplastischen perniziösen Anämie", also einer besonderen Form der Blutarmut. Der Wissenschaftler Claudius Regaud notierte damals: "Mme. Curie kann als eines der Opfer der radioaktiven Substanzen gezählt werden, die sie und ihr Mann entdeckt haben." Obwohl sich in den Zwanzigerjahren Hinweise auf die verheerenden Schäden durch Strahlung verdichteten und mehrere Kollegen um sie herum starben, verkannte Marie Curie die Gefahr bis zuletzt. Dem Industriechemiker Harlan Miner schrieb sie noch 1925, dass sie von keinen "ernsthaften Unfällen im Zusammenhang mit Radium oder Mesothorium weder beim Personal unserer Fabriken (...) noch meines Instituts" wisse.
Ihrer Zeit voraus: Heute gilt Marie Curie, die zum 100. Geburtstag 1967 mit dieser Medaille geehrt wurde, als Heldin. Zu Lebzeiten jedoch verstörte sie zahlreiche Zeitgenossen, da sie im Frankreich der Belle Époque gegen das das gängige Rollenideal verstieß. Die Schriftstellerin Marie Louise Antoinette Regnier reagierte 1911 wie folgt auf die Kandidatur Curies für die französische Akademie der Wissenschaften: "Man soll nicht versuchen, (...) die Frau dem Manne gleich zu machen! Je mehr wir uns von ihm unterscheiden, desto mehr sind wir wir selbst! 'Dem Manne gleich'. Allein diese Worte sind schrecklich! Sie zerstören alles, was Anmut, Charme, Schönheit, Phantasie bedeutet."
"Den großen Männern die Dankbarkeit des Vaterlands": Dieser Satz prangt auf dem Giebel des Pariser Panthéons. Und ist doch nicht ganz richtig: Im April 1995 wurde die Asche von Marie und Pierre Curie ins Pariser Panthéon überführt. Damit war die Forscherin die erste Frau, die für ihre Verdienste mit einem Verbleib in der Ruhmeshalle der Franzosen geehrt wurde. Zwar wurden die sterblichen Überreste der Wissenschaftlerin Sophie Berthélot dort schon 1907 beigesetzt. Dies jedoch nur, weil sie die Ehefrau des berühmten Chemikers Marcellin Berthelot war, von dem sie auch im Tod nicht getrennt sein sollte.
Gruppenbild mit Herr: Paul Langevin, umringt von Frauen. Links von ihm steht Marie Curie, mit der ihn eine leidenschaftliche Affäre verband. Als die Liaison zwischen der Wissenschaftlerin und dem verheirateten vierfachen Vater öffentlich wurde, brach ein Sturm der Entrüstung los, der sich jedoch vor allem gegen Curie richtete. Langevin hatte weit weniger auszustehen. Als ihn der Journalist Gustave Téry als "Rüpel und Feigling" bezeichnet hatte, forderte Langevin diesen zum Duell auf, das am 26. November 1911 im Bois de Vincennes stattfand - jedoch nur symbolisch, da keiner der beiden abfeuerte. Langevin beendete die Beziehung zu Curie und kehrte zu seiner Ehefrau zurück. Mit deren Billigung nahm er sich erneut eine Geliebte - und heuerte als Angestellter Curies in deren Labor an.
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