
Fußballer Basler: Super, Mario - seine Karriere, seine Eskapaden
Mario Basler wird 50 Der Bad Boy des deutschen Fußballs
Wer schon einmal auf einem Fußballplatz stand, der weiß, dass Mario Basler recht hat. "Fußball", sagte Basler im April 1999 im "Tagesspiegel", sei "ein großes Theater". Was seine Rolle in diesem Theater sei, fragten die Interviewer. Basler: "Ich würd' mal sagen, dass ich fast immer die Hauptrolle spiele."
26. Mai 1999, Stadion Camp Nou in Barcelona: Mario Basler steht auf der größten Bühne seines Lebens. Bayern München und Manchester United duellieren sich im Champions-League-Finale. Die Bayern beginnen mit Kahn, Matthäus, Babbel, Linke, Kuffour, Tarnat, Effenberg, Jeremies, Jancker, Zickler. Und Basler. Schiedsrichter Pierluigi Collina zieht die Vorhänge zur Seite, das Stück beginnt.
Gut 13 Jahre vorher in einer Mehrzweckhalle zwischen Koblenz und Stuttgart. Ein umsichtiger Jugendbetreuer oder Spieler-Papa filmt mit seiner Videokamera die Auftritte der B-Jugend vom 1. FC Kaiserslautern . Mit der Nummer 2, die Beine dünn, die Haare vorn kurz und hinten lang: Mario Basler. Man sieht ihn gegen viele gute Jungs spielen. Aber so gut wie er ist keiner.

Fußballer Basler: Super, Mario - seine Karriere, seine Eskapaden
Man muss wenig Fantasie als Trainer haben, um einem solchen Talent nicht zum Sprung zu den Profis zu verhelfen. Beim FCK fehlte diese Fantasie Ende der Achtzigerjahre, gefrustet wechselte der "Pälzer Bu", geboren in Neustadt an der Weinstraße, zu Rot-Weiss Essen und blieb bis 1991. Sein Trainer Jürgen Röber urteilte fatalistisch: "Entweder wird Mario ein Weltstar, oder er endet in der Gosse."
"Ich bin doch nicht zum Postkartenschreiben hier"
Nach zwei Jahren beim Zweitligisten Hertha BSC sah ihn Werder-Trainer Otto Rehhagel spielen und gab Basler die Chance seines Lebens. Gleich in seiner Premierensaison avancierte Basler zu einem der besten Offensivspieler der Bundesliga. "Ich weiß nicht, warum vor mir niemand den Mario in der zweiten Liga entdeckt hat", sagte Otto Rehhagel, Baslers Trainer und Vaterfigur. "Er ist wie ein Quarterback im Football, der guckt, wie die Spieler laufen, und dann kommt der Ball über 60 Meter auf den Punkt dorthin. Mario gehört zu den wenigen Profis in der Bundesliga, die etwas Überraschendes, Geniales machen können."
Bühnenstar Basler machte jetzt regelmäßig Theater. Im Pokalfinale 1994 gegen Rot-Weiss Essen zeigte er auch sein anderes Gesicht - Peter Hartmann beschrieb es in der "Süddeutschen Zeitung" so: "Wenn er sich in einen wirklich gefährlichen Menschen verwandelt, der die Volksseele aufheizt, dann sieht Mario Basler aus wie ein Tourist in kurzen Hosen, der rücksichtslos durch eine Abflughalle stürmt."

Elf Traumtreffer: Goooooal! Die größten Tore aller Zeiten
Weil er in der 75. Minute ausgewechselt wurde, boykottierte er fast die Pokalzeremonie. Auf den Jubelfotos von damals steht Basler grimmig in einem andersfarbigen T-Shirt an der Seite, wie ein bockiger Teenager, dem gerade klar wird, dass er keinen Super-Nintendo zu Weihnachten bekommt. "Ich habe meinen eigenen Kopf", sagt Mario Basler, "ich mache nie das, was andere von mir wollen, sondern immer nur das, was ich will".
Camp Nou, 6. Minute: Bayerns stürmender Türsteher Carsten Jancker wird an der Strafraumkante gefoult. Kein Effenberg, Matthäus oder Tarnat tritt zum Freistoß an, sondern Mario Basler. Konzentriert geht er in die Knie und legt den Ball mit beiden Händen vorsichtig auf den Rasen, dreht ihn, bis das Ventil nach oben zeigt. Collina gibt das Spiel frei, Basler läuft an, United-Torwart Peter Schmeichel macht einen Schritt nach rechts, aber Basler schießt den Ball an der Mauer vorbei flach in die andere Ecke (siehe Video ). Solche Freistöße versuchen die meisten Schützen vielleicht im Training. Mario Basler erzielt damit im Champions-League-Endspiel das 1:0.
Und dann der FC Hollywood
Nach nur einer Bundesligasaison reiste Basler zur WM 1994 in den USA. Nationaltrainer Vogts wechselte ihn beim 1:0 gegen Bolivien nach 60 Minuten ein, gegen Spanien musste er wieder auf die Bank und protestierte, indem er während der Halbzeitpause ein Sonnenbad nahm: "Ich bin doch nicht zum Postkartenschreiben hier." Wegen Komplikationen in der Schwangerschaft seiner Frau flog er umgehend nach Hause. "Ich wäre auf jeden Fall gefahren", sagt Basler, "mich hätte keiner aufgehalten. Auch nicht der Weltuntergang". Deutschland scheiterte im Viertelfinale.
In der Saison 1994/1995 erzielte Basler 20 Bundesliga-Tore in 33 Spielen und war nun einer der besten Mittelfeldspieler der Welt. Als kreativer Mensch brauchte er seine Freiheiten, doch das Leben als gefeierter Profi ist ein sehr unfreies. Regelmäßig kam es zu Konflikten, weil der Fußballer Basler gar nicht einsah, warum er nicht auch der Mensch Basler sein kann. Ein Mittzwanziger, der gern Kippen raucht und Alkohol trinkt, mal krankfeiert oder an der Theke versackt - Kreisliga-Wünsche, mit dem Selbstverständnis der asketischen Leistungssportbranche schwer zu vereinbaren.
"Warum", fragt Basler, "darf ich Dinge nicht machen, die jeder andere machen kann?" Da war diese Platte mit Dolly Buster ("Ohne Bälle keine Welle"), deren Einnahmen Fußballer und Pornostar einer gemeinnützigen Sache spenden wollten: Man versuche sich das Gesicht von Berti Vogts vorzustellen, als ihn Basler bat, wegen der Aufnahmen einen Tag später zu Länderspielvorbereitungen nachreisen zu dürfen. Beinah wechselte er im Winter 1995 zu Juventus Turin, blieb bei Werder, musste bei der EM 1996 kurz vor dem ersten Spiel verletzt abreisen und verließ dann doch die Bremer Provinzbühne. Nächste Station: FC Hollywood.
Mit den Bayern wurde er 1997 Meister, im Jahr darauf gelang ihm im Pokalfinale ein Freistoßtor zum späten 2:1 gegen den krassen Außenseiter MSV Duisburg. Basler war inzwischen eine Art Vorzeige-Bad-Boy im deutschen Fußball - weil er auch in München regelmäßig seine Meinung sagte und gar nicht daran dachte, sein extrovertiertes Wesen der bayerischen Siegesmaschine unterzuordnen. Weil er gern auch mal auch feierte und neben Helmut Schmidt längst der prominenteste Raucher der Nation war.
Drama in der Nachspielzeit
Fußballfans trauern den Zeiten nach, als sie mit den Profis nach dem Spiel in der Vereinsschenke einen heben durften. Zugleich aber sollen diese hochbezahlten Superstars gefälligst demütig das Leben von Spitzensportlern leben, damit sie am nächsten Wochenende 90 Minuten um ihr Leben rennen können.
Aber Basler wurde nicht fürs Dauerlaufen bezahlt. Oder um sich ritterlich durch die Liga zu grätschen. Es war wie einst in der Mehrzweckhalle: Als Fußballer konnte Basler Dinge, die andere nicht können. Trainer Ottmar Hitzfeld wusste, dass man "einen solchen Spieler nicht verformen darf. Man muss nur das Gespür haben, wie man die beste Leistung aus ihm herauskitzelt".

Kicker-Sticker: Tausche vier Maldinis gegen ein' Rudi Völler
Camp Nou, 87. Minute: Mario Basler wird ausgewechselt. Noch immer führen die Bayern durch sein Tor mit 1:0, und Mitte der zweiten Halbzeit wäre Basler fast ein Tor von der Mittellinie gelungen. Nun muss er auf der Bank zuschauen, wie aus dem bajuwarischen Blockbuster eine deutsche Tragödie wird - binnen 102 Sekunden gelingen Manchester United noch zwei Tore.
Nachdem Basler in München schon von Uli Hoeneß beauftragte Privatdetektive austricksen konnte, stolperte er am Ende doch über den Unwillen der mächtigen Klubbosse. Rummenigge bot ihm noch auf dem Bankett nach dem verlorenen Finale einen Vertrag auf Lebenszeit an. Doch nachdem Basler im Herbst 1999 fälschlich unterstellt wurde, einen Restaurant-Gast verhauen zu haben (es war Kollege Sven Scheuer), wollte Rummenigge nichts mehr davon wissen - Rausschmiss. Beinah hatte Basler die Bayern zu Europas Champion gemacht, Monate später setzte man ihn vor die Tür wie eine beim Klauen erwischte Bürokraft.
"Basler ballert" - jetzt als Comedy, sonst alles wie immer
Otto Rehhagel, inzwischen Trainer beim 1. FC Kaiserslautern, konnte sein Glück kaum fassen und lockte den alten Schützling in die Heimat. Doch nun machte sich bemerkbar, dass Basler "in seinem ganzen Leben noch nie fit war und es auch nie sein wird" (Egon Coordes, Co-Trainer der Bayern). Verletzungen verhinderten, dass er wieder sein altes Niveau erreichte. Von 2003 bis 2004 ging er zum Geldverdienen, Fußball und Golf spielen nach Katar und beendete dann die Profikarriere.
Von der Bühne verschwunden ist Mario Basler nicht. Im Gegenteil: Seit Jahren tingelt er durch Talkshows und Stammtischrunden, als gern gesehener Gast, der sich nie selbst bremst und auch nicht bremsen lässt, so unterhaltsam wie auch mitunter verletzend in seiner Kritik an anderen Fußballern ("Özil - dem seine Körpersprache ist die von einem toten Frosch").
Im Herbst 2018 hat er sich erstmals mit einem eigenen Bühnenprogramm versucht. "Basler ballert" sorgte zwischen München und Frankfurt für ausverkaufte Säle; in Kaiserslautern kamen fast 600 Menschen, um Mario Basler 90 Minuten lang dabei zu erleben, wie er Mario Basler sein darf.
Am Dienstag wird Basler 50 und spaltet die Nation noch immer. Manche halten ihn für einen ewiggestrigen Proll, einen Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-Fußballheini, der zu viel Bier trinkt. Andere finden es großartig, dass Basler so ist, wie er ist: immer bereit, einen rauszuhauen, ob als Fußballer oder Stammtischgast. Im Zeitalter der phrasenmauernden Internatsschüler füllt er die Rolle des alternden Fußball-Rockers aus, der durch die schicken Neubaugebiete ballert und am Tresen losledert, bis man ihm entweder grimmig nickend zustimmen möchte oder sich schlapplacht.
Wie erst vor einigen Tagen in einem "Sport Bild"-Interview. "Die Spieler", sagte Mario Basler, "sollten mal wieder Kontakt zu den Fans suchen, ab und zu auch mal in einer Kneipe ein Bierchen trinken. Nicht immer nur Kamillentee. Aber was machen sie? Die fliegen zum Friseur nach London oder mit dem Privatjet nach Mallorca zum Tennisspielen."
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