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Musiker Meat Loaf: "Das Wort 'Legende' verbitte ich mir"

Abschiedstour von Meat Loaf "Ich war Stammgast beim Psychiater"

Der Bombast-Rock von "Bat Out of Hell" machte ihn 1977 über Nacht berühmt. Danach durchlebte Meat Loaf schwere Zeiten. Jetzt, mit 68, geht er auf Abschiedstour. Ein Gespräch über Therapien und Geister.
Foto: Martin Häusler

Meat Loaf wurde am 27. September 1947 als Marvin Lee Aday in Dallas (Texas) geboren. Ab 1967 spielte er in ersten Bands und feierte Erfolge mit dem Musical "Hair". 1977 brach er als Sänger von Jim Steinmans Rock-Epos "Bat Out Of Hell" Verkaufsrekorde. Außerdem spielte Meat Loaf in Filmen wie "Rocky Horror Picture Show", "Roadie" und "Fight Club".

einestages: "Meat Loaf" bedeutet auf Deutsch Fleischklops oder auch Hackbraten. Wie kamen Sie zu Ihrem Künstlernamen?

Meat Loaf: Sagen Sie einfach "Meat" zu mir (lacht). Den Namen bekam ich verpasst, als ich vier Tage alt war. Ich konnte es mir nicht aussuchen. Mein Vater, Polizist in Dallas, wies die Krankenhausschwester an, "Meat" aufs Armbändchen zu schreiben, nicht meinen Geburtsnamen Marvin. Das "Loaf" kam später, in der achten Klasse, von meinem Football-Coach.

einestages: Meat, auf dem neuen Album "Braver Than We Are" arbeiten Sie zum vierten Mal bei einer Produktion mit Jim Steinman zusammen, Ihrem Mastermind, Produzenten, Songwriter. Ist die Magie noch da?

Meat Loaf: Absolut. Jim und ich verstehen uns fast blind. Bester Beweis: Allein gestern haben wir 16 Mal hin- und hergemailt. Er wollte wissen, welche Nummer ich als erste Single vom Album sehe, für welchen Song ich kämpfen würde. Am Ende stimmten wir überein. Seit gut 45 Jahren sind wir Freunde.

einestages: Da war auch mal eine lange Sendepause.

Meat Loaf: Stimmt, Anfang der Achtzigerjahre. Nach unserem Album "Bat out of Hell" 1977 wollte Jimmy sein eigenes Soloalbum "Bad for Good" machen, ich sollte darauf singen. Konnte ich aber nicht.

einestages: Wieso?

Meat Loaf: Weil ich total fertig war. Der Megaerfolg von "Bat out of Hell" hatte mich überrollt. Dem Tourstress und Erfolgsdruck war ich nicht gewachsen, begann zu trinken und war irgendwann Stammgast beim Psychiater. Aus geplanten zwei Monaten Therapie wurde ein Jahr.

einestages: Hits wie "You Took the Words Right out of My Mouth" hatten Sie über Nacht zum Superstar gemacht.

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Meat Loaf: So war es. Und niemand, wirklich niemand, kann Sie darauf vorbereiten. Ich habe bald allen in meinem Umfeld verboten, Begriffe wie "Superstar" oder "lebende Legende" im Zusammenhang mit mir zu benutzen, sie ekeln mich an. Ich bin ein Mensch! Ich habe nur einen anderen Job als viele andere, ich stehe im Rampenlicht. Meine Plattenfirma ließ damals Plakate drucken: "Meat Loaf - a new Star is born!" Das hat mich so wütend gemacht, dass ich alle Poster einstampfen ließ. Könnten sich Leute heute per Zeitmaschine ins Jahr 1977 zurückbeamen, würden sie merken, dass der Erfolg von "Bat out of Hell" eine andere Dimension hatte. Heute ist es eines der meistverkauften Alben aller Zeiten, nach Michael Jackson, Pink Floyd, AC/DC und Led Zeppelin.

einestages: Warum verkaufte die Platte sich so rasend schnell?

Meat Loaf: Großen Anteil hatte Walter Yetnikoff von meiner Plattenfirma CBS, ein PR-Genie. Wochenlang versuchte er, mir einen Auftritt in der angesagten TV-Show "Saturday Night Live" zu verschaffen.

einestages: Das war ein Problem?

Meat Loaf: Und ob! Der Show-Produzent lehnte mich ab. Dabei war sogar mein Freund John Belushi, den ich aus frühen Schauspielertagen in Hollywood kannte, im festen Ensemble. Half aber nichts. In die vorletzte Sendung des Jahres habe ich es schließlich geschafft - nach dem Auftritt ist "Bat out of Hell" förmlich explodiert. Plötzlich kannte die ganze Welt diesen Verrückten namens Meat Loaf.

einestages: Der Preis für den Ruhm war sehr hoch.

Meat Loaf: Kann man wohl sagen. Ich wurde in eine andere Galaxie katapultiert. Das muss man erst mal verkraften. Psychostress, Nervenzusammenbrüche, und ich verlor Jim Steinman als Freund, weil ich nicht auf seiner Soloplatte singen konnte. Jimmy hat dann in den Achtzigern als neuen Act Bonnie Tyler gefunden und ihr den Nr.-1-Hit "Total Eclipse of the Heart" auf den Leib geschrieben. Aber auch das Business hatte Schuld an unserem Streit, unsere Anwälte und Manager bekriegten sich, es ging um sehr viel Geld. Und ich war plötzlich pleite wegen der Gerichtskosten.

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Musiker Meat Loaf: "Das Wort 'Legende' verbitte ich mir"

einestages: In den Achtzigern hatten Sie eine Durststrecke, der große Erfolg blieb aus ...

Meat Loaf: Naja, das ist relativ. Dazu muss man Erfolg erst mal definieren. Richtig ist, dass Alben wie "Dead Ringer" oder "Bad Attitude" nicht an die Verkaufszahlen von "Bat out of Hell" rankamen. Kunststück! 1986 machte ich mit dem deutschen Produzenten Frank Farian die Platte "Blind Before I Stop", die mich heute noch begeistert. Kürzlich lief sie auf dem Weg zu einem Konzert im Tourbus. Meine Musiker waren hin und weg. In Europa, besonders in Deutschland und England, hat sie gut verkauft, nicht aber in den USA. Und nur daran wird man als amerikanischer Künstler gemessen.

einestages: Wie definieren Sie Erfolg?

Meat Loaf: Das hängt nicht von Zahlen ab, sondern von der Qualität der Musik. Meine Musik muss in erster Linie mal mir gefallen: I have to love it. Und das tat ich.

einestages: Für den Titelsong "Dead Ringer for Love" holten Sie damals, Verzeihung, Superstar Cher als Duettpartnerin ins Studio.

Meat Loaf: Eine sensationelle Zusammenarbeit. Was für eine großartige Sängerin, Profi durch und durch. Unser Musikclip war das erste Rockvideo mit einer Tanzchoreografie und lief bei MTV rauf und runter, aber im Radio kaum - US-Sender spielten damals einfach keine Cher-Songs, warum auch immer. So konnte es kein Hit werden. Zufrieden bin ich mit dem "Dead Ringer"-Album nicht, weil ich da bereits große psychische Probleme hatte. Ich fürchte, das spürt man.

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einestages: Ihre Künstlerkarriere haben Sie als Schauspieler begonnen, nicht als Sänger.

Meat Loaf: Das war noch in Dallas, wo ich aufwuchs. In den Schulstunden langweilte ich mich zu Tode. Die Vertrauenslehrerin meinte, ich solle den Schauspielkurs probieren. Das war '63 und eine gute Idee.

einestages: Wie kam es später zu Ihrem Umzug nach Los Angeles?

Meat Loaf: 1967 starb meine Mutter an Krebs, das hat mich total umgehauen. Zu meinem Vater, einem Cop und Säufer, hatte ich kein gutes Verhältnis. Mich hielt nichts mehr in Dallas. L.A. kam mir wegen der großen Film- und Musikszene in den Sinn. Ich fuhr zweigleisig: Als Musiker in meinen ersten Bands wie Meat Loaf Soul und Popcorn Blizzard sang ich im Vorprogramm von Janis Joplin, The Who, Grateful Dead, Iggy Pop & the Stooges. Als Schauspieler bekam ich Rollen in Musicals wie "Hair". Damit traten wir Anfang der Siebziger sogar am Broadway auf. Da lief mir dieser Typ namens Jim Steinman über den Weg, der gerade ein Musical namens "More than You Deserve" komponierte.

einestages: Ein schicksalhaftes Treffen… ...

Meat Loaf: Ja. Wir hatten uns gesucht und gefunden. Jimmy hatte noch ein Musical mit dem Arbeitstitel "Neverland" in Planung, eine Art Peter-Pan-Story. Das wurde mit Songs wie "Heaven Can Wait" der Grundstein für "Bat out of Hell". In New York tüftelten wir an den Titeln, ich habe Textideen beigesteuert, für den Sound war allein Jim verantwortlich. Für die Aufnahmen liehen wir uns den Keyboarder und den Drummer von Bruce Springsteens E-Street-Band, Produzent war der bekannte Gitarrist Todd Rundgren. Mit ihm hatte ich anfangs meine Probleme, aber dann ging's.

einestages: Fürs neue Album hat Steinman ein paar seiner früheren Songs recycelt, darunter "More", mit dem die Sisters of Mercy 1990 einen Hit hatten.

Meat Loaf: Wir haben alle Songs aktualisiert, mit neuen Versen. Ich singe zum Beispiel über Drohnen, die gab's vor 20 Jahren noch gar nicht. Es ist zeitlose Musik, und es macht mich fertig, wenn Fans fragen, ob ich in meiner Show auch "alte" Songs spiele. Ich habe keine alten Songs! Mozart, Richard Wagner oder die Oper "Carmen" würde man doch auch nicht als "alte Musik" bezeichnen.

einestages: Ist es nur ein Märchen, dass Ihnen bei der Arbeit an "Bat out of Hell" plötzlich Geister erschienen?

Meat Loaf: Ich sehe ständig Geister, bis heute. Vielleicht glauben manche, ich sei völlig durchgeknallt, aber so ist es, auch bei den Aufnahmen zum aktuellen Album. Oft sehe ich meine verstorbene Mutter und Großmutter. Ich weiß selbst nicht, ob ich spinne oder ein Medium bin, mit einer Gabe für Übersinnliches.

einestages: Ist das Ihr einziger Spleen?

Meat Loaf: Ich verrate Ihnen noch einen: Wenn ich zu einem Konzert fahre und etwa an einer Bushaltestelle ein hübsches Girl stehen sehe, präge ich mir ihr Gesicht ein. Sie ist dann das Mädchen, über das ich in Songs wie "Paradise by the Dashboard Light" oder "I'd Do Anything for Love" singe. Sie wird zu meiner imaginären Hauptdarstellerin. Und sie wird es nie erfahren.

einestages: Viele Ihrer großen Songs handeln von heißer Teenager-Liebe - auf Basis guter Erfahrungen in Ihrer Jugend?

Meat Loaf: Ich kann mich nicht beschweren (lacht). Die "Paradise"-Story hatte ich genau so mit einem Girl erlebt, in meinem Wagen, bei Vollmond. Okay, dann hat Jim Steinman beim Songtext seine Fantasie noch etwas spielen lassen...

einestages: Zu Schulzeiten waren Sie auch aktiver Sportler?

Meat Loaf: Das ist an der Highschool fast Pflicht. Ich habe Baseball und Football gespielt, klar, bei meinem Körperumfang. Das tat ich - wie alles - mit 100 Prozent Leidenschaft und Power. Daher wurde ich in der Schule auch nie gemobbt. Keiner hat sich an mich rangetraut.

einestages: Heute ist Ihre Krankenakte voluminös: Sie haben Herzrhythmusstörungen, eine schwere Rückenoperation hinter sich, ein neues Kniegelenk - und Sie sind im Juni auf der Bühne in Edmonton kollabiert. Muten Sie sich mit 68 zu viel zu?

Meat Loaf: Über Krankheiten spreche ich nicht, dafür habe ich meine Gründe. Aber trotz der Knieprobleme, die Tour steht, bald komme ich auch wieder nach Deutschland. Es wird meine endgültige Abschiedstournee sein und "Braver than We Are" mein letztes Album. Es reicht. Ich bin nicht mehr 29, sondern bald 69. Filme will ich aber weiter machen. Das geht. Man ist beim Drehen länger an einem Ort, muss nicht ständig reisen.

einestages: Stimmt es, dass Sie vorgesorgt haben, sollten Sie sich eines Tages mitten im Auftritt vom Leben verabschieden?

Meat Loaf: Ja, da ist alles vorbereitet. Falls ich auf der Bühne tot umfallen sollte, sind meine Musiker instruiert, "When the Saints Go Marching In" anzustimmen. Und danach gleich den Baseball-Klassiker "Take Me out to the Ballgame". Auch wenn ich nicht mehr bin - die Show geht weiter.

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