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Mekkas der Moderne - Die Apple-Garage: "Wir haben mit nichts angefangen"

Foto: JUSTIN SULLIVAN/ AFP

Mekkas der Moderne - Die Apple-Garage "Wir haben mit nichts angefangen"

Die Technikwelt schaut auf San Francisco: Regelmäßig wirft Apple heiße Neuheiten auf den Markt. Apple-Mitbegründer Steve Wozniak erinnert sich an die Anfänge des Mythos in einer kalifornischen Garage: Fast wäre der erste Rechner ein Hewlett-Packard-Computer geworden.

Katholiken haben den Vatikan, Juden die Klagemauer, Moslems Mekka. Aber wo sehen all jene ihren Mittelpunkt, die sich einem anderen Weltbild verpflichtet fühlen: weniger von einem Gott geprägt, sondern eher von Darwin, Newton und Einstein? Gibt es Orte, an denen sich wissenschaftlich orientierte Weltanschauungen manifestieren? Wo sind die Mekkas der Moderne? einestages stellt in Zusammenarbeit mit der Jungen Akademie mehrere dieser Orte vor.

Viele Leute glauben, dass wir den Apple-Computer 1975 in einer Garage entwickelt haben. Aber die verwechseln wahrscheinlich die Geschichte von Apple mit der Geschichte von Bill Hewlett und Dave Packard, die tatsächlich 1939 in Palo Alto in einer Garage anfingen.

Bei uns war das anders. Wir bauten die ersten Apple-Computer zusammen wo immer wir konnten: auf dem Küchentisch, im Schlafzimmer, wo auch immer. Nur zum Testen brachten wir die Rechner dann in die Garage von Steve Jobs' Eltern im Crist Drive 11161 in Palo Alto (heute 2066 Crist Drive, Anm. d. Red.). Wir testeten die Computer in der Garage, weil wir ja nicht die ganze Zeit den Wohnzimmertisch in Beschlag nehmen wollten. Um die Funktionen zu testen, steckte ich jedes montierte Board jeweils an einen Bildschirm und eine Tastatur. Dafür brauchte man Platz, und deshalb saßen wir in Steves Garage.

Wahrscheinlich sind wir nicht ganz unbeteiligt an dem Missverständnis, denn es passte uns ganz gut in den Kram. Wir alle in der Gegend kannten natürlich die legendäre Geschichte von Hewlett und Packard und ihrer Garage. Wenn wir also zum Beispiel einem Journalisten oder einem Händler den Apple-Computer vorstellten, machten auch wir das natürlich in unserer Garage. Und wir erzählten dazu die passende Story: "Wir haben in einer Garage angefangen." Damit wollten wir soviel sagen wie: Wir haben mit nichts angefangen.

Die innovativste Technik: Taschenrechner

Natürlich war ich schon mal in der Original-Garage von Hewlett und Packard in Palo Alto. Das ist heute so eine Art Museum, ziemlich klein, aber so eingerichtet, als wäre es ein funktionierendes Labor. Die Story, wie Hewlett und Packard in der Garage anfingen, hatte für mich schon eine riesige Bedeutung, lange bevor wir Apple gründeten. Und der Ort vermittelt mir einfach ein positives Gefühl.

Hewlett und Packard haben mich schon als Kind sehr beeindruckt, denn ich wollte schon immer Ingenieur werden. Ingenieure waren für mich die Menschen, die uns die Geräte für eine bessere Zukunft erschaffen. Auch mein Vater war Ingenieur, er brachte mir vieles bei, ganz handfest und praktisch. Wir bauten zum Beispiel zusammen ein Funkgerät. Zwischen unseren Basteleien malte er oft ein paar Diagramme auf eine Tafel und erklärt mir, wie Elektronen fließen oder wie ein Transistor funktioniert. Auch unsere Amateurfunklizenz machten wir zusammen, als ich 16 Jahre alt war.

Später durfte ich eine Weile für die Firma Hewlett Packard arbeiten. Das hat mich sehr geprägt. Es war ein Privileg. Ich hatte ja nicht einmal einen Uni-Abschluss, durfte aber trotzdem mit der heißesten Technologie von damals umgehen: Taschenrechnern. Auch später noch, als Steve und ich längst in der Garage von seinen Eltern unsere Apple-Rechner testeten, hielt ich das alles noch für ein Hobby und konstruierte weiter tagsüber in meinem Büro Taschenrechner für Hewlett Packard.

Fast wäre der erste Apple ein HP gewesen

Für diesen Job hatte ich mich in meiner Freizeit qualifiziert. Jeden zweiten Mittwoch trafen wir uns mit dem Homebrew Computer Club in der Garage von Gordon French in Menlo Park. Wir hatten alle denselben Traum: Einen programmierbaren Computer zu bauen, der für alle bezahlbar war und vor allem: leicht zu bedienen. Am Anfang war ich total schüchtern und hörte nur zu. Aber irgendwann konnte ich einen eigenen Entwurf vorführen. Das war eigentlich schon der Vorläufer des Apple I.

Als ich den ersten Computer fertig hatte, bot ich ihn Hewlett Packard an. Aber sie wollten ihn nicht haben. Ich wollte das wirklich mit HP machen, weil ich meine Firma liebte. Aber die ließen mich ungefähr fünf Mal abblitzen. Im Nachhinein war es vielleicht besser so. Wenn HP den Apple-Computer übernommen hätte, wäre sicher nicht die lustige, aufregende Maschine daraus geworden, die wir kennen. Sondern eher so ein langweiliges, teures, perfektes Werkzeug für Ingenieure.

Irgendwann lief die Firma Apple von alleine. Also ging ich ans College. Meine Eltern hatten mir immer von ihrer College-Zeit erzählt, und auch ich wollte das meinen Kindern mitgeben können. Also schrieb ich mich ein, unter falschem Namen. Ich nannte mich Rocky Raccoon Clark. Keiner meiner Kommilitonen erkannte mich damals als den Entwickler des Apple-Computers. Alle dachten, ich sei ein ganz normaler 19-jähriger Student wie sie. Sogar mein Diplom ist auf das Pseudonym ausgestellt: Rocky Raccoon Clark. Ich liebe Pseudonyme. Mein liebster Künstlername ist mein Nachname rückwärts geschrieben: Kain Zow.

Innovation und Hacken lassen sich nicht trennen

Manchmal habe ich das Gefühl, dass diese subversive, spielerische Bastelei immer schwieriger wird, je mehr die großen Multimilliarden-Konzerne die Welt der Technik beherrschen. Oft sind deren Geräte nicht mehr so frei und zugänglich für Bastler wie damals. Das gilt zum Beispiel auch für das iPhone von Apple. Die großen Konzerne schließen durch ihre hermetische Technik viele junge Entwickler und ihre großartigen kleinen Ideen aus. Die Nutzer sollten die Technik an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen können. Oft werden diese kreativen Köpfe "Hacker" genannt. Oft hört man Sprüche wie: Innovation ist gut, aber Hacken ist schlecht. Aber Innovation und Hacken lassen sich eben nicht trennen. Auch das hat die Geschichte der Apple-Garage und der Hewlett-Packard-Garage gezeigt.

Die Garage, in der wir damals unsere ersten Apple-Computer präsentierten, steht immer noch, aber es gibt dort heute eigentlich nichts mehr zu sehen. Die Garage gehört einfach zu einem privaten Wohnhaus. Es gab sicher Orte, die wichtiger für uns und die Computergeschichte waren, zum Beispiel das Schlafzimmer von Steve Jobs, von dem aus wir viele wichtige Telefongespräche führten. Oder mein Arbeitsplatz bei Hewlett-Packard, wo ich oft bis spät nachts saß und bastelte. Allerdings war die Garage emotional sehr wichtig für uns. Da passten locker acht Leute rein. Dort haben wir unseren Traum von Apple erzählt und vorgestellt. Die Garage steht einfach am deutlichsten dafür, was wir waren und was wir wollten. Ich finde, Apple sollte erwägen, die Garage doch noch zu kaufen. Aber Steve Jobs glaubt nicht an das sentimentale Wühlen in der Vergangenheit.

Man kann also die Apple-Garage nicht besichtigen. Aber sie ist trotzdem ein Symbol. Gerade, weil sie so nichtssagend und unscheinbar wirkt, vermittelt die Garage das Gefühl: Wow, das könnte ja auch mir passieren!

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Hilmar Schmundt (Hrsg.):
Mekkas der Moderne

Pilgerstätten der Wissensgesellschaft.

Böhlau-Verlag; 424 Seiten; 24,90 Euro.

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Mekkas der Moderne im Internet 

Aufgezeichnet von Hilmar Schmundt
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