
Wie die Zeit vergeht Modetänze von Lindy Hop bis Pogo


Der Lindy-Hop-Tanz
Foto: Gjon Mili/ The LIFE Picture Collection/ Getty ImagesMinütlich stieg die Spannung im "Savoy Ballroom", dem beliebtesten Tanzsalon in New Yorks Stadtteil Harlem. Bis zu 2000 Tänzer präsentierten hier in den Dreißigerjahren jeden Abend ihre ausgefeiltesten Choreographien. Das "Savoy" war der einzige Saal der Stadt, zu dem schwarze und weiße Paare Zutritt hatten. Selbst in Zeiten der Rassentrennung zählte hier allein Talent.
Für die Besten der Besten war ein spezieller Bereich reserviert. Er befand sich ganz in der Nähe der Live-Band und hieß einfach "die Ecke". Hier stellten sich ein halbes Dutzend Paare zu später Stunde im Halbkreis auf und kämpften darum, sich mit den gewitzten Schrittkombinationen an die Spitze der Rangliste im "Savoy" zu tanzen.
Dauergäste in "der Ecke" waren George "Shorty" Snowden und Beatrice Gay, genannt "Big" Bea, weil sie ihren Tanzpartner um einen Kopf überragte. Snowden und Gay galten als die unangefochtenen Stars der Tanz-Wettkämpfe. Das Paar bewegte sich nicht nur technisch ausgezeichnet, sondern nutzte den Größenunterschied, um ihren Auftritten eine komische Note zu geben.
Wachablösung in New Yorks Tanztempel
An einem Abend im Jahr 1935 hatten Snowden und Gay aber plötzlich starke Konkurrenz: Frankie Manning und seine Partnerin Frieda Washington zeigten eine neue Interpretation des damals angesagten Lindy Hop-Tanzstils. In endlosen Übungsstunden mit einem Besen in seinem Schlafzimmer hatte Manning sich geschmeidige Bewegungen antrainiert, nachdem seine Mutter ihn als steifen Tänzer kritisiert hatte. Zum Lindy Hop tanzte Manning zudem nicht in der typischen aufrechten Haltung - sondern leicht gebeugt.
Er sah aus wie ein Sprinter vor dem Startschuss.
Der Lindy-Hop-Tanz
Foto: Gjon Mili/ The LIFE Picture Collection/ Getty ImagesAls die Band aufspielte, vibrierte der Boden unter schnellen, kraftvollen Schritten: Manning und Washington schwangen die Füße zu kurzen, zügigen Tritten vor und zurück, tippten mit den Fußballen kurz aufs Parkett, tanzten vor-, neben- und umeinander, bis sie Rücken an Rücken standen. Sie verschränkten die Arme, Manning beugte sich nach vorn und hob Washington in die Luft - die sich über seinen Rücken abrollte und vor ihm zum Stehen kam.
Tanzen - plötzlich sehr akrobatisch
"Shorty", Bea und die anderen Gästen im "Savoy" staunten. Sie waren soeben Zeuge des ersten "aerial" geworden - einer bald legendären Hebefigur, die dem Tanz eine akrobatische Komponente hinzufügte.
Nach diesem Abend hob der Lindy Hop sprichwörtlich ab: Mit immer anspruchsvolleren Choreographien behauptete sich der Tanz bis in die Vierzigerjahre als beliebter Paartanz in Amerika. "Aerials" wurden zum festen Bestandteil für jedes professionelle Tanzpaar, das etwas auf seine Lindy-Hop-Künste hielt. Manning bekam einen Platz in der Profi-Tanzgruppe des "Savoy" und löste damit Tanzveteran George "Shorty" Snowden als Nummer eins ab.
Wieder einmal hatte sich der Tanz selbst neu erfunden - und dabei eine Legende gestürzt. Denn "Shorty" Snowden hatte dem Lindy Hop einst selbst zum Durchbruch verholfen und ihm seinen Namen geprägt. Angeblich hatte 1929 ein Reporter Snowden nach dem Namen dieses verrückten Tanzes gefragt, den er da eben vorgeführt habe. "Das ist der Lindy Hop", soll Shorty schlagfertig geantwortet haben - eine Anspielung auf den Transatlantikflug von Charles Lindbergh, den die US-Presse als "hop across the Atlantic" ("Hüpfer über den Atlantik") bezeichnet hatte.
Seinen Namen mag der Tanz von Lindbergh haben. Seine Wurzeln aber liegen im Charleston, dem Swingtanz, benannt nach der gleichnamigen Hafenstadt in South Carolina. Beim Lindy Hop bewegt sich das Paar beschwingt über die Tanzfläche; getanzt wird nicht in traditioneller, enger Paartanz-Haltung, sondern oft nebeneinander oder umeinander herum, wobei sich das Paar an einer Hand hält. Zum Grundschritt gehört ein Triple Step, der das Tempo ankurbelt und den Bewegungen einen wippenden Eindruck gibt. Mit den Tanz-Wettbewerben im "Savoy" kamen dann die Hüpffolgen und Hebefiguren hinzu.
Der wilde Lindy Hop war allerdings längst nicht der erste Tanzstil, der für Aufruhr sorgte. Denn seit jeher befeuerten neue Musikstile neue Tanzmoden, die mit Traditionen brachen - und Kulturpessimisten und Sittenwächter aufbegehren ließen.
Das vielleicht beste Beispiel dafür liefert der heute als verstaubt geltende Walzer. Denn anders als beim Menuett, dem Modetanz der Klassik und des Barock, standen sich die Tanzenden nicht mehr gegenüber und hielten sich zaghaft an einer Hand. Stattdessen tanzten die Paare in einer Art Umarmung. Im ausgehenden 18. Jahrhundert rümpften viele an Europas Höfen die Nase über diese skandalös intime Tanzhaltung. Doch der Walzer setzte sich durch: Bald schon schwofte der Adel von Versailles bis Moskau im Dreivierteltakt.
Ärzte warnten: Bittet, twistet nicht!
Bis ins 20. Jahrhundert blieb dieser Tanzstil immens beliebt, bis ihm in Europa nach dem Ersten Weltkrieg der Foxtrott den Rang ablief. In den USA sorgte derweil der Charleston für Furore - und besonders die Frauen, die ihn tanzten: Sie brachen nicht nur auf dem Parkett mit Idealen, sondern stellten mit kurzen Kleidern, Bob-Haarschnitt und selbstbewussten Auftreten auch gesellschaftliche Konventionen in Frage. Sogar eine frühe Form des Twerking, bei dem die Tänzer ihre Kehrseite rhythmisch auf- und abbewegen, wird den Charleston-Tänzerinnen zugeschrieben - Jahrzehnte bevor Miley Cyrus ihr wild zuckendes Hinterteil dem Sänger Robin Thicke bei den MTV-Music Awards in die Lendengegend drückte.
Zu noch offensiveren Hüftbewegungen führte in den Sechzigern der Twist, vor dem damals aber nicht nur Sittenwächter, sondern auch Mediziner warnten. Sie sorgten sich um die Knie- und Hüftgelenke der Tanzwütigen. Noch mehr Grund zur medizinischen Sorge lieferten die seit den Achtzigern in Punk- und Metalkreisen beliebten Mosh Pits, bei denen sich die meist männlichen Tanzenden - eher wild Herumspringende - gezielt anrempeln.
Was ist Ihr Lieblingstanzstil? Begeben Sie sich in der Bildergalerie auf eine Zeitreise und erfahren Sie mehr über die Geschichte der spannendsten Modetänze - von Bunny Hop bis zum Hully Gully.
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Die Latte tiefer hängen: Beim schnell zum Wettbewerb avancierenden Limbo geht es Teilnehmern darum, so tief wie möglich unter einer Stange hindurchtanzen zu können, ohne dabei mit Schultern oder Knie den Boden zu berühren. Was heute Schulkinder und Erwachsene gleichermaßen bespaßt, hatte ursprünglich eine tiefere Bedeutung: Auf dem Inselstaat Trinidad Tobago war der Limbo Teil eines Rituals bei Todeswachen und Beerdigungen.
Immer schön ungeschmeidig bleiben: In den Zwanzigern waren Roboterbewegungen bei Pantomimen beliebt. The Jackson Five machten den Robodance zum Hit auf der Tanzfläche: Bei der Premiere ihres Songs "Dancing Machine" 1973 in der Hitshow "Soul Train" versetzte Michael Jackson erstmals das Publikum mit mechanisch anmutenden Bewegungen in Erstaunen. Schon bald versuchten sich ambitionierte Hobbytänzer an den Moves. Dass man kein gelenkiges Tanzgenie für den Robodance sein muss, bewies 2018 die britische Premierministerin Theresa May beim Staatsbesuch in Kenia. Seit ihrem Tanz mit Schulkindern ist sie als "Maybot" bekannt.
Im Hasenmarsch: Der 1952 erfundene "Bunny Hop" war als Partytanz beliebt, bei dem sich die Tänzer hintereinander aufreihten und an der Taille fassten, um sich über die Tanzfläche zu arbeiten. Für den Bunny Hop schwingt man das linke Bein zweimal nach links, dann das rechte zweimal nach rechts, hüpft einmal vor und einmal zurück und zu einem markanten dreifachen Trommelschlag mit beiden Beinen drei Schritte vorwärts. Und dabei bloß den Vordermann nicht verlieren!
Zum Kopfschütteln: Die Anfänge des Headbangens lassen sich bis zu Konzertaufnahmen von Led Zeppelin 1970 zurückverfolgen. Rhythmisches Vor- und Zurückwerfen des Kopfes ist bis heute in Metal-Kreisen Ausdruck höchsten musikalischen Genusses. Weil es sich zu Songs wie Metallica's "Master of Puppets" schlecht zum Paartanz bitten lässt und auch rhythmische Schrittfolgen unpassend wirken, bleibt eben der Kopf - je länger das Haar, umso besser der Effekt. Er darf übrigens auch seitwärts oder im Kreis bewegt werden. Für Fortgeschrittene: Mit dem Kopf und den fliegenden Haaren eine acht nachzeichnen, ohne Schwindelanfälle zu bekommen.
Keine falsche Bewegung: Nur eine verunglückte Schrittfolge kann den Hula-Tanz entehren. In der Kultur Hawaiis ist Hula ein Ritual, mit dem ursprünglich Göttern gehuldigt und Stammesführern Ehre erwiesen wurde. Fehler in der Darbietung konnten nach einheimischem Glauben fatale Konsequenzen haben. Während sie Hula lernten, wurden die Tänzer deshalb vom Stamm ausgeschlossen und lebten isoliert. Erst mit dem wachsenden Tourismus wurde der Hula über die hawaiianischen Inseln hinaus bekannt - hier üben ihn US-Touristen auf einer Kreuzfahrt nach Honolulu.
Tanz für junge Hüpfer: Fliegende Gliedmaßen, wilde Drehungen und Sprünge kennzeichnen den Lindy Hop. Die körperbetonte und akrobatische Art zu tanzen erfordert Geschick. Beeinflusst von zeitgenössischen Tänzen wie dem Charleston entstand der Lindy Hop bei Tanzmarathons im New Yorker Ballhaus "Savoy". Dort konnten Paare improvisieren - so wurde mit neuen, frei interpretierten Bewegungsabläufen der Lindy Hop geboren. Den Namen inspirierte 1927 offenbar Charles Lindberghs Flug über den Atlantik: In einer Zeit, in der mittels Flugzeug der Sprung über den Atlantik möglich war, wagte man auch auf der Tanzfläche höhere Sprünge.
Disko-Dekadenz: Als die Welt 1977 das "Saturday Night Fever" packte, zählten die richtigen Bewegungsabläufe beim Tanz genauso wie eine beeindruckende Pose bei Abschluss und die richtige Kleidung. Ohne den in Schlaghosen und spitzem Hemdkragen wie aus dem Ei gepellten, die Hüfte kreisen lassenden John Travolta hätte es diese Art zu tanzen wohl nicht zu einem solch gefeierten Stil gebracht.
Nichts für Hüftgeschädigte: Obwohl der Tanz zuerst von Hank Ballard aufgeführt wurde, war es Chubby Checkers Auftritt mit "The Twist" in der Dick Clark Show im August 1960, der eine weltweite Twist-Manie auslöste. Tänzer begannen enthusiastisch Knie und Hüften einzudrehen, bis die Schuhsohlen durchgetwistet waren. Die vergleichsweise wilden Bewegungen riefen Sittenwächter auf den Plan und sogar Mediziner zeigten sich besorgt: Sie warnten vor Knieverletzungen und Überanstrengungen in der Lendengegend.
K-Pop Choreographie: Mit "Gangnam Style" landete der südkoreanische Rapper Psy 2012 einen Überraschungshit. Nach eigenen Angaben wollte er sich mit dem Song und Video über den ausschweifenden Lebensstil im Stadtteil Gangnam von Südkoreas Hauptstadt Seoul lustig machen. Nur zwei Tage nach Erscheinen des Songs war "Gangnam Style" auf YouTube ein Hit und wurde weltweit parodiert. Teil des Erfolgs war der wilde Reitertanz, der Galopp-Bewegungen und symbolisches Lassoschwingen beinhaltet.
Schlangenlinien tanzen: Ende des 16. Jahrhunderts war die Polonaise ein Prozessionstanz, bei dem sich Paare hintereinander aufreihten und an den Händen gefasst majestätisch durch den Ballsaal schritten. 1981 sah die Polonaise in Deutschland ganz anders aus: "Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse, denn nun geht sie los, unsere Polonaise", sang Werner Böhm alias Gottlieb Wendehals in Hochwasserhosen, mit schwarz-weiß kariertem Jackett, abgewetzter Aktentasche und Gummihuhn unterm Arm. "Wir ziehen los mit ganz großen Schritten, und Erwin fasst der Heidi von hinten an die Schulter. Das hebt die Stimmung, ja da kommt Freude auf" hieß es zu vorzugsweise späterer Stunde und mit einigen Gläschen intus. Da kann man sich gut am Vordermann festhalten, während die Gruppe auf ihrem Weg durch den Saal Tische und Stühle umkurvt.
Die Mutter der Sommerhits mit sinnlosen, spaßbringenden Tänzen: Das spanische Duo "Los del Rio" landete 1996 einen Riesenhit mit "Macarena". Während die Sänger im seriösen schwarzen Anzug im Video vergleichsweise zurückhaltend Hüften und Arme wiegen und im Takt mit den Fingern schnipsen, tanzte innerhalb weniger Wochen ganz Europa die Bewegungen der Tänzerinnen nach: Hüfte locker im Takt bewegen, Arme nacheinander im Takt nach vorn ausstrecken, dann an den Hinterkopf, an die Hüfte, Hintern kreisen lassen, springen und dabei um 90 Grad zur Seite drehen - und das Ganze von vorn.
Immer locker aus der Hüfte: Eine der wohl erinnerungswürdigsten Szenen aus Leander Haußmanns Film "Sonnenallee" von 1999 ist die Tanzszene in der Jugenddisko, in der die beiden Freunde Michael und Mario mit ihrer Clique die anwesenden Mädchen beeindrucken wollen. Zum Song "Get It On" von T-Rex formen die Freunde eine Reihe nebeneinander, beugen die Knie und wippen erst links, dann rechts mit dem Bein. Den Oberkörper gilt es dabei still zu halten, die Daumen werden cool in die Hosenschlaufen oder Taschen gehakt. Der Blick schweift durch den Raum und zählt die Bewunderer.
Quatsch mit Ketchup: Der Tanz zum Lied "The Ketchup Song" der spanischen Popgruppe "Las Ketchup" ist ebenso sinnfrei wie der Refrain des Songs. Die drei Schwestern besingen in einem Mix aus Spanisch und Englisch einen Aufreißer im Club, der sich jeden Abend den gleichen Song vom DJ wünscht. Weil er schon einen in der Krone hat, kann er sich an den Titel nicht erinnern und singt spanisch klingenden Fantasie-Kauderwelsch. Der Song, den er nachsingt: "Rapper's Delight" von der Sugar Hill Gang. Warum die Gruppe dazu die Hände vor dem Körper beinahe roboterartig über- und untereinander schiebt und dann flatternd neben den Kopf hebt, um hinter sich zu zeigen, leuchtet nicht zwangsläufig ein. Der Name der Gruppe schon eher: Die Schwestern spielen damit auf den Spitznamen ihres Vaters an, Flamenco-Gitarrist Juan Muñoz, der unter dem Spitznamen "El Tomate" bekannt ist.
Den eigenen Namen tanzen: Der Tanzklassiker der Village People entstand offenbar gar nicht auf Eigeninitiative der Band. Als die Musiker 1978 mit ihrem neuen Song "YMCA" bei der American Bandstand Show auftraten und beim Refrain mit erhobenen Armen klatschten, begann das Publikum die Buchstaben mit den Armen zu formen. Bandmitglied Victor Willis nahm die Bewegungen spontan auf und tanzte mit. Anschließend machte die Band den Tanz zu ihrer Routine.
Nicht aus der Reihe tanzen: Line Dance war schon in den Fünfzigern in den USA so populär, dass die Tanzshow "American Bandstand" in jeder Ausgabe einen neuen Tanz vorstellte. Bis heute ist der Line Dance bei Liebhabern von Countrymusik und seichterem Pop beliebt, nicht nur in den USA. Die Tänzer reihen sich neben- und hintereinander auf, um synchron und im Takt zur Musik die Schrittfolgen zu tanzen. Die größte Gruppe Line Dancer fand sich 2015 in China zusammen: 18.431 Teilnehmer tanzten fünf Minuten lang.
Um den Marterpfahl: Wer sich vom Line Dance überfordert fühlt, kann zum Lassotanz übergehen. Das Duo "Mallorca Cowboys" entwickelte den Tanz 2006 zu Olaf Hennings Song "Cowboy und Indianer", der seitdem auf Mallorca und beim Après Ski zum Standard-Repertoire gehört. Mit den rechten Arm das Lasso schwingen, mit der Hand erst eine Pistole, dann Indianer-Federn nachahmen und zum Schluss imaginär reiten. Dass solche Gesten international verständlich sind, zeigte sich in der US-Tanzshow "Dancing with the Stars" (Foto), in der beim Country-Special eine Lassotanz-Version nicht fehlen darf.
Außerirdisch gut: Der Moonwalk machte Michael Jacksons Performance bei einer Show 1983 zur Sensation und verhalf ihm zum Durchbruch als Solo-Künstler. Erfunden hat Jackson den Move allerdings nicht. In den späten Zwanzigern findet sich mit dem Backslide eine frühe Version des Moonwalk. In den folgenden Jahren wurde der Stil weiterentwickelt, bis Jackson den Move bei Tänzer und Choreograph Jeffrey Daniel sah. Der spätere King of Pop ließ sich den Tanz von Daniel zeigen - und übte ihn monatelang.
Den Hintern sprechen lassen: Beim Twerking kommt es im Prinzip nur auf die Rückseite der Tänzer an. Seit den Neunzigerjahren hat sich Twerking von einem eher lokalen Phänomen in und um New Orleans zu einem internationalen Tanzstil entwickelt und in der Popkultur etabliert. Beim Tanzen geht man in die Knie und lässt den Hintern auf- und abzucken. Wie offensiv sexy das sein kann, demonstrierte Miley Cyrus 2013 bei den MTV Music Awards, als sie vor Sänger Robin Thicke twerkte und Will Smith samt Ehefrau und Kindern das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Dass der Tanz trotzdem in jeder Altersklasse Anklang findet, beweist dieser Weltrekordversuch am 25. September 2013 in New York.
Halli Galli auf der Tanzfläche: Für die Unterhaltung von Hotelgästen spielte die Band im Cadillac Hotel in Miami 1959 den "Hully Gully". Dabei gibt die Band per Ansage die Schrittfolge und Tanzanweisungen vor, die im Prinzip einfach zu befolgen sind. Mit fortschreitender Musik wird die Abfolge jedoch schneller und komplizierter. Der Tanz verbreitete sich auch außerhalb der USA und wurde Anfang der Sechziger wie hier in Rom in ganz Europa gern getanzt.
Kein Hokuspokus auf dem Parkett: Kompliziert ist der Hokey Pokey wirklich nicht. Man folgt beim Tanzen den Anweisungen des Songs. Rechter Fuß nach vorn, rechter Fuß zurück, rechter Fuß nach vorn, rechten Fuß schütteln, einmal um die eigene Achse drehen und von vorn, diesmal mit dem linken Fuß. Variationen des Hokey Pokey existieren weltweit; seinen Anfang nahm der Tanz als "Hokey Cokey" in Großbritannien in den späten Zwanzigern des 19. Jahrhunderts, bevor er als populärer Hit in den Vierzigern und Achtzigern ein Comeback feierte und ab 1950 auch in den USA bekannt wurde.
Killing it: Eine der legendärsten Tanzszenen der Filmwelt bescherte uns Quentin Tarantino in "Pulp Fiction". Tanzlegende John Travolta schwingt als Auftragskiller Vincent Vega neben Uma Thurman als Mia Wallace, Ehefrau von Vegas Boss, das Tanzbein. In einem Diner treten die beiden zum Twist-Wettbewerb an und liefern eine Performance, deren Anblick bis heute ein Genuss ist. Entgegen der landläufigen Meinung schrieb Tarantino die Szene nicht extra für Travolta - der Tanz war schon vor dem Casting für den Film vorgesehen.
Shake it Baby: Der Song "Harlem Shake" wurde 2013 innerhalb von Tagen zum Hit, nachdem Internetkomiker Filthy Frank ein Video auf Youtube hochlud, bei dem er sich wild zuckend zu dem Song des DJs Baauer bewegte. Sofort fand das Video zahlreiche Nachahmer, auch Promis ließen sich von der Tanzwelle anstecken. Der Trick ist, zunächst für einige Sekunden teilnahmslos zu wirken, bevor man tänzerisch ausflippt. So schnell wie der Harlem Shake berühmt wurde, wurde er vom nächsten Internethype abgelöst.
Ausdruckstanz: Beim Voguing geht es um perfekt einstudierte Posen und Bewegungsabläufe. Erfunden wurde der Tanzstil in den Achtzigern in der Homosexuellen-Szene im New Yorker Stadtteil Harlem. Es geht darum, Körperhaltung und Posen von Models nachzuempfinden. Wie beim Gang über den Runway legen die Tänzer viel Wert auf einen ausdrucksstarken Laufstil mit Hüftschwung und perfekt überkreuz gesetzten Schritten. Hinzu kommen Posen, wie man sie von Modeshootings kennt. Die Benennung des Stils nach der Modezeitschrift "Vogue" überrascht daher nicht. Größere Bekanntheit erlangte der Tanzstil unter anderem durch Madonnas gleichnamigen Song von 1990.
Klassiker: Wer kennt ihn nicht, den Ententanz. Mit den Händen einen Schnabel formen und das Schnattern nachahmen, mit den Armen den Flügelschlag imitieren. Der Schweizer Musiklehrer Werner Thomas spielte die Tonfolge 1957 auf dem Akkordeon und trat damit als Alleinunterhalter auf. Einige Jahre später entwickelte er den Tanz dazu. 1973 entdeckte ihn ein belgischer Musikproduzent, der die Noten auf dem Synthesizer einspielte und unter dem englischen Titel "Tchip Tchip / Who Needs Money" veröffentlichte. Der Song erreichte in Belgien Gold-Status und belegte in der Schweiz fünf Wochen lang Platz eins.
Tänzerische Beichte: Von Paris aus bahnte sich "La Bostella" Mitte der Sechziger seinen Weg auf die europäischen Tanzflächen. Der Tanz beginnt wie ein Flamenco mit beiden Tanzpartnern klatschend, dann windet man sich und stößt unter Seufzern seine Sorgen von Liebeskummer bis Finanznot aus, bevor man sich nach der Beichte erschöpft auf den Boden sinken lässt. Das "Life"-Magazin beschrieb den Tanz 1965 als "ein Teil Spanisch, ein Teil Psychotherapie, ein Teil Wrestling Match und ein Teil ausgelassenes Feiern."
Getanzter Schulterschluss: Sirtaki gilt vielen als traditioneller griechischer Tanz. Doch wer glaubt, schon Sokrates und Plato tanzten im Schulterschluss um die Akropolis, irrt gewaltig. Der griechische Komponist und Choreograph Miki Theodorakis entwickelte den Tanz 1964 bei den Dreharbeiten zum Film "Alexis Sorbas". Ob der Tanz entstand, weil Hauptdarsteller Anthony Quinn sich - wie die Legende besagt - mit traditionellen griechischen Tänzen zu schwer tat oder weil der Schauspieler - wie er selbst behauptet - an einer Fußverletzung litt, wird wohl ein ungelöstes Rätsel bleiben. Unbestritten ist aber, dass sich der Tanz bis heute über Griechenlands Grenzen hinaus großer Beliebtheit erfreut. In Schwäbisch Hall bemühte man sich 2012 unter Anleitung des griechischstämmigen Schlagersängers Costa Cordalis um einen Weltrekord im Sirtaki-Tanzen, doch das Wetter machte den Tanzwütigen einen Strich durch die Rechnung.
Mit strammen Waden beeindrucken: Der Schuhplatter mag heute ein Schautanz auf Volksfesten sein, ursprünglich diente er im Alpenraum jedoch als Werbetanz. Der Überlieferung nach ist der Tanz dem Balzverhalten des Auerhahns nachempfunden und wurde ab dem 19. Jahrhundert getanzt. Junge Burschen und gestandene Mannsbilder bewegten sich im Dreivierteltakt in einer festen Sprung- und Hüpffolge über die Bühne, schlugen sich auf Schenkel, Knie und Fußsohlen, klatschten in die Hände und stampften mit den Füßen, ehe sie zum Abschluss mit der umworbenen Dame einen kurzen Walzer tanzten. Als Schautanz wird der Schuhplattler heute ohne Damenbeteiligung aufgeführt.
Tanzflächen-Gerangel: Pogo ist nichts für schwache Nerven. Während man bei traditionellen Paartänzen wie dem Walzer andere Tanzende möglichst nicht stört, sondern kunstvoll und grazil um sie herumtanzt, geht es beim Pogo um das genaue Gegenteil. Hier werden bewusst andere Tanzende aufs Korn genommen und angerempelt. Der Schubs-Tanz geht für Ungeübte schnell auch mal mit blauen Flecken einher.
Antikapitalistische Unterhaltung: Weil der DDR-Führung Rock'n'Roll zu aufrührerisch und wild war, gab man kurzerhand einen eigenen Modetanz in Auftrag. Der Leipziger Komponist René Dubianski entwickelte die Musik, das Tanzlehrer-Ehepaar Christa und Helmut Seifert die Tanzschritte. Als "Kind der leichten Muse" wurde der Tanz 1959 vorgestellt, die DDR meldete den Tanz gar zum Patent an. Die einfach nachzutanzenden Schritte waren den Jugendlichen in der DDR dennoch zu altbacken und uncool - der Lipsi setzte sich nie durch.
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