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Lemmy Kilmister: Laut, lauter, Motörhead

Foto: Getty Images/Redferns

Motörhead zum 40. "Ich komme sehr gut mit Frauen aus"

Ian Fraser Kilmister, besser bekannt als Lemmy, tourt seit vier Jahrzehnten mit Motörhead über die Bühnen der Welt. Im Interview erinnert er sich an vier Jahrzehnte Drogen, Sex und Hardrock.
Von Manfred Prescher

Lemmy Kilmister starb am 28. Dezember 2015 in Los Angeles. Das Interview wurde 2015 zum 40. Jubiläum der Band Motörhead veröffentlicht.


einestages: Der Begriff Motörhead steht auch für einen Amphetaminsüchtigen. Welche Rolle spielten die Drogen bei der Gründung der Band?

Lemmy: Eigentlich keine. Sicher haben wir damals mit allem herumexperimentiert, was so zu bekommen war. Mein Einstieg vorher bei Hawkwind hatte mehr damit zu tun. Man kam leichter an die harten Sachen heran und die Band war in diesem Bereich sehr effektiv unterwegs.

einestages: Wie sieht es denn heute mit den Drogen aus?

Lemmy: Die harten Zeiten sind vorbei. Wir waren früher nie die braven Normalbürger, aber nun werden wir sicher nirgendwo auf der Welt mehr wegen Drogenbesitzes festgehalten. Ich fand immer, dass die Polizei Besseres zu tun haben sollte, als sich um uns zu kümmern. Mich stört, dass zum Beispiel Kinderschänder oft davon kommen, während man Kids wegen ein paar Gramm Haschisch drankriegt.

einestages: Die Frage haben Sie nun aber eher vage beantwortet.

Lemmy: Ok, noch ein Wort dazu - wer in einem fortgeschrittenen Lebensalter noch zig Gigs im Jahr spielt, muss fit sein. Deshalb spielen die harten Sachen keine Rolle mehr. Eine Zeit lang war eine Flasche Whisky pro Tag so eine Art Lebenselixier. Mittlerweile bin ich auf Wodka Orange umgestiegen.

einestages: Viele Rockstars strichen früh die Segel, wurden Opfer von Drogen - auch Freunde von Ihnen wie Sid Vicious von den Sex Pistols oder der AC/DC-Sänger Bon Scott. Was lief da falsch?

Lemmy: Drogen sind schon ein verdammtes Teufelszeug, von dem man eigentlich die Finger lassen sollte. Ich war immer schon gegen Heroin, der Stoff hat die Leute umgebracht. Aber im Prinzip kommt es drauf an, dass man seinen persönlichen Eichstrich kennt. Gut, den hab ich ab und an auch mal ignoriert, aber es ist gut zu wissen, wo die Grenze ist.

einestages: Vor 40 Jahren wurde Motörhead gegründet. Können Sie sich noch an das genaue Datum erinnern?

Lemmy: Nein, wirklich nicht. Das liegt alles im damaligen Drogennebel verborgen. Sicher ist, dass es im Sommer 1975 gewesen sein muss. Aber das spielt keine Rolle. Motörhead "kickt noch immer Ass", wir touren wie eh und je sieben Monate im Jahr. Viel hat sich also nicht geändert, außer dass wir eben alle älter geworden sind. Wir bringen am 28. August unser 22. Studioalbum "Bad Magic" heraus - und das fühlt sich gut an. Ich schaue ohnehin nur nach vorne.

einestages: Erstaunlich ist es aber schon, dass eine Rockgruppe so lange durchhält. Sie selbst feiern am 24. Dezember auch schon Ihren 70. Geburtstag - ist man denn nie zu alt für Rock'n'Roll?

Lemmy: Rock'n'Roll ist definitiv nichts für alte Leute, das ist amtlich. Unser Geheimnis ist wohl, dass wir eigentlich immer noch Kinder sind. Mehr muss man da nicht hineindichten. Wir stehen immer noch gern auf der Bühne und toben nun mal gern herum. So lange die Fans das spüren, springt der Funke über und sie haben auch ihren Spaß. Speziell in Deutschland liebt man uns seit einer Ewigkeit, wofür ich sehr dankbar bin.

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Lemmy Kilmister: Laut, lauter, Motörhead

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einestages: Stimmt es, dass Sie Ihren ersten Bass bei einer Lotterie gewonnen haben?

Lemmy: Das ist richtig. Es war ein deutsches Instrument, ein Bass von "Hopf". Del Dettmar, der Keyboarder von Hawkwind hat ihn am Flughafen Heathrow bei einem Preisausschreiben gewonnen. Seitdem bin ich Bassist - was für ein Zufall.

einestages: Ihre Musik ist wild und laut. Brauchen Sie den Krach, um Ihre Kindheit nachzuholen?

Lemmy: Ein Stück weit vielleicht schon. Meine Kindheit war relativ hart. Ich bin ein Kind, das 1945 in Stoke-on-Trent geboren wurde. Wir hatten wenig, zumal mein Vater sich, nach dem ich auf der Welt war, rasch verpisste. Der Typ war im Zweiten Weltkrieg Feldkaplan bei der Royal Army. Er hat den Soldaten fromme Sprüche vorgebetet und Werte gepredigt, die er dann selber nicht gelebt hat.

einestages: In Ihrer Autobiografie "White Line Fever" steht, dass Sie ihn als Erwachsener noch mal gesehen haben.

Lemmy: Ich denke, er hatte ein schlechtes Gewissen, darum wollte er mich sehen. Also ließ ich mich breitschlagen und wir trafen uns in einer Pizzeria. Ich versuchte, die Situation auszunutzen, und ihm Verstärker und Instrumente für die Band rauszuleiern. Das Ganze war dann so surreal, dass ich aufgestanden bin und ihn einfach sitzenließ.

einestages: Das klingt ein wenig wie die Geschichte, die Johnny Cash in "A Boy Named Sue" erzählt.

Lemmy: Stimmt. Aber mal ehrlich - wieso sollte ich ihn wollen? Er wollte mich doch auch nicht. Schwamm drüber.

einestages: Sie stammen also aus einer zerrütteten Familie, Ihre Mutter hat Sie allein groß gezogen. Halten Sie sich für beziehungsunfähig?

Lemmy: Meiner Band bin ich immer treu gewesen, sie ist meine Beziehung gewesen. Wir würden ja sonst gar nicht mehr zusammen sein. Ich komme aber sehr gut mit Frauen aus.

einestages: Es wird aber kolportiert, dass Sie mit über 1000 Frauen Sex hatten. Manche Quellen dichten Ihnen sogar den Verkehr mit 2500 Damen an.

Lemmy: Es wird viel geschrieben, wenn der Tag lang ist. Ich sage dazu nichts, es spielt keine Rolle. Höchstens das: Sex war und ist mir immer wichtig, ich liebe nun mal das weibliche Geschlecht! Auch das hält mich jung. Ich habe es aber mit festen Beziehungen probiert, es ging irgendwie nicht. Motörhead waren viel auf Tour, da konnte sowohl bei der Frau als auch bei mir viel passieren während der langen Abwesenheit.

einestages: Sind Sie ein Macho?

Lemmy: Woher soll ich das wissen? Ich wurde von meiner Mutter und meiner Oma großgezogen, sie lehrten mich, höflich zu Frauen zu sein und ihnen mit Respekt zu begegnen, sie zu achten. Vielleicht steckt in dem Rüpel eine Art Gentleman? Wär' doch schön.

einestages: Träumen Sie nicht auch von einer festen Partnerschaft?

Lemmy: Wer tut das nicht? Aber ich will Ihnen ein Geheimnis anvertrauen: Ich bin seit eineinhalb Jahren in einer festen Beziehung, und es sieht so aus, als würde das mit Cheryl noch viel länger gehen.

einestages: Ein Wort zu Ihrer Sammelleidenschaft - sie archivieren Utensilien aus dem "Dritten Reich" und sind 2008 mit der deutschen Justiz in Konflikt deshalb geraten. Was war da los?

Lemmy: Auf einem Zeitungsfoto trug ich einen Nazi-Hut. Ich wusste aber nicht, dass der Kram in Deutschland verboten ist. Eigentlich ist das ja logisch.

einestages: In Liedern wie "1916", "When The Eagle Screams" oder "God Was Never On Your Side", warnen Sie eindrucksvoll vor Krieg und Bigotterie.

Lemmy: Zunächst mal ist die Vergangenheit gottlob vorbei, die Nazis sind passé und kommen hoffentlich nie wieder. Aber die Bösen haben nun mal einfach die schöneren Uniformen.

einestages: Sie gelten als sehr belesen, beschäftigen sich mit Geschichte, Philosophie und Religion. Das hört man auch auf dem neuen Album "Bad Magic", speziell natürlich in "The Devil" und dem Rolling-Stones-Cover "Sympathy For The Devil". Wie kam es eigentlich zu dieser Version des Klassikers?

Lemmy: Die Geschichte ist ganz einfach. Der Wrestler Triple H fragte uns, ob wir den Song für eine Doku über ihn aufnehmen wollten. Die Version gefiel uns so gut, dass sie nun auf dem Album landet. Der Text ist ja eh nach meinem Geschmack, obwohl ich doch eher ein Beatles- als ein Stones-Fan bin.

einestages: Die Beatles waren, als Motörhead gegründet wurden, auch schon seit fünf Jahren Geschichte. Wie hat sich denn die Musikindustrie Ihrer Meinung nach verändert?

Lemmy: Es ist so viel passiert seit damals. Das Internet zum Beispiel - es ist Himmel und Hölle zugleich. Musik ist dadurch so artifiziell geworden, man hat kein reales Produkt mehr in den Händen. Man lädt einen Song herunter und springt dann zum Nächsten. Mich stimmt es traurig, dass immer weniger Menschen einen eigenen Musikgeschmack entwickeln, sondern sich nur für austauschbare Hits interessieren.

einestages: Wenn Sie junge Menschen auf Motörhead aufmerksam machen wollten und ihnen einen Song zum Herunterladen empfehlen würden. Welcher Song wäre das?

Lemmy: Ganz klar "Ace Of Spades".


Anm. d. Red. In einer früheren Version des Textes hieß es, Joey Ramone sei an Drogenmissbrauch gestorben. Tatsächlich verstarb der Musiker am Non-Hodgkin-Lymphom. Geändert wurde auch der Satz "We are Motörhead - we are Rock'n'Roll" zur Eröffnung jeden Motörhead-Konzerts. Richtig heißt es: "We are Motörhead. And we play Rock'n'Roll." Bitte entschuldigen Sie die Fehler.

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