

Das Bild ging um die Welt: Der tote Uwe Barschel in der Badewanne von Zimmer 317 im Genfer Hotel "Beau Rivage". Das war der 11. Oktober 1987, ein "Stern"-Reporter entdeckte den Leichnam. Neun Tage zuvor war Uwe Barschel (CDU) nach einer Affäre, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte, als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zurückgetreten.
Seit diesem 11. Oktober 1987 wird um die Antwort auf die Frage gestritten, ob der 43-jährige Barschel Selbstmord beging oder ermordet wurde. Auch von Sterbehilfe ist die Rede. Es ist ein Streit ohne Ende. Es ist ein Tod, um den sich viele Mythen ranken. Nur eines ist klar: Barschel starb nach einer Vergiftung durch Medikamente. Aber man fand am Tatort keine Medikament-Verpackungen. Ebenfalls verschwunden war eine Rotweinflasche, die Barschel zuvor geordert hatte. Es gibt viele Erklärungsversuche: Mord, Selbstmord, Sterbehilfe.
Die Theorie vom Selbstmord geht davon aus, dass Uwe Barschel ein hoffnungslos verzweifelter Mensch war. Einen Tag vor den schleswig-holsteinischen Landtagswahlen am 13. September 1987 schrieb DER SPIEGEL, Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer habe das Privatleben des SPD-Gegenkandidaten Björn Engholm ausspionieren lassen. Anonym habe Pfeiffer Engholm der Steuerhinterziehung beschuldigt. Außerdem habe er ihn angerufen, sich als Arzt ausgegeben und dem SPD-Politiker mitgeteilt, der sei HIV-infiziert. Pfeiffer erklärte, er habe auf Veranlassung Barschels gehandelt.
"Ich wiederhole, mein Ehrenwort"
Kurz darauf gab Barschel sein legendäres Ehrenwort: Er gebe den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holstein und der gesamten deutschen Öffentlichkeit sein Ehrenwort, "ich wiederhole, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind". Doch schnell war klar, dass Barschel falsche Aussagen gemacht hatte. Am 2. Oktober 1987 trat er vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Eine gute Woche später checkte er im "Beau Rivage" ein.
Barschels Familie hat die Selbstmord-These immer bezweifelt. Und auch der ehemals ermittelnde Lübecker Staatsanwalt Heinrich Wille geht heute von der Theorie der Ermordung Barschels aus. Zwar wurde das Ermittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 705 Js 33247/87 im Jahr 1998 eingestellt, doch gibt Wille nicht auf: Diesen Monat wollte er eigentlich ein Buch zum Thema vorlegen, Arbeitstitel: "Der Mord an Uwe Barschel - das Verfahren." Doch Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt Erhard Rex ließ die Veröffentlichung untersagen.
Er hat nun Wille angeboten, seine Erkenntnisse ohne Zensur in einer Schriftenreihe der Behörde zu veröffentlichen. Wille lehnte dies ab. Rex selbst, der als Anhänger der Selbstmord-Theorie gilt, wird dem Vernehmen nach einen eigenen Beitrag vorlegen. Rex hat erst kürzlich einseitige Mord-Spekulationen zurückgewiesen: "Es gibt Indizien für Mord, deren Stellenwert allerdings nicht so hoch ist, wie nach manchen Medienveröffentlichungen zu vermuten wäre", es gebe umgekehrt "gewichtige Indizien für Selbstmord".
Rex warnte vor einer Einseitigkeit bei der Bewertung des Todesfalls und vor einer "Einengung des eigenen Blickwinkels".
Doch wegen Willes andauernden Zweifeln an der Selbstmord-These sowie aufgrund eines toxikologischen Gutachtens, das diese These ebenfalls zu unterminieren scheint, hat Barschels Familie über ihren Rechtsbeistand die Bundesanwaltschaft aufgefordert, strafrechtliche Ermittlungen in eigener Regie aufzunehmen. Eine offizielle Reaktion der Behörde steht noch aus.
Gift und Waffengeschäfte mit Südafrika
Eine andere Theorie vertreten unter anderem "Stern"-Journalisten in dem Buch "Der Fall Barschel - ein tödliches Doppelspiel". Demnach musste Barschel wegen seiner Kontakte zu Waffenhändlern sterben. Als Ministerpräsident habe er die vom Konkurs bedrohte HDW-Werft in Kiel retten wollen - mit Hilfe einer U-Boot-Lieferung an das damalige, von den Vereinten Nationen geächtete und mit einem Waffen-Embargo bedachte Apartheidsregime in Südafrika. Doch schließlich flog das Geschäft auf, die Südafrikaner hatten bezahlt, erhielten aber keine Lieferung. Und Barschel konnte das Geld nicht zurückzahlen, soll es im Wahlkampf ausgegeben haben. Die Theorie: Dem Ex-Ministerpräsidenten sei möglicherweise vom südafrikanischen Geheimdienst Gift in die Fußsohlen gespritzt worden.
Überhaupt, die Geheimdienste und die Waffenhändler. Dieses Zusammenspiel eignet sich hervorragend für die verschiedensten Verschwörungstheorien: Nicht nur die Südafrikaner spielen bei den Anhängern dieser Mordthesen eine Rolle, da gibt es noch die Stasi, die CIA, den BND sowie den israelischen Mossad.
Die ARD brachte jüngst noch die dritte Theorie per 45-Minuten-Doku "Der Tod des Uwe Barschel - Skandal ohne Ende" wieder ins Spiel: Barschel könnte per Sterbehilfe aus dem Leben geschieden sein. Demnach entsprechen sowohl die Abfolge der mit großen Abständen eingenommenen Medikamente als auch das Wannenbad den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS).
Auf welche Weise Uwe Barschel gestorben ist - das Rätselraten geht weiter. Die Affäre "Waterkantgate" bleibt ein hochdramatischer Stoff der jüngeren bundesrepublikanischen Polit-Geschichte. Das hat auch die Filmindustrie erkannt. Die UFA plant einen Streifen nach dem Drehbuch von Fred Breinersdorfer, der jahrelang zum Thema recherchiert hat. "Die Affäre Barschel ist tausendmal vielschichtiger als bisher angenommen", so Produzent Norbert Sauer: "Sie hat politische Brisanz und filmisches Potential wie zum Beispiel JFK und Nixon."
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Barschels Amtseinführung: CDU-Politiker Uwe Barschel legt während der Zeremonie zu seiner Amtseinführung als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein im Oktober 1982 einen Eid ab. Fünf Jahre später hielt er seine legendäre "Ehrenwort"-Pressekonferenz.
Uwe Barschels Ehrenwort: Uwe Barschel bei seiner legendären "Ehrenwort"-Pressekonfererenz: Er schwor, nichts mit den schmutzigen Machenschaften im schleswig-holsteinischen Wahlkampf zu tun gehabt zu haben. Am 11. Oktober wurde er tot in der Badewanne eines Hotelzimmers gefunden.
Medienreferent Reiner Pfeiffer: Uwe Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer beantwortet Fragen von Journalisten. Er erklärte, die Bespitzelungen des Barschel-Rivalen Björn Engholm (SPD) seien auf Veranlassung Barschels erfolgt. Am 7. September 1987, sechs Tage vor einer brisanten Landtagswahl, hatte der Beitrag "Waterkantgate: Spitzel gegen den Spitzenmann" im SPIEGEL den Skandal um den damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) ausgelöst.
Engholm vor Studenten: Björn Engholm (SPD), der später gescheiterte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, aufgenommen auf einer Studentenkundgebung in Bonn. Kurz vor der Landtagswahl 1987 in Schleswig-Holstein kam heraus, dass Engholms Konkurrent Uwe Barschel (CDU) sein Privatleben ausspionieren ließ. Später musste Engholm einräumen, viel länger als vormals zugegeben von den Machenschaften gewusst zu haben. Am 3. Mai 1993 warf Engholm hin: Er trat von allen politischen Ämtern zurück.
SPIEGEL-Titel Waterkantgate: Die SPIEGEL-Geschichte über die Machenschaften des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel im Landtagswahlkampf 1987 enthüllte die sogenannte Waterkantgate-Affäre. Auf einer Pressekonferenz gab Barschel noch sein Ehrenwort, er sei nicht verwickelt. Wenige Tage später wurde er tot in einem Hotelzimmer am Genfer See gefunden. Ob es Mord oder Selbstmord war, ist bis heute ungeklärt.
Hotel Beau Rivage: Blick auf das Hotel Beau Rivage am Genfer See in der Schweiz. In der Badewanne von Zimmer 317 wurde der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel im Oktober 1987 tot aufgefunden. Todesursache war eine Vergiftung durch Medikamente. Mord oder Selbstmord? Diese Frage konnte nie geklärt werden.
Uwe Barschel ist tot: Die Leiche des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel wird aus dem Hotel Beau Rivage am Genfer See getragen. Barschel starb an einer Überdosis Medikamente. Das Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 1998 von der Staatsanwaltschaft Lübeck eingestellt. Der damals ermittelnde Staatsanwalt vertritt bis heute die These einer Ermordung Barschels.
Barschels Witwe und Bruder: Am Tag, nachdem Uwe Barschel, der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, tot im Genfer Hotel Beau Rivage aufgefunden wurde, geben seine Witwe Freya Barschel und sein Bruder Eike Barschel eine Pressekonferenz. Die Familie bezweifelt bis heute, dass der CDU-Politiker Selbstmord beging, sie geht von einem Mord aus.
Barschels Grabstein: Der Grabstein des ehemaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) auf einem Freidhof in Mölln. Barschel wurde im Oktober 1987 tot in einem Hotelzimmer am Genfer See gefunden, nur kurz nachdem er seine berühmte "Ehrenwort"-Pressekonferenz gegeben hatte. Es ging um seine Verwicklung in die sogenannte Waterkantgate-Affäre im Landtagswahlkampf 1987.
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