
US-Militär Falsch verbunden - mit dem Weihnachtsmann

So fing 1955 alles an: Die Nummer führte zur Raketenabwehr
Das rote Telefon klingelte. Harry Shoup hob ab und bellte seinen Namen. Der Colonel der United States Air Force erwartete den Ernstfall - schließlich war es eine geheime Notfallnummer, die der Anrufer gewählt hatte. "Sir?", sagte Shoup, als es auf der anderen Seite der Leitung still blieb. Bis eine schüchterne Kleinmädchenstimme fragte: "Bist du wirklich Santa Claus?"
An diesem 24. Dezember 1955 blickte Shoup sich um im Kontrollraum des Continental Air Defense Command im US-Bundesstaat Colorado. Erlaubten sich seine Soldaten etwa einen Scherz? Doch die Männer starrten unbeirrt auf ihre Radarschirme, um womöglich anfliegende sowjetische Atomraketen rechtzeitig zu entdecken.
So fing 1955 alles an: Die Nummer führte zur Raketenabwehr
Shoup entschied sich in dieser Sekunde, den Weihnachtsmann zu spielen. "Warst du ein liebes kleines Mädchen?", fragte er das aufgeregte Kind. Glücklich erzählte sie ihm, dass sie für ihn und seine Rentiere Leckereien bereitgestellt hätte.
Das rote Telefon sollte noch sehr oft klingeln. Grund war nicht der Ausbruch des Atomkrieges, sondern eine Panne in einer weihnachtlichen Werbeanzeige des Versandhauses Sears Roebuck & Co. "Ruft mich auf meiner Privatnummer an", forderte der Weihnachtsmann darin Kinder auf. Allerdings war eine falsche Nummer abgedruckt. Alle Anrufe kamen direkt auf dem Apparat von Colonel Harry Shoup an.
Im Minutentakt meldeten sich Kinder. Um ihre Fragen beantworten, stellte der Offizier in dieser Nacht einige Männer ab. Und mehr noch: Mittels Radar konnten die Soldaten den Kleinen angeblich genau sagen, wo sich der Weihnachtsmann auf seiner Geschenketour gerade befand.
"Big Red One" im Anflug
Offenbar machte den Offizieren ihre neue Aufgabe Spaß. Auf den großen Radarschirm, der die USA und Kanada zeigte, klebten sie einen Weihnachtsmann mit Schlitten. Und fanden auch schnell einen Codenamen für Santa Claus: "Big Red One".
Shoup rief derweil die lokale Radiostation an und meldete die Sichtung eines unbekannten Flugobjekts - wie ein Schlitten sehe es aus.
Eine Tradition war geboren. Seit 1955 geben die Soldaten des Nordamerikanischen Luft- und Weltraum-Verteidigungskommandos (NORAD) aus Colorado Springs jedes Jahr zu Weihnachten die Position von Santa Claus durch. Zunächst per Telefon und Radio, später auch im Internet. "NORAD tracks Santa", heißt das Projekt, "NORAD verfolgt Santa".
Mittlerweile zeigen Videos, wie Offiziere mit todernster Miene den Weg des Weihnachtsmannes beobachten. Jede Bewegung wird scheinbar per Radar verfolgt, sogar Satelliten aus dem Weltall spüren Santa nach. Hilfreich ist dabei wohl die rot glühende Nase des Rentiers Rudolf, die sich wunderbar ausfindig machen lässt. Sogar Kampfjets geleiten den Schlitten des Weihnachtsmanns angeblich sicher durch die Nacht.
Mit tausend Sachen durch die Nacht
Etwa 1200 Freiwillige sitzen jedes Jahr in einem NORAD-Callcenter und nehmen Anrufe von Kindern aus der ganzen Welt entgegen. 2013 machte sogar First Lady Michelle Obama mit. Was die Kleinen besonders bewegt: "Wo ist Santa jetzt? Und wann wird er bei mir eintreffen?" Auch welche Kekse er und seine Rentiere mögen, fragen sie immer wieder.
Wer den Flug des Weihnachtsmannes mithilfe von NORAD verfolgen will, findet hier alles Nötige: www.noradsanta.org
Allein im Jahr 2013 gingen laut NORAD rund 114.000 Anrufe bei der Weihnachts-Hotline ein - die bei aller Niedlichkeit auch als Werbemaßnahme dient. Das US-Militär unterhält die neugierigen Anrufer mit Fakten zu den Reiseaktivitäten des Weihnachtsmanns: Demnach muss er 822 Haushalte pro Sekunde aufsuchen, um seinen Berg von sieben Milliarden Geschenken zu bewältigen. Dafür muss er mit rund tausend Kilometern pro Stunde durch die Nacht sausen.
Derart genaue Zahlen hatte Colonel Harry Shoup am 24. Dezember 1955 noch nicht zur Verfügung. Seine Antwort auf die Frage des kleinen Mädchens, wie er als Santa Claus all die Geschenke verteilen könne, war aber mindestens ebenso gut: "Das ist der Zauber der Weihnacht!"
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Ehrenamt: 1200 Freiwillige helfen jedes Jahr beim Projekt "NORAD tracks Santa". Unter ihnen sind viele Angehörige des US-Militärs. Das Foto stammt aus dem Jahr 2012. NORAD ist das Nordamerikanische Luft- und Weltraum-Verteidigungskommando im US-Bundesstaat Colorado. Seit 1955 in einer Werbeanzeige eine falsche Telefonnummer abgedruckt war, rufen jedes Jahr Zehntausende von Kindern bei der Santa-Claus-Hotline an. mehr...
Santa im Flieger: Für das US-Militär ist Santa Claus auch eine Art Werbefigur. Das Foto wurde 2013 bei Vorbereitungen für die alljährliche Veranstaltung "NORAD tracks Santa" aufgenommen.
Verwählt: Colonel Harry Shoup bewachte am 24. Dezember 1955 das rote Telefon, reserviert für nationale Notlagen. Als es klingelte, befürchtete Shoup einen Angriff. Stattdessen war ein kleines Mädchen am Apparat. In einer Weihnachtsanzeige war irrtümlich diese Nummer als Telefonnummer des Weihnachtsmannes abgedruckt. Shoup spielte mit und wies später seine Offiziere an, die Anfragen der vielen Kinder, die sich ebenfalls auf die Anzeige in dieser Nacht meldeten, zu beantworten und ihnen die per Radar aufgespürten "Koordinaten" von Santa Claus durchzugeben. So entstand eine Tradition, die bis heute aufrechterhalten wird. Harry Shoup wurde als "Santa Colonel" bekannt und starb 2009.
Präsidial: Auch die Präsidentengattin Michelle Obama beantwortete 2012 für die Weihnachtshotline Fragen von Kindern am Telefon.
Zusammenarbeit: Mithilfe von Werbepartnern erstellte NORAD diese Internetseite. Mittlerweile gibt es auch Apps, um den Weihnachtsmann verfolgen zu können.
Auskunft: Die kleinen Anrufer berichten oft, dass sie für den Weihnachtsmann und seine Rentiere kleine Leckereien bereitgestellt haben. Vor allem interessiert sie aber, wie lange es noch dauert, bis Santa Claus bei ihnen eintrifft. (Foto von 2012)
Weihnachtsstimmung: Viele Freiwillige legen für die scheinbare Verfolgungsjagd auf den Weihnachtsmann Verkleidungen an, wie dieser Soldat, der 2013 Santa angeblich auf seinem Monitor ausgemacht hatte.
Live dabei: In Videos stellt das US-Militär die Reise des Weihnachtsmannes immer wieder nach. In diesem Clip von 2014 geben ihm sogar Kampfjets Geleitschutz.
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