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Frühe TV-Reklame: Und nun zur Werbung - Ente gut, alles gut

Frühe Fernsehwerbung Waschen, backen - und endlich wieder Sex

Er kleckert, sie meckert - zum Glück gab's Persil: Der erste deutsche TV-Spot vor 60 Jahren war eine Kulturrevolution. Fortan rettete Waschpulver Ehen, und Frauen waren glücklich. Angeblich.

Und schon isses passiert. Das Messer rutscht aus, ein Stück Schweinshaxe springt vom Teller auf die eben noch blütenweiße Tischdecke. Oh Schreck, ein Fleck! In aller Öffentlichkeit.

3. November 1956, Szenen einer Ehe, verdichtet in 55 Sekunden in einem bayerischen Restaurant. Die Rollenverteilung ist klar: Er kleckert, sie meckert.

Sie: "Xaver, da schau her, was d' wieder gemacht hast. Also du bist doch a richtiger Dreck.…"
Er unterbricht schnell: "Sprich's nicht aus, wir sind nicht daheim."
Sie setzt nach: "Aber du benimmst dich so, als wenn's daheim wär."

Wäre sie der Wirt, würde sie ihn SOFORT rausschmeißen. Dann das Wunder: Der Wirt bemerkt das Missgeschick - und rettet den Gatten aus seiner Notlage. Mit Persil, sagt er beschwichtigend, sei so was doch kein Problem mehr! Triumphierend doziert nun Xaver: "Siehst Liesl, das ist eben der Unterschied zwischen dir und dem feinen Mann. Du machst gleich ein Trara und ein Theater, wenn bloß ein kleines Fleckerl auf den Tischdecken kommt. Der gebildete Mensch sagt nur: Persil!" Breites Grinsen.

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60 Jahre ist es nun her, dass dieser Spot mit den prominenten Schauspielern Beppo Brem und Liesl Karlstadt - bekannt durch ihre Auftritte mit dem Komiker Karl Valentin - als erster Werbefilm im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Was heute wegen der etwas verdrucksten Harmlosigkeit und der Rollenstereotypen eher unfreiwillig komisch wirkt, war 1956 eine kleine Kulturrevolution. Sie begann ausgerechnet im konservativen Bayern.

Die Umsätze explodierten binnen weniger Jahre

Denn viele fanden damals Werbung im Fernsehen ähnlich anrüchig wie einen Fleck Bratensoße auf der Tischdecke. Zwar liefen in den Kinosälen längst Werbefilme, doch das öffentlich-rechtliche Fernsehen verstand sich nach der medialen Propaganda des NS-Regimes noch als reine Bildungs- und Erziehungsanstalt. Und so war es durchaus frech, dass es der Bayerische Rundfunk als erster ARD-Sender wagte, die Werbung vom Unterhaltungsmedium Kino ins puritanisch geprägte Fernsehen zu holen.

Natürlich tat der Pionier das nicht ohne Lokalpatriotismus: Ein Trickfilmlöwe, der an das bayerische Staatswappen erinnerte, erhob sich für diesen historischen Moment per Heißluftballon in die Lüfte, stolz das Banner "Bayerisches Werbefernsehen" hinter sich herziehend.

Damit begann der Werbeboom im Fernsehen: Noch im Dezember 1956 liefen auch im Sender Freies Berlin die ersten Werbespots. 1958 zog der WDR nach, und als das ZDF 1961 auf Sendung ging, war die Mitfinanzierung durch Werbung längst fest eingeplant.

Erster TV-Spot kostete neun Dollar

Binnen weniger Jahre war damit das Fernsehen vom werbeschwächsten Medium zum wichtigsten Werbeträger in der Bundesrepublik aufgestiegen. Wurden 1956 mit der TV-Werbung brutto nur 200.000 Mark umgesetzt, waren es ein Jahr später 3,7 Millionen und zehn Jahre nach dem historischen Persil-Spot schon 537,7 Millionen Mark. Und 2015, so die Statistik des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft, setzten alle TV-Sender zusammen netto sogar 4,4 Milliarden Euro um, davon ARD und ZDF rund 312 Millionen Euro.

Die 4,4 Milliarden Euro sind, trotz wachsender Konkurrenz durch das Internet, fast ein Drittel aller Werbeeinnahmen. Was für eine Entwicklung, verglichen mit den biederen Anfängen: Der weltweit erste TV-Werbespot war schon 1941 in den USA gezeigt worden - und dauerte acht Sekunden. Er zeigte lediglich starr das Logo des Uhrenherstellers Bulova und kostete das Unternehmen angeblich nur neun Dollar.

Erst 15 Jahre später begannen auch die Deutschen mit Reklame im Fernsehen zu experimentieren. Wer sich die Filme aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren anschaut, freut sich womöglich nicht nur über die ruhige Kameraführung und die minutenlang auserzählten Geschichten - sondern begibt sich aus heutiger Sicht auch auf eine oft höchst komische Zeitreise.

Ölpest? Ja, bitte!

Da gab es etwa den "Gaumometer nach Prof. Lucullus" von Maggi-Koch Fridolin: Diese witzige Apparatur mit einem angeblich hochsensiblen Saugtrichter wurde über dampfendes Essen gehalten und verteilte ganz miese Essens-Noten, wenn Maggis Geschmacksverstärker "Fondor" fehlte.

Maggis Gaumometer

Maggis Gaumometer

Mit Fondor aber drehte das Gerät regelrecht durch vor Entzücken: Die Messwerte schossen hoch auf "geschmacksvollendet", eine Klingel schellte, als hätte jemand beim "Hau-den-Lukas" gewonnen.

Und es ging noch viel absurder: Zwei Kinder finden eine ölverschmierte Möwe im Meer. "Ölpest! Immer wieder Ölpest" ruft ein Sprecher aus dem Off, überraschend fröhlich, schließlich sei das alles ja kein Problem: Die Kinder bringen den moribunden Vogel nach Hause, denn "Mütter wissen immer Rat". Und klar, Mutti ist auch nicht entgangen, dass das Waschmittel Rei "schon Tausenden Seevögeln das Leben gerettet hat".

Also rein mit der Möwe ins "schaumige Rei-Bad" und ein bisschen die Flügel schrubben. "Ahhh, das tut gut!", schwärmt der Sprecher, der Vogel sei "schon wieder ganz schön munter". Die Kinder trocknen schnell das Gefieder, ein beherzter Wurf in die Luft - und die Möwe flattert dank Rei fröhlich davon.

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Autos, Zigaretten, Nylonstrümpfe und immer wieder diese wundersamen Waschmittel: Die Werbung der Nachkriegszeit spiegelte ziemlich authentisch den wachsenden Wohlstand, das unpolitische Lebensgefühl und die Wertmaßstäbe der jungen Bundesrepublik wider.

"Was soll ich anziehen, was soll ich kochen?"

In einem Tampon-Werbefilm etwa tuscheln Frauen noch verschämt über das weitgehend unbekannte Hilfsmittelchen. Am Ende des Spots aber erklärt eine Krankenschwester das Produkt auf sehr deutsche Art. Mit streng-schneidiger Stimme ruft sie: "Tampax. Mit Applikator. Vollendung der Frauenhygiene. Sicher und sauber!" Mit überdeutlicher Betonung auf SAUBER. Der Tampon selbst wurde lieber nur ganz kurz eingeblendet. Lieber niemanden verschrecken.

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Viel offensiver gingen die Werber dagegen mit den damaligen Rollenbildern um. Die Frau habe es eigentlich viel besser als der Mann, heißt es etwa bei Dr. Oetker, denn: "Sie darf backen!" Eine Frau habe ja nur "zwei Lebensfragen": "Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?" Und da der Appetit des Mannes in der Ehe immer ungestümer wachse, helfe nur eines: viel süßen Pudding rühren, riesige sahnige Kuchen backen.

Frauengold hilft in der Liebe

Frauengold hilft in der Liebe

Selbst für den Fall, dass die eine oder andere Frau unter diesem Erwartungsdruck hysterisch zusammenbrach, hatte die Werbung eine gute Empfehlung: Einfach das beruhigende Kräuter-Tonikum der Flensburger Firma "Frauengold" trinken, und schon macht nicht nur das Putzen wieder richtig Spaß. Sondern auch der Beischlaf mit dem - sicher vom Kuchen - längst kugelbäuchig gewordenen Gatten (siehe Fotostrecke).

Nur ein Detail blieb ungeklärt: Wie viele Flaschen dieses 16-prozentigen Gebräus musste die arme Frau eigentlich trinken, damit dieser betörende Effekt eintrat?

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