Hungernde Hauptstadt: Als die Pariser den Zoo aufaßen
Hunger im belagerten Paris 1870
Als die Elefanten Castor und Pollux im Kochtopf landeten
Preußens Armee kesselte vor 150 Jahren Paris ein, die Bürger litten Hunger. Zu Weihnachten wurden sogar Zootiere geschlachtet – Wohlhabende bekamen Elefantensuppe, Bärenkotelett und Kängururagout serviert.
Zu Weihnachten 1870 war es klirrend kalt in Paris. Im Deutsch-Französischen Krieg hatte die preußische Armee die Stadt umzingelt. Der 25. Dezember war bereits der 99. Tag der Belagerung, wie man auch der Speisekarte des eleganten Café Voisin entnehmen konnte. Dort erwartete die Gäste an diesem Abend ein ganz besonderes Weihnachtsmenü: Elefantenconsommé, sodann ein Entrée vom gebratenen Kamel (wahlweise Kängururagout oder Bärenkotelett in Pfeffersauce), gefolgt von getrüffelter Antilopenterrine.
Als Hauptgang offerierte der Chef de Cuisine auch »Katze, flankiert von Ratten«. Doch Katzen- und Rattenfleisch gab es seit Wochen zu kaufen, dafür hätte kaum jemand den Weg in die Rue Saint-Honoré auf sich genommen. Die meisten Gäste dürften ihre Auswahl aus dem reichen Angebot exotischer Gänge getroffen haben. Denn in der Not hatte man auch Zootiere geschlachtet – und Ende Dezember erschoss man sogar die beiden beliebten Elefanten Castor und Pollux.
Metzgerei am Boulevard Haussmann: Im Dezember 1870 wurden hier geschlachtete Zootiere verkauft
Foto: imago images / Photo12
Die große Mehrheit der Pariser litt Hunger. Stunden zuvor war dem Schriftsteller Edmond de Goncourt beim Spaziergang die ungewöhnliche Auslage im Schaufenster eines Juweliers aufgefallen: frische Eier, in Watte gewickelt und in Schmucketuis verpackt. Dass ein Ei als Kostbarkeit gehandelt wurde, spricht Bände über die Versorgungslage. Schon zwei Wochen vor Weihnachten hatte Goncourt in seinem berühmten Tagebuch notiert: »Man spricht nur noch von dem, was man isst, was gegessen werden könnte, was sich an Essbarem findet.«
Dabei hatten die Behörden im September, als Preußens Truppen das Land von Osten her überrannten, durchaus vorgesorgt. Im Gare du Nord, dem Pariser Nordbahnhof, hatte man Mühlen eingerichtet, die neuen, riesigen Markthallen mit Vorräten gefüllt und Vieh in die Stadt getrieben. Zigtausende Schweine, Schafe und Rinder grasten fortan im Bois de Boulogne, im Jardin du Luxembourg und anderen Parks der Stadt.
Der Zorn der Bürger
Doch es waren viel mehr Menschen zu versorgen als sonst. Denn die Bewohner der umliegenden Dörfer drängten in die Hauptstadt und zogen Karren mit Alten, Kindern und hastig zusammengesuchten Habseligkeiten, bis sich am 19. September der Belagerungsring schloss. Preußens damaliger Ministerpräsident Otto von Bismarck, bald darauf erster deutscher Reichskanzler, soll gesagt haben, acht Tage ohne Café au Lait würden genügen, um den Widerstand der Pariser zu brechen.
Anfangs waren die Vorräte noch nicht das drängendste Problem. Paris war von jeglicher Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten. Es galt, den Widerstand mit der von Tours aus betriebenen Mobilmachung zur »nationalen Verteidigung« gegen die Invasoren zu koordinieren.
Die Behörden versuchten einen Ausweg, als wäre es ein Roman von Jules Verne: Heißluftballons ließen Menschen samt Post über die erzürnten Preußen hinwegschweben, während Brieftauben mithilfe der noch neuen Mikrofiche-Technik Tausende von Depeschen sowie sehnsüchtig erwartete Briefe in die Stadt zurücktrugen.
Beim Nahrungsnachschub half das freilich nicht. »Wir können keinen Café au Lait mehr bekommen«, schrieb der Maler Édouard Manet an seine Frau Suzanne, als sich Ende September 1870 das Elend schon anbahnte: Aufgebrachte Bürger warfen den Metzgern vor, sich zu bereichern. Goncourt beobachtete, wie der Laden eines Gemischtwarenhändlers aus Wut zerlegt wurde. Er hatte einem Soldaten, der die Stadt verteidigte, einen sauren Hering zum völlig überhöhten Preis verkauft. Wenige Tage später schrieb Goncourt:
»Heimtückisch schleicht sich das Pferdefleisch in die Pariser Ernährung ein. Gestern hat man mir bei Peters ein Roastbeef gebracht, an dem mein Malerblick jenes schwärzliche Rot argwöhnisch bemerkte, das von dem rosigen Rot des Rindes so verschieden ist. Der Kellner hat nur recht schwächlich versichert, dass dies Pferd Rind sei.«
Rattenragout und Geschnetzeltes vom Katzenrücken
Immerhin konnte Goncourt es sich noch leisten, wählerisch zu sein. Andere hätten für Pferdefleisch einiges gegeben. Das öffentliche Leben war weitgehend zum Erliegen gekommen. Wer keine Arbeit mehr hatte, konnte sich auch nichts mehr zu essen kaufen.
Die Regierung gab nun Lebensmittelkarten aus. In langen Schlangen vor Schlachtereien harrten Frauen, Kinder, alte Leute schon Stunden vor Tagesanbruch in der Kälte aus und mussten zuweilen feststellen, dass nichts mehr übrig war, als sie an die Reihe kamen. Die Preise stiegen rasant. Eine Ente etwa hatte vor dem Krieg sechs bis sieben Franc gekostet und war jetzt für das Vierfache zu haben. Selbst Maultier- und Eselsfleisch fand reißenden Absatz bei jenen, die es noch bezahlen konnten.
Foto: Leemage / imago images
Fotostrecke
Hungernde Hauptstadt: Als die Pariser den Zoo aufaßen
Kutschen wurden ein seltener Anblick, dafür gehörten fortan Hunde-, Katzen- und sogar Rattenmetzgereien zum Stadtbild. Doch Paris wäre nicht Paris, wenn nicht auch daraus exquisite Gerichte entstanden wären: Einige Wagemutige drangen per Selbstversuch, wie ein weiterer Tagebuchschreiber mit Galgenhumor festhielt, zum Wohl der Allgemeinheit »in bislang unbekannte Regionen der kulinarischen Kunst« vor. Sie organisierten ein »Entdeckungsmenu« mit zehn Gängen, darunter gewagte Kompositionen wie Spieß von der Hundeleber »à la maître d’hôtel«, Geschnetzeltes vom Katzenrücken oder Rattenragout mit »Sauce Robert«.
Ein weiterer Connaisseur beschrieb Katzen als sehr schmackhaft, wenn man sie mit Pistazien, Oliven, Gewürzgurken und Piment zubereite. Elegante Pariserinnen wandelten derweil ihre Ankleidezimmer in Hühnerställe um. Doch schon Mitte November verhungerten die ersten Menschen. Andere starben an Pocken, Lungenentzündung oder Bronchitis – auch die Kälte forderte ihre Opfer.
Ganz Paris ein Zuchthaus
In der ganzen Stadt hackten frierende Bürger die Bäume nieder oder verbrannten ihre Möbel, sogar Klaviere. Bald gab es kaum noch Heizmaterial, um das wenige, was es noch zu essen gab, zuzubereiten. Und kein Gas mehr für Privatleute, denn die Ballonproduktion und somit die Koordination der militärischen Führung hatte Vorrang.
Dann blieben auch noch die Brieftauben aus, denen die früh hereinbrechende Dunkelheit und die Kälte zusetzten. Zudem hatten die Preußen eigens Falken heranbeordert. Wochenlang lebten die Pariser in quälender Ungewissheit, ob von außen Rettung nahte, ob es sich also lohnte, trotz all der Entbehrungen weiter auszuharren – oder ob man sich besser gleich in das Unvermeidliche fügte. Goncourt schrieb resigniert:
»Es gibt nichts Peinlicheres als diesen Zustand, wo man nicht weiß, ob die Provinzarmeen in Corbeil sind oder in Bordeaux, ja nicht einmal, ob diese Armeen überhaupt sind oder nicht sind; es gibt nichts Grausameres, als in dieser Dunkelheit zu leben, in dieser Nacht, in dieser Unkenntnis des Tragischen, das einen doch bedroht. Es scheint wirklich, dass Herr von Bismarck ganz Paris in die Zelle eines Zuchthauses eingeschlossen hat.«
Auf den Straßen war die Not allgegenwärtig. »Es ist trübselig in einem Grad, den man sich nicht vorstellen kann«, schrieb Édouard Manet an seine Frau und malte, was er sah: Frauen, die vor Kälte gebeugt Schlange standen. Eine berühmte Karikatur aus jenen Wochen zeigt magere Gestalten, die einer hinter dem anderen im Rinnstein darauf lauern, dass sich eine Ratte aus der Kanalisation wagt.
Inmitten all dieser Trostlosigkeit tauchte Anfang Dezember zum ersten Mal Antilopen- und Büffelfleisch auf der Speisekarte eines Restaurants auf. Sicher war es schwierig geworden, die Tiere zu ernähren. Doch was oft als letzter verzweifelter Akt des Durchhaltewillens der Pariser präsentiert wird, kam schwerlich jenen zugute, die es am meisten gebraucht hätten. Das Fleisch ging exklusiv an zwei Schlachter am vornehmen Boulevard Haussmann.
»Wir sind alle mager wie Streichhölzer«
Der Schriftsteller Victor Hugo betonte gern, dass er fror, hungerte und litt ebenso wie der Rest der Bevölkerung. Er war jedoch einer der wenigen Glücklichen, auf deren Tellern das Fleisch der Zebras, Antilopen, Yaks landete. Oder das der Elefanten Castor und Pollux.
Wie stets, wenn es etwas zu sehen gab, war Edmond de Goncourt zur Stelle und inspizierte bei einem der Schlachter den Rüssel »des jungen Pollux«, den man an einem Ehrenplatz aufgehängt hatte. Er beobachtete, wie der Lehrling zwischen »allerlei exzentrischen Hörnern« Kamelnieren verkaufte, während der Inhaber selbst das Fleisch des Elefanten feilbot: »40 Franc das Pfund Fleisch und der Rüssel… Sie finden das teuer?«
Die Pariser mussten noch vier Wochen Hunger, Kälte und das finale Bombardement ertragen, bis am 28. Januar 1871 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde. »Es ist zu Ende«, schrieb Manet. »Es gab kein Mittel mehr, die Stadt zu halten. Wir sind alle mager wie Streichhölzer.« Manche waren aber magerer als andere, viele erlebten die demütigende Niederlage nicht einmal mehr.
Am selben Morgen, als der Chef des Café Voisin sein exotisches Menü vorbereitete, hatte Goncourt einen Soldaten fragen hören: »Weihnachtsfest? Bei uns sind fünf Soldaten im Zelt erfroren.«
13 BilderHungernde Hauptstadt: Als die Pariser den Zoo aufaßen
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Das tragische Ende von Castor und Pollux: Als die preußische Armee ab September 1870 monatelang Paris einkesselte, gingen die Vorräte bald zur Neige. Im Dezember wurden auch Zootiere geschlachtet – und zum Jahresende sogar die beliebten Elefanten Castor und Pollux erschossen, bis dato eine Publikumsattraktion. Dabei galt Elefantenfleisch als nicht gerade wohlschmeckend, aber in der Not war auch Rüsselsuppe nahrhaft.
Foto: Leemage / imago images
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In der Weihnachtsfleischerei: Die Zootiere aus den Pariser Tierparks Jardin des Plantes und Jardin d'Acclimation wurden exklusiv an zwei Schlachter am vornehmen Boulevard Haussmann geliefert. Dieser Holzschnitt zeigt, wie Besucher das exotische Fleisch inspizieren.
Foto: imago images / Photo12
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Auch Metzgereien für Hunde- und Katzenfleisch, wie auf dieser Illustration von Anfang Januar 1871, gehörten nun zum Pariser Stadtbild. Kutschen waren nur noch selten zu sehen – denn Pferde, Maultiere und Esel wurden vielfach ebenfalls geschlachtet.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
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Der Hunger treibt's rein: Dieses Ölgemälde zeigt den Schlachter Narcisse Chaillou (1835-1916), der Ratten 1870 in Paris für zwei Francs verkaufte.
Foto: Christophel Fine Art / Universal Images Group / Getty Images
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Eine Etage tiefer: Auf dieser berühmten Karikatur zur Hungersnot während der preußischen Belagerung drängen sich abgemagerte Pariser im Rinnstein und hoffen, dass Ratten aus der Kanalisation kommen.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
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Unter Beschuss: Als die Truppen des Kronprinzen von Sachsen und des Kronprinzen von Preußen Paris komplett eingeschlossen hatten, begann die Blockade am 19. September 1870 und endete am 28. Januar 1871. In den letzten Wochen ab Anfang Januar stand die Stadt stark unter Feuer; etwa 12.000 Granaten schoss die preußische Armee ab. Das Foto aus dem Archiv der Polizeipräfektur zeigt Ruinen in der Rue de la Roquette.
Foto: imago images / KHARBINE-TAPABOR
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Von dieser Artilleriestellung aus richtete eine preußische Batterie ihre Geschütze im Zuge der Belagerung auf Paris (Foto vom 1. Oktober 1870).
Foto: Hulton Archive / Getty Images
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Gruppenbild preußischer Belagerer im Osten von Paris: Die deutsche Armee rückte von allen Seiten auf Frankreichs Hauptstadt vor. Die Zahl der Toten und Verwundeten im Deutsch-Französischen Krieg wird beim Militär auf beiden Seiten auf 24.000 geschätzt, hinzu kamen Zehntausende ziviler Opfer.
Foto: imago images / Photo12
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Verteidigung: In Paris wurden mit Pflastersteinen Barrikaden errichtet, etwa am Quai Pelletier und am Pont d'Arcole. Diese Aufnahme machte der französische Fotograf Auguste Bruno Braquehais (1823-1875), einer der französischen Fotopioniere.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
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Kriegerische Pose: Im Deutsch-Französischen Krieg kämpfte auch Marie Antoinette Lix (1839-1909). Obwohl die französische Armee Frauen ablehnte, schloss sich die Erzieherin, von ihrem Vater militärisch ausgebildet, den Schützen in Lamarche an. Sie nahm an der Verteidigung von Vosges und Langres sowie an der Schlacht von Nompatelize im Oktober 1870 teil.
Foto: imago images / KHARBINE-TAPABOR
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Letzter Ausweg Himmel: Nach der verheerenden französischen Niederlage bei Sedan am 2. September 1870 kesselten die deutschen Truppen Paris und damit zwei Millionen Franzosen ein. Die Not machte erfinderisch: Mit Gasballons gelang der Durchbruch über die feindlichen Linien. So entkamen Politiker und Militärs, Unternehmer und Abenteurer. Mindestens ebenso wichtig war, dass die Ballons systematisch militärische Depeschen und Privatpost aus der Hauptstadt herausschleusten – sehr zum Ärger der Preußen, die versuchten, die Ballons abzuschießen. Das Foto zeigt den Ballon »Le Neptune« am 23. September 1870 auf dem Platz Saint-Pierre auf dem Montmartre, von wo aus viele Ballons starteten. Es war der erste von insgesamt 66 bemannten Gasballons, die im Zuge der Belagerung von Paris starteten; hinzu kamen noch wenige unbemannte, kleinere Ballons, die verloren gingen.
Foto: Nadar / Getty Images
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Ballonflucht aus dem belagerten Paris: Die Deutschen verfolgten argwöhnisch den Flug der Gasballons. Anfangs schossen sie etwas hilflos mit Gewehren auf sie. Dann entwickelte die Firma Krupp Geschütze, mit denen die französischen Ballons besser vom Himmel geholt werden sollten. Es waren die ersten Flugabwehrkanonen, denn bis dahin hatte sich der Krieg nur auf dem Boden abgespielt. Die Bemühungen waren mäßig erfolgreich: Nur der Ballon »Daguerre« wurde nachweislich getroffen, verlor Gas und musste notlanden. Allerdings berichteten viele Ballonfahrer, dass sie nur knapp den Geschossen der Preußen entkamen und ihnen mitunter die Kugeln um die Ohren pfiffen.
Foto: imago images / Photo12
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Triumph und Demütigung: Die Belagerung von Paris endete am 28. Januar 1871, tags darauf trat der Vertrag zum Waffenstillstand in Kraft. Bereits zuvor wurde das deutsche Kaiserreich noch auf dem Schlachtfeld und in der Fremde ausgerufen, im prächtigen Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Dort wurde am 18. Januar 1871 Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Bismarcks Traum – ein deutscher Nationalstaat unter preußischer Dominanz – war nach den Einigungskriegen gegen Dänemark 1864 und Österreich 1866 in Erfüllung gegangen. Die Franzosen vergaßen diese Demütigung nicht – und ließen die besiegten Deutschen ein halbes Jahrhundert und einen Weltkrieg später in Versailles die harten Bedingungen des Friedensvertrages von 1919 unterzeichnen.
Foto: DEA / G. DAGLI ORTI / Getty Images
Das tragische Ende von Castor und Pollux: Als die preußische Armee ab September 1870 monatelang Paris einkesselte, gingen die Vorräte bald zur Neige. Im Dezember wurden auch Zootiere geschlachtet – und zum Jahresende sogar die beliebten Elefanten Castor und Pollux erschossen, bis dato eine Publikumsattraktion. Dabei galt Elefantenfleisch als nicht gerade wohlschmeckend, aber in der Not war auch Rüsselsuppe nahrhaft.
Foto: Leemage / imago images
In der Weihnachtsfleischerei: Die Zootiere aus den Pariser Tierparks Jardin des Plantes und Jardin d'Acclimation wurden exklusiv an zwei Schlachter am vornehmen Boulevard Haussmann geliefert. Dieser Holzschnitt zeigt, wie Besucher das exotische Fleisch inspizieren.
Foto: imago images / Photo12
Auch Metzgereien für Hunde- und Katzenfleisch, wie auf dieser Illustration von Anfang Januar 1871, gehörten nun zum Pariser Stadtbild. Kutschen waren nur noch selten zu sehen – denn Pferde, Maultiere und Esel wurden vielfach ebenfalls geschlachtet.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Der Hunger treibt's rein: Dieses Ölgemälde zeigt den Schlachter Narcisse Chaillou (1835-1916), der Ratten 1870 in Paris für zwei Francs verkaufte.
Foto: Christophel Fine Art / Universal Images Group / Getty Images
Eine Etage tiefer: Auf dieser berühmten Karikatur zur Hungersnot während der preußischen Belagerung drängen sich abgemagerte Pariser im Rinnstein und hoffen, dass Ratten aus der Kanalisation kommen.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Unter Beschuss: Als die Truppen des Kronprinzen von Sachsen und des Kronprinzen von Preußen Paris komplett eingeschlossen hatten, begann die Blockade am 19. September 1870 und endete am 28. Januar 1871. In den letzten Wochen ab Anfang Januar stand die Stadt stark unter Feuer; etwa 12.000 Granaten schoss die preußische Armee ab. Das Foto aus dem Archiv der Polizeipräfektur zeigt Ruinen in der Rue de la Roquette.
Foto: imago images / KHARBINE-TAPABOR
Von dieser Artilleriestellung aus richtete eine preußische Batterie ihre Geschütze im Zuge der Belagerung auf Paris (Foto vom 1. Oktober 1870).
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Gruppenbild preußischer Belagerer im Osten von Paris: Die deutsche Armee rückte von allen Seiten auf Frankreichs Hauptstadt vor. Die Zahl der Toten und Verwundeten im Deutsch-Französischen Krieg wird beim Militär auf beiden Seiten auf 24.000 geschätzt, hinzu kamen Zehntausende ziviler Opfer.
Foto: imago images / Photo12
Verteidigung: In Paris wurden mit Pflastersteinen Barrikaden errichtet, etwa am Quai Pelletier und am Pont d'Arcole. Diese Aufnahme machte der französische Fotograf Auguste Bruno Braquehais (1823-1875), einer der französischen Fotopioniere.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Kriegerische Pose: Im Deutsch-Französischen Krieg kämpfte auch Marie Antoinette Lix (1839-1909). Obwohl die französische Armee Frauen ablehnte, schloss sich die Erzieherin, von ihrem Vater militärisch ausgebildet, den Schützen in Lamarche an. Sie nahm an der Verteidigung von Vosges und Langres sowie an der Schlacht von Nompatelize im Oktober 1870 teil.
Foto: imago images / KHARBINE-TAPABOR
Letzter Ausweg Himmel: Nach der verheerenden französischen Niederlage bei Sedan am 2. September 1870 kesselten die deutschen Truppen Paris und damit zwei Millionen Franzosen ein. Die Not machte erfinderisch: Mit Gasballons gelang der Durchbruch über die feindlichen Linien. So entkamen Politiker und Militärs, Unternehmer und Abenteurer. Mindestens ebenso wichtig war, dass die Ballons systematisch militärische Depeschen und Privatpost aus der Hauptstadt herausschleusten – sehr zum Ärger der Preußen, die versuchten, die Ballons abzuschießen. Das Foto zeigt den Ballon »Le Neptune« am 23. September 1870 auf dem Platz Saint-Pierre auf dem Montmartre, von wo aus viele Ballons starteten. Es war der erste von insgesamt 66 bemannten Gasballons, die im Zuge der Belagerung von Paris starteten; hinzu kamen noch wenige unbemannte, kleinere Ballons, die verloren gingen.
Foto: Nadar / Getty Images
Ballonflucht aus dem belagerten Paris: Die Deutschen verfolgten argwöhnisch den Flug der Gasballons. Anfangs schossen sie etwas hilflos mit Gewehren auf sie. Dann entwickelte die Firma Krupp Geschütze, mit denen die französischen Ballons besser vom Himmel geholt werden sollten. Es waren die ersten Flugabwehrkanonen, denn bis dahin hatte sich der Krieg nur auf dem Boden abgespielt. Die Bemühungen waren mäßig erfolgreich: Nur der Ballon »Daguerre« wurde nachweislich getroffen, verlor Gas und musste notlanden. Allerdings berichteten viele Ballonfahrer, dass sie nur knapp den Geschossen der Preußen entkamen und ihnen mitunter die Kugeln um die Ohren pfiffen.
Foto: imago images / Photo12
Triumph und Demütigung: Die Belagerung von Paris endete am 28. Januar 1871, tags darauf trat der Vertrag zum Waffenstillstand in Kraft. Bereits zuvor wurde das deutsche Kaiserreich noch auf dem Schlachtfeld und in der Fremde ausgerufen, im prächtigen Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Dort wurde am 18. Januar 1871 Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Bismarcks Traum – ein deutscher Nationalstaat unter preußischer Dominanz – war nach den Einigungskriegen gegen Dänemark 1864 und Österreich 1866 in Erfüllung gegangen. Die Franzosen vergaßen diese Demütigung nicht – und ließen die besiegten Deutschen ein halbes Jahrhundert und einen Weltkrieg später in Versailles die harten Bedingungen des Friedensvertrages von 1919 unterzeichnen.
Foto: DEA / G. DAGLI ORTI / Getty Images
Metzgerei am Boulevard Haussmann: Im Dezember 1870 wurden hier geschlachtete Zootiere verkauft
Foto: imago images / Photo12
Das tragische Ende von Castor und Pollux: Als die preußische Armee ab September 1870 monatelang Paris einkesselte, gingen die Vorräte bald zur Neige. Im Dezember wurden auch Zootiere geschlachtet – und zum Jahresende sogar die beliebten Elefanten Castor und Pollux erschossen, bis dato eine Publikumsattraktion. Dabei galt Elefantenfleisch als nicht gerade wohlschmeckend, aber in der Not war auch Rüsselsuppe nahrhaft.
Foto: Leemage / imago images
In der Weihnachtsfleischerei: Die Zootiere aus den Pariser Tierparks Jardin des Plantes und Jardin d'Acclimation wurden exklusiv an zwei Schlachter am vornehmen Boulevard Haussmann geliefert. Dieser Holzschnitt zeigt, wie Besucher das exotische Fleisch inspizieren.
Foto: imago images / Photo12
Auch Metzgereien für Hunde- und Katzenfleisch, wie auf dieser Illustration von Anfang Januar 1871, gehörten nun zum Pariser Stadtbild. Kutschen waren nur noch selten zu sehen – denn Pferde, Maultiere und Esel wurden vielfach ebenfalls geschlachtet.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Der Hunger treibt's rein: Dieses Ölgemälde zeigt den Schlachter Narcisse Chaillou (1835-1916), der Ratten 1870 in Paris für zwei Francs verkaufte.
Foto: Christophel Fine Art / Universal Images Group / Getty Images
Eine Etage tiefer: Auf dieser berühmten Karikatur zur Hungersnot während der preußischen Belagerung drängen sich abgemagerte Pariser im Rinnstein und hoffen, dass Ratten aus der Kanalisation kommen.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Unter Beschuss: Als die Truppen des Kronprinzen von Sachsen und des Kronprinzen von Preußen Paris komplett eingeschlossen hatten, begann die Blockade am 19. September 1870 und endete am 28. Januar 1871. In den letzten Wochen ab Anfang Januar stand die Stadt stark unter Feuer; etwa 12.000 Granaten schoss die preußische Armee ab. Das Foto aus dem Archiv der Polizeipräfektur zeigt Ruinen in der Rue de la Roquette.
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Von dieser Artilleriestellung aus richtete eine preußische Batterie ihre Geschütze im Zuge der Belagerung auf Paris (Foto vom 1. Oktober 1870).
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Gruppenbild preußischer Belagerer im Osten von Paris: Die deutsche Armee rückte von allen Seiten auf Frankreichs Hauptstadt vor. Die Zahl der Toten und Verwundeten im Deutsch-Französischen Krieg wird beim Militär auf beiden Seiten auf 24.000 geschätzt, hinzu kamen Zehntausende ziviler Opfer.
Foto: imago images / Photo12
Verteidigung: In Paris wurden mit Pflastersteinen Barrikaden errichtet, etwa am Quai Pelletier und am Pont d'Arcole. Diese Aufnahme machte der französische Fotograf Auguste Bruno Braquehais (1823-1875), einer der französischen Fotopioniere.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Kriegerische Pose: Im Deutsch-Französischen Krieg kämpfte auch Marie Antoinette Lix (1839-1909). Obwohl die französische Armee Frauen ablehnte, schloss sich die Erzieherin, von ihrem Vater militärisch ausgebildet, den Schützen in Lamarche an. Sie nahm an der Verteidigung von Vosges und Langres sowie an der Schlacht von Nompatelize im Oktober 1870 teil.
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Letzter Ausweg Himmel: Nach der verheerenden französischen Niederlage bei Sedan am 2. September 1870 kesselten die deutschen Truppen Paris und damit zwei Millionen Franzosen ein. Die Not machte erfinderisch: Mit Gasballons gelang der Durchbruch über die feindlichen Linien. So entkamen Politiker und Militärs, Unternehmer und Abenteurer. Mindestens ebenso wichtig war, dass die Ballons systematisch militärische Depeschen und Privatpost aus der Hauptstadt herausschleusten – sehr zum Ärger der Preußen, die versuchten, die Ballons abzuschießen. Das Foto zeigt den Ballon »Le Neptune« am 23. September 1870 auf dem Platz Saint-Pierre auf dem Montmartre, von wo aus viele Ballons starteten. Es war der erste von insgesamt 66 bemannten Gasballons, die im Zuge der Belagerung von Paris starteten; hinzu kamen noch wenige unbemannte, kleinere Ballons, die verloren gingen.
Foto: Nadar / Getty Images
Ballonflucht aus dem belagerten Paris: Die Deutschen verfolgten argwöhnisch den Flug der Gasballons. Anfangs schossen sie etwas hilflos mit Gewehren auf sie. Dann entwickelte die Firma Krupp Geschütze, mit denen die französischen Ballons besser vom Himmel geholt werden sollten. Es waren die ersten Flugabwehrkanonen, denn bis dahin hatte sich der Krieg nur auf dem Boden abgespielt. Die Bemühungen waren mäßig erfolgreich: Nur der Ballon »Daguerre« wurde nachweislich getroffen, verlor Gas und musste notlanden. Allerdings berichteten viele Ballonfahrer, dass sie nur knapp den Geschossen der Preußen entkamen und ihnen mitunter die Kugeln um die Ohren pfiffen.
Foto: imago images / Photo12
Triumph und Demütigung: Die Belagerung von Paris endete am 28. Januar 1871, tags darauf trat der Vertrag zum Waffenstillstand in Kraft. Bereits zuvor wurde das deutsche Kaiserreich noch auf dem Schlachtfeld und in der Fremde ausgerufen, im prächtigen Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Dort wurde am 18. Januar 1871 Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Bismarcks Traum – ein deutscher Nationalstaat unter preußischer Dominanz – war nach den Einigungskriegen gegen Dänemark 1864 und Österreich 1866 in Erfüllung gegangen. Die Franzosen vergaßen diese Demütigung nicht – und ließen die besiegten Deutschen ein halbes Jahrhundert und einen Weltkrieg später in Versailles die harten Bedingungen des Friedensvertrages von 1919 unterzeichnen.
Foto: DEA / G. DAGLI ORTI / Getty Images
Hoffen auf Ratten als Nahrung: Abgemagerte Pariser lugen in die Kanalisation