
KdF-Seebad Prora: Hitlers irrwitzige Vorstellung vom schönen Urlaub
KdF-Seebäder Hitlers Traum vom Braunwerden
"Die Idee dieses Seebades ist vom Führer selbst. Er sagte mir eines Tages, dass man nach seiner Meinung ein Riesenseebad bauen müsse, das Gewaltigste und Größte von allem bisher Dagewesenem." Dr. Robert Ley, Führer der Deutschen Arbeitsfront und des NS-Volksunterhalters "Kraft durch Freude" (KdF), gab dem Projekt einen unfehlbaren Anstrich: Der Koloss von Prora, seinerzeit auch das "Bad der Zwanzigtausend" genannt, sollte das größte Gebäude der Welt werden und eines der wenigen tatsächlich begonnenen Gigantomanen-Projekte nationalsozialistischer Bauwut.
Rügen war nicht der einzige Ostseestrand, den Ley auf Hitlers Geheiß für seine als Urlaubsorte getarnte Indoktrinationsanstalten im Blick hatte. Die Massentourismus-Pläne des Massenmörders stießen jedoch auf Widerstand.
Urlaubsreisen, Segelklubs, Ferienlager, ein Auto, Schiffe - Robert Ley, eigentlich Lebensmittelchemiker, sollte mit seiner Organisation KdF das deutsche Volk stark machen und auf Linie bringen, kriegsbereit für die Pläne des Diktators. "Wir schicken unsere Arbeiter nicht in Schiffen auf Urlaub oder bauen ihnen gewaltige Seebäder, weil es uns Spaß macht oder zumindest dem Einzelnen. Wir taten das nur, um die Arbeitskraft des Einzelnen zu erhalten", hieß es zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen Wehrmacht und KdF. Der urlaubswillige Untertan erfuhr das nicht. Das braune Wohlfühlprogramm fürs getäuschte Volk brachte vor 80 Jahren zwei bleibende Ergebnisse: den KdF-Wagen, den späteren VW Käfer, und das KdF-Bad Prora auf Rügen.
Thermosflaschen-Gäste unerwünscht
Die Planungen für dieses Seebad waren 1935 weit gediehen - und die für andere Bäder gleichen Typs auch: Bis zu zehn Anlagen für je 20.000 Urlauber soll Ley im Sinn gehabt haben, verhältnismäßig gesichert sind vier. Neben Rügen ist in Zeitungsberichten jener Zeit von KdF-Bädern in Timmendorfer Strand, bei Kolberg, nahe Danzig und in Ostpreußen die Rede - alle 200 Küsten-Kilometer eines. Ley war 1934 zumindest zweimal zu Verhandlungen in Kolberg, berichtet der Historiker Hieronim Kroczyski, Autor der Kolberger Chronik.
Ley wollte östlich des dortigen Amphitheaters eine "KdF-Stadt" bauen, musste den Plan jedoch aufgeben. Der Kreisleiter der NSDAP in Kolberg, Anton Gerriets, sowie der Gauleiter Pommerns in Stettin, Franz Schwede-Coburg, setzten sich an die Spitze des Protests: Die Kolberger wollten keine "Thermosflaschen-Kurgäste", weil diese wenig Geld im Ort ließen. In späteren Berichten wird nicht mehr Kolberg, sondern das weiter östlich gelegene Köslin als möglicher Standort genannt.

KdF-Seebad Prora: Hitlers irrwitzige Vorstellung vom schönen Urlaub
An der Lübecker Bucht erging es Badplaner Ley nicht anders. 1938 wandte sich der Landrat des Kreises Eutin direkt an die Deutsche Arbeitsfront, weil sich angesichts eines Zeitungsberichts über die geplanten KdF-Seebäder in Timmendorfer Strand und Umgebung ein Aufstand anbahnte. Er bekam postwendend eine Antwort, in der gar von zwei Seebädern an der Lübecker Bucht die Rede war, allerdings seien die Standorte noch unklar. KdF-Funktionäre ruderten danach kräftig zurück: Vor 1950 werde das sowieso nichts, und ihr Chef Ley habe mit Lübecker Bucht den Bezirk Mecklenburg gemeint. Die Ostseebäder im Kreis Eutin seien ja auch gar nicht geeignet. Ab Herbst 1939 wurden die Pläne ohnehin nicht weiter verfolgt.
Auf Rügen hingegen wurde das KdF-Bad gebaut, jedoch nie fertiggestellt. Am 30. Juli 1935 nahm Ley, wegen seiner Alkoholsucht auch "Reichstrunkenbold" genannt, dem Fürsten zu Putbus Teile des Prorer Wiek im Nordosten der Insel ab, eine schmale Landzunge zwischen den Seebädern Sassnitz und Binz. Ob der Fürst seinen Grund freiwillig abtrat, durch den Nachdruck Leys oder durch Nachschenken, ist nicht überliefert - die Verhandlungen fanden jedenfalls bei einem Frühschoppen statt.
Klotz' Entwurf
Wie Albert Speer Hitlers bevorzugter Architekt war, hatte auch Ley einen Leib-und-Magen-Planer, dessen Name für manchen Programm war: Clemens Klotz. Von ihm stammt letztlich der größte Teil dessen, was heute noch am Ostseestrand steht und in gewisser Weise der Archetyp der Bettenburg ist: ein mehr als vier Kilometer langer Komplex aus schmalen, sechsgeschossigen Gebäuden mit angewinkelten Treppenhäusern direkt am Strand und eine gigantische Kaimauer. Architektonisch gilt der Entwurf jedoch nicht als klassische Nazi-Architektur und gewann 1937 bei der Weltausstellung in Paris sogar einen Preis.
Die Vorgaben für den ausgerufenen Architektenwettbewerb waren unmissverständlich: Platz für 20.000 Menschen und rund 2000 Mitarbeiter, alle Zimmer mit Ostseeblick, eine Anlegestelle für KdF-Schiffe wie die "Der Deutsche" oder die noch im Bau befindliche "Wilhelm Gustloff", Restaurants, Theater - und ein Versammlungsort für alle 20.000 Urlauber. Der Sinn letzter Maßgabe war klar: In der Festhalle sollten die Arbeiter auf Führer und Partei eingeschworen werden. Und Hitler dachte auch in den Krieg: Das Bad solle als Lazarett dienen können.
Für damalige Verhältnisse war das KdF-Bad Prora, das auch als Bad Mukran, Binz oder Rügen bekannt ist, gut ausgestattet. Der deutsche Arbeiter sollte sich in Zimmern von 2,5 mal 5 Metern erholen, die man für Familien auch untereinander verbinden konnte und die beheizbar waren. Die Einrichtung war schlicht, der Weg zum Strand dafür kurz. Die Gebäude schmiegten sich an den Küstenverlauf, alle 500 Meter unterbrochen von so genannten Gemeinschaftshäusern mit Restaurants und Freizeiträumen, die fast bis ans Wasser reichten. Zwei Hallenwellenbäder waren geplant, in den Wohntrakten gab es überdachte Terrassen - das KdF-Bad sollte nicht nur in den wenigen Sommerwochen seinen Zweck erfüllen, sondern auch darüber hinaus möglichst viele Arbeiter im Urlaub braun werden lassen. Ley, der 1945 einer der Hauptangeklagten im Nürnberger Prozess war und Selbstmord beging, überließ nichts dem Zufall: Geschirr und selbst Strandutensilien wurden eigens fürs KdF-Bad kreiert, damit aus der Massenveranstaltung kein Individualtourismus wurde.
Bad der 1000
Ein Urlauber hat Prora im "Dritten Reich" nie betreten. Nach der ideologisch terminierten Grundsteinlegung am 2. Mai 1936, dem Jahrestag der Zerschlagung der Gewerkschaften, ging erstmal nichts voran. Bis 1939 waren die Bettenhäuser immerhin im Rohbau fertig, auch die Fundamente einiger Gemeinschaftshäuser und ein Theater, dazu einige Wohnkomplexe in der Nähe und in Binz. Die gigantische Festhalle, einen Aussichtsturm und die Hallenbäder aber gab und gibt es nur auf Zeichnungen. Mit Kriegsbeginn wurden die tausenden Bauarbeiter abgezogen.
Im Krieg war das Beinahe-KdF-Bad Heimat für ausgebombte Hamburger und Ausbildungsort für Polizeieinheiten, die an der Ostfront für diverse Gräueltaten verantwortlich waren. Nach dem Krieg übernahm die Rote Armee die Ruinen. Dort, wo nach den Nazi-Plänen die Urlauber aufmarschieren sollten, lagerten die Russen Panzer. 1962 zogen sie ab, Soldaten der NVA ein. Die DDR ließ die massiven Gebäude mangelwirtschaftlich aus- und umbauen, sie dienten bis 1990 als Kaserne und Offiziersschule.
25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen noch immer weite Teile des inzwischen denkmalgeschützten Bads leer. Eine Jugendherberge belegt einen kleinen Teil, ein anderer dient als Appartementhaus und ein weiterer für Ausstellungen. Die Wucht des Klotzschen Entwurfs ist geblieben, auch wenn inzwischen zwischen Bauten und Strand ein Wald gewachsen und die gesamte Anlage nur aus der Luft zu überblicken ist.
Seinem Ur-Zweck diente das "Bad der Zwanzigtausend" nur als Bad der 1000: Die NVA unterhielt in Prora ein Offizierserholungsheim, das die Bundeswehr nach der Wende schloss.