
Adam Lambert: "Ich habe schon oft die Queen-Texte vergessen"
Chung Sung-Jun / REUTERS
Queen-Sänger Adam Lambert In den Riesenschuhen von Freddie Mercury
SPIEGEL: Mr Lambert, wo wären Sie in diesen Tagen ohne den Lockdown?
Adam Lambert: Ohne Covid hätte ich im Sommer eine Tournee mit Queen gespielt und wäre jetzt auf Solotour. Es kam anders. Stattdessen bin ich in London und schreibe an einem Musical.
SPIEGEL: Als erstes Queen-Live-Album mit Ihnen als Sänger ist jetzt "Live Around the World" erschienen – ein Tour-Ersatz?
Lambert: Ja, die Pandemie ist einer der Gründe dafür. Seit Jahren haben wir so viele Shows mitgeschnitten, dass die Archive knallvoll sind und wir eine tolle Auswahl hatten. Es ist eine gute Überbrückung, bis wir hoffentlich nächstes Jahr die Tour nachholen können.
SPIEGEL: Waren Sie als Kind ein Queen-Fan?
Lambert: Ehrlich gesagt habe ich Queen erst mit Verzögerung für mich entdeckt. Die großen Hits kannte ich natürlich, bin zum Fan aber erst in meinen Zwanzigern geworden. "Bohemian Rhapsody" hörte ich das erste Mal im Film "Wayne's World" und habe die Bedeutung von Queen erst spät verstanden. Ich war vor allem von Freddie und seiner Geschichte fasziniert, was auch daran lag, dass ich ebenfalls schwul bin und theatralische Auftritte liebe.
SPIEGEL: 2009 kamen Sie groß raus, als Sie in der US-Castingshow "American Idol" Queens "Bohemian Rhapsody" a cappella aufführten. Wie viel Selbstbewusstsein braucht man, um sich mit so einem komplexen Song in eine Talentshow zu wagen?
Lambert: Ich war nervöser, als Sie ahnen. Wahnsinnig nervös. Der Song ist schwierig, es war ein entscheidender Moment in der Show – das alles hatte ich im Kopf. Und um an den Auditions überhaupt teilnehmen zu können, hatte ich meinen Job im Theater gekündigt. Was schon ein Risiko war, denn ich hatte nichts in der Hand. Also habe ich für die vage Möglichkeit, dass mich die Juroren mögen, wirklich alles auf eine Karte gesetzt.
SPIEGEL: Eigentlich wollten Sie etwas von Michael Jackson singen…
Lambert: ... stimmt. "Rock with You". Aber die Juroren rieten mir zu einer Alternative: "Was haben Sie denn sonst noch so zu bieten?" Und so kam ich auf Queen. Klar, es ist ein sehr kniffliger Song, aber er zeigt auch, was man drauf hat oder eben nicht. Zu mir passt "Bohemian Rhapsody" gut, weil ich damit beweisen kann, was mit meiner Stimme alles möglich ist.
SPIEGEL: Sie beeindruckten auch Brian May und Roger Taylor. Wie schnell nahmen die Queen-Musiker Kontakt zu Ihnen auf?

Adam Lambert: "Ich habe schon oft die Queen-Texte vergessen"
Chung Sung-Jun / REUTERS
Lambert: Nach "American Idol" ließ ihr Management mir ausrichten, das wir irgendwann mal was zusammen machen müssten, was für mich natürlich irre war. Dann kam die Einladung, mit ihnen ein Queen-Medley bei den MTV-Europe-Awards aufzuführen.
SPIEGEL: Haben Sie sofort zugesagt, als das Angebot folgte, mit Queen auf Tour zu gehen?
Lambert: Ich habe keine Sekunde gezögert. Mir ist aber klar, in was für große Schuhe ich mich da wage. Und natürlich habe ich mir den Kopf zerbrochen, was die Fans denken werden. Mir war bewusst, dass ich mich mit diesem Job auf geweihten Boden wagen würde. Zwei Stunden lang vor Queen-Fans diese legendären Songs zu singen, jagte mir zu Beginn einen Riesenschreck ein.
SPIEGEL: Wie viele Queen-Songs mussten Sie vor dem ersten gemeinsamen Konzert lernen?
Lambert: Ich hatte neun Tage Zeit vom Angebot bis zur ersten Show, die zwei Stunden dauern sollte. Die großen, ikonischen Queen-Hits waren mir vertraut, aber viele der nicht so bekannten Album-Tracks kannte ich nicht – diese Favoriten von Brian und Roger musste ich lernen. Die erste Show in der Ukraine war total stressig. Einige Songs haben sehr viel Text. Den musste ich mir in so kurzer Zeit perfekt merken, dazu die Struktur und das Timing der Songs verinnerlichen: Wie lang ist das Gitarrensolo, bis ich wieder an der Reihe bin?
SPIEGEL: Haben Sie auf der Bühne schon mal einen Text vergessen?
Lambert: Ziemlich oft sogar, aber ich bin ganz gut darin, das zu überspielen. Manchmal bringe ich die Texte und Strophen einfach durcheinander, lasse mich davon aber nie aus dem Konzept bringen – ich lache dann kurz, schon geht's weiter, sodass die Fehler wirklich kaum einer bemerkt.
SPIEGEL: Anfangs haben sich manche Fans schwer mit Ihnen getan, das scheint überwunden. Seit wann fühlen Sie sich akzeptiert?
Lambert: Natürlich war die Idee, dass Queen mit einem anderen Sänger arbeitet, für Fans lange gewöhnungsbedürftig. Zu Beginn mussten sich viele wohl überwinden, uns eine Chance zu geben, dann hatten sie doch ihren Spaß. Ich denke, dass ich mir einfach ihren Respekt erarbeitet habe. Außerdem bin ich mit den Jahren wirklich besser geworden, weil mir das Repertoire ins Blut übergegangen ist. Ich habe meine Bewährungszeit überstanden und wurde aufgenommen.
SPIEGEL: Was hat der enorm erfolgreiche Queen-Film "Bohemian Rhapsody" verändert?
Lambert: Erfolg hatten wir bereits vor dem Film, jetzt noch mehr. "Bohemian Rhapsody" hat eine neue junge Generation von Fans mobilisiert. Seitdem kommen auch immer mehr Familien zu unseren Shows. Dass wir dann noch gemeinsam bei der Oscarverleihung aufgetreten sind, war natürlich die Krönung.
SPIEGEL: Auf dem neuen Album steht "Queen + Adam Lambert". Warum nicht einfach Queen?
Lambert: Weil es eben eine Kollaboration ist. Die Band hat immer respektiert, dass ich auch meine Solokarriere mit eigener Musik habe. Und Queen ist etwas Heiliges: Sie haben so viele große Songs produziert. Aber ich bin nicht ihr Angestellter, sondern eine eigenständige Persönlichkeit. Dieser gegenseitige Respekt macht die Zusammenarbeit so wunderbar. Und die Rollen sind klar verteilt: Es ist offensichtlich, dass Brian und Roger bei Queen den Ton angeben. Dennoch habe ich eine eigene Meinung, und sie akzeptieren, dass ich mich einbringe in unsere Arbeit: Wie gehen wir den Song an? Wie wird die Bühne aussehen? Das sind auch gemeinsame Entscheidungen.
SPIEGEL: Es war immer klar, dass Sie Freddie Mercury nicht ersetzen würden, oder?
Lambert: Exakt, das ist der Punkt. Freddie ist nicht zu ersetzen. Er war einzigartig. Mir war von Beginn an klar, dass es nicht darum gehen würde, seine Rolle zu übernehmen. Das kann absolut keiner. Ich sehe unsere Show eher als Feier und Würdigung seiner großen Lebensleistung. Ich habe Freddie nie imitiert, bewundere ihn aber.
SPIEGEL: Hätten Sie sich mit Freddie verstanden?
Lambert: Ich bilde mir ein, dass wir gut miteinander ausgekommen wären. Brian und Roger glauben das jedenfalls.
SPIEGEL: Ist vorstellbar, dass es irgendwann ein Album mit ganz neuen Songs von Ihnen und Queen geben wird?
Lambert: Das weiß man natürlich nie. Letztlich basiert unsere Zusammenarbeit auf gemeinsamen Konzerten. Die Fans freuen sich, die alten Songs mit uns noch mal live zu erleben. Aber Queen ist Queen, ganz neue Songs wären etwas ganz anderes.