
Sexsymbole der Siebziger: Blondinen, Schnauzer und Nylonhemden
Sexsymbole der Siebziger Trau keinem über Sexzig
Die 68er hatten die sexuelle Revolution ausgerufen - in den siebziger Jahren versuchten die Deutschen, sie im Alltag tatsächlich zu leben. "Drei Wochen im Puff" lautete 1971 die Schlagzeile auf dem mit nackten Titelmodellen bestückten Cover des Zeitgeist-Magazins "twen". Oder auch "Jetzt noch mehr Orgasmen!" Die Konkurrenz von "Quick" und "Stern" gab sich kaum weniger freizügig, dafür etwas chauvinistischer: Das "Abenteuer, heute ein Mann zu sein", erhob die "Quick" zum Titel, illustriert von einem Herrn im Anzug - und zwei nackten Frauen. Eine Flut von gutgemeinten Sex-Ratgebern ("Muss eine Frau die Pille nehmen, wenn ihr Mann es verlangt?") zeigten gleichzeitig, dass der Traum von der sexuellen Befreiung alles andere als ein Selbstgänger war.
Der Spagat zwischen totaler Freiheit und totaler Verunsicherung brachte die doch angeblich unverrückbare Definition des Sexsymbols ins Wanken - wenigstens für eine Dekade lang. Wie kein anderes Jahrzehnt haben die Siebziger sexy Frauen und Männer zu Stars gemacht, die nicht mehr völlig entrückt, sondern diesseitig, echt, sogar erreichbar erschienen wie kaum je zuvor. Es war das Jahrzehnt, in dem Schönheit noch nicht genormt und die Busen noch nicht operiert waren, es war das Jahrzehnt, in dem nicht nur Maße und Muckis Stars machten, sondern die Ausstrahlung die wahren Sexsymbole ausmachte.

Sexsymbole der Siebziger: Blondinen, Schnauzer und Nylonhemden
Die verstorbene Farrah Fawcett war eine davon. Für Millionen war sie ein blonder Engel, der sich auf ihrem legendären Badeanzug-Poster von 1976, das über ungezählten Teenager-Betten hing, auf die Erde herabbegeben hatte. Dabei war das Foto, das sie als Sexsymbol unsterblich machte, sogar für damalige Verhältnisse eher züchtig. Dennoch elektrisierte es eine ganze Generation - und ist mit zwölf Millionen verkauften Exemplaren bis heute das meistverkaufte Pin-up-Poster aller Zeiten. Dennoch hätte der Weltstar aus "Drei Engel für Charlie" wohl keine Hysterie ausgelöst, wenn sie irgendwann auf der Tanzfläche irgendeiner Disco aufgetaucht wäre.
Die deutschen Sexbömbchen
Neben der löwenhaften Farrah Fawcett konnte damals aber auch eine androgyne Lolita wie die junge Nastassja Kinski die Phantasie der Zeitgenossen fesseln. Als die Kinski 1977 in dem bis heute legendären Tatort "Reifezeugnis" eine Schülerin spielte, die eine tödliche Affäre mit ihrem Lehrer hat, saß ganz Deutschland gebannt vor den Fernsehgeräten. Und als sich die 19-Jährige von Star-Fotograf Richard Avedon für "Vogue" nackt mit einer Boa Constrictor um den Körper geschlungen ablichten ließ, verloren Millionen Männer endgültig den Verstand - obwohl auf dem Bild, das sofort zur Ikone wurde, nicht einmal ansatzweise ein Busen oder gar mehr zu sehen war.
Natürlich brachte das Aufeinandertreffen von Hippiekultur und Spießertum gerade in den Siebzigern auch allerlei Sumpfblüten hervor: Pseudo-aufklärerische Filmreihen wie "Schulmädchenreport", die schlüpfrige Erotiksaga "Emmanuelle" oder die schwüle Ästhetik des britischen Lolita-Fotografen David Hamilton ("Bilitis"). Und es war dieser Kontext, in dem hierzulande das deutsche Sexbömbchen Ingrid Steeger in der Spaßrevue "Klimbim" zur frivolen Oben-Ohne-Attraktion im Fernsehen wurde - im öffentlich-rechtlichen, wohlgemerkt.
Aber schon damals wurden der Weg gewiesen für Trends, die sich in der breiten Gesellschaft erst heute richtig zeigen. Rockstars wie Mick Jagger und David Bowie experimentierten mit Geschlechterrollen, für die erst 20 Jahre später der Begriff "Metrosexualität" erfunden wurde. Und auch Porno, heute fast schon Mainstream, erlebte damals seinen ersten Höhepunkt als Kulturform mit US-Produktionen wie "Deep Throat" und "Behind the green door". Und auch in Europa scheute sich Gérard Depardieu 1976 nicht, seinen erigierten Penis in "Die letzte Frau" auf der Leinwand zu zeigen.
Erträglicher Machismo
Überhaupt, die männlichen Sexsymbole. Vielleicht niemals zuvor gab es so viele wie in den siebziger Jahren: vom unsublimierten, dennoch erträglichen Machismo von Robert Redford über den gut gekühlt genossenen Sex-Appeal eines Björn Borg bis hin zum erotischsten Hüftschwinger seit Elvis, dem jungen John Travolta in "Saturday Night Fever" von 1977.
Im Rückblick waren die Siebziger ein Rausch - freie Liebe, ziemlich freie jedenfalls, nicht mehr nur für Hippies und Groupies, sondern auch für Angestellte und Hausfrauen. Das Ende des durchsexten Jahrzehnts lässt sich ziemlich genau datieren: Am 1. Dezember 1981 wurde erstmals Aids diagnostiziert. Der fröhliche Hedonismus von '68, den die Siebziger demokratisiert hatten, war passé. Ab nun herrschte kühle, inszenierte Körperlichkeit.