Fotostrecke

Simone de Beauvoir: Die Mutter des Feminismus

Foto: NDR

Simone de Beauvoir Die Frau, die das Wesen der Männer entlarvte

Sie war stark, sie war schön und sie lehrte die Männer das Fürchten: am 9. Januar 1908 wurde Simone de Beauvoir geboren. Die Schriftstellerin Alexa Hennig von Lange skizziert die revolutionären Ideen der französischen Feministin - und offenbart ihr wahres Vermächtnis.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Themenkreis "Geschlechterkampf" ist komplex. Zumindest war er das noch als ich geboren wurde. 1973, kurz nachdem sich die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir im Alter von 62 Jahren als aktive Feministin in ihrer Heimat für das Recht auf Abtreibung eingesetzt hatte. Doch bereits 1949 hatte sie in ihrer umfassenden feministischen Analyse "Das andere Geschlecht" über die anhaltend schwierige Situation der Frau ausführlich referiert. Sie war gegen die "natürliche Rolle der Frau" oder gegen die Beschränkung auf ihre ursprüngliche Funktion - Kindern Leben zu schenken - und die damit einhergehenden Verpflichtungen, wie Erziehung und Haushaltsführung alleine zu übernehmen.

Ich weiß das so genau, weil ich mit bestimmten Sätzen der am 9. Januar 1908 in Paris geborenen Simone de Beauvoir großgezogen wurde. Allerdings entschlüsselte ich sie erst viel später als die Aussagen der "bedeutendsten feministischen Theoretikerin des 20. Jahrhunderts", wie Alice Schwarzer sie einmal bezeichnete. Bis dahin hielt ich sie schlicht für die persönlichen Schlussfolgerungen meiner Mutter. Simone de Beauvoirs ermutigenden Aufforderungen an die um Gleichberechtigung kämpfenden Frauen wurden mir - wie man so schön sagt - in die Wiege gelegt.

So möchte ich fast beschwören, zumindest habe ich den Eindruck, der erste Satz, den meine Mutter zu mir sagte, als ich kurz nach meiner Geburt hilflos in ihren Armen lag, lautete: "Mach dich nie von einem Mann abhängig." Oder vielleicht war es sogar der Ratschlag: "Heirate nie!" In jedem Fall wurde mir relativ schnell bewusst, dass es zwischen Mann und Frau ungeklärte Momente gab, die sich wohl nie würden auflösen lassen, da der Mann eine Art Schreckgespenst zu sein schien, dem man nur entkommen konnte, indem man sich ihm gar nicht erst anheim gab.

Papa ist nicht von Natur aus böse

Welchen Grund hätten sonst die Warnungen meiner Mutter haben sollen, die übrigens nicht nur von ihr, sondern auch von ihren Freundinnen aus Studienzeiten Mantra-artig vor uns, ihren mit Puppen spielenden Töchtern, wiederholt wurden? Natürlich war es nicht die Schuld dieser Frauen, dass meine Spielkameradinnen und ich in dem Glauben aufwuchsen, dass es zwischen Mann und Frau niemals funktionieren würde, dass sie sich immer weiter bekriegen würden, dass es klüger sei, sich als Frau mental zu stärken, um den Kampf gegen das andere Geschlecht aufzunehmen, um uns durchsetzen zu können, um uns niemals unterdrücken zu lassen.

Fotostrecke

Simone de Beauvoir: Die Mutter des Feminismus

Foto: NDR

Es ging unseren Müttern darum, uns heranwachsenden Mädchen begreiflich zu machen, dass wir nicht weniger wert waren, als "die Männer". Uns sollte es später "besser" gehen - das bedeutete, wir sollten zukünftig die Freiheit haben, uns jederzeit vom Mann lossagen zu können, ohne finanziellen oder gesellschaftlichen Schaden zu nehmen.

Die Schwierigkeit war nur, einem Kind begreifbar zu machen, dass die Mutter nicht nur aus ihrem eigenen, persönlichen Schicksal heraus argumentierte, dass also "Papa" nicht gleichzusetzen war mit dem frauenfeindlichen "Mann" an sich. Dass eben "Papa" nicht wie die anderen von Natur aus böse, gefühllos, chauvinistisch und egoistisch, geradezu beschränkt war. Sondern die Männer aufgrund der ihnen einstig zugeschriebenen Rolle des "Patriarchen" eben diese eingenommen hatten, ohne sie zu überdenken - geschweige denn ablegen zu können. Für solch ein Unterfangen musste das Mann-Frau-Verhältnis, das jeweilige Denken und Handeln von Mann und Frau erst umstrukturiert werden. Daran arbeiteten unsere Mütter. Mit Erfolg!

Der Argwohn dem Partner gegenüber ist geblieben

Es brauchte Zeit, bis ich endlich begriff, dass der Geschlechterkampf keine private Angelegenheit war, sondern diese Frauen, die wütend bei uns ein- und ausgingen, das kollektive weibliche Bewusstsein der damaligen Zeit widerspiegelten. Das kollektive Bewusstsein, die Zustände, die Simone de Beauvoir dazu verleiteten, an die Frauen dieser Welt Ratschläge zu erteilen, die sich, situationsbedingt, temporär gegen den Mann an sich richten mussten - allerdings nicht grundsätzlich.

In diversen Interviews mit Alice Schwarzer machte Simone de Beauvoir in den Jahren zwischen 1972 und 1982 deutlich, worauf es im Verhältnis zwischen Mann und Frau hinauslaufen müsse, um - und dies ist die Kernaussage ihres Werkes - ein gleichberechtigtes Leben zu gewährleisten, in dem sich Mann und Frau in erster Linie als Menschen erkennen und respektieren.

In den vergangenen 35 Jahren hat sich, was den Geschlechterkampf anbelangt, viel getan. Mann und Frau haben gelernt, sich aufeinander zu zu bewegen, sich gegenseitig zu unterstützen - im Beruf wie im familiären Kontext. Doch der Argwohn dem Partner gegenüber ist geblieben.

Was zählt, ist ein Beruf

Auch wenn sich Simone de Beauvoir für die Abschaffung der Familie aussprach, selbst über 40 Jahre lang in einer "offenen Beziehung" mit ihrem Schriftstellerkollegen Jean-Paul Sartre zusammenlebte, jeder für sich eine Wohnung beanspruchte, um, wie die Schriftstellerin es einmal sagte, nicht Gefahr zu laufen, in die klassische Frauenrolle abzurutschen, sie niemals Kinder bekam, um sich in keinerlei Abhängigkeit zu begeben, hat sie doch in ihrem Erzählband "Eine gebrochene Frau" Ende der sechziger Jahre einen Monolog verfasst, der hellsichtig beschreibt, mit welch großem Geschenk Mann und Frau, Mutter und Vater, berufstätige Partner, die ihr Leben miteinander verbracht haben, am Ende belohnt werden. Sie haben das Glück, auf eine reiche, gemeinsame Vergangenheit zurückblicken, ohne sich gegenseitig mutwillig beschnitten zu haben.

Dennoch sagte Simone de Beauvoir einige Jahre später in einem Interview mit Alice Schwarzer: "Was aber vor allem zählt, wenn man wirklich unabhängig sein will, das ist ein Beruf, das ist die Arbeit. Den Rat gebe ich allen Frauen, die mich fragen. Das ist die notwendige Voraussetzung, die es ihnen erlaubt, sich scheiden zu lassen, wenn sie es wollen. So können sie sich selbst und ihre Kinder ernähren, sie sind nicht abhängig und können ihr Leben realisieren."

Anzeige

Claudia Voigt (Hrsg.):
Simone de Beauvoir

Frau - Denkerin - Revolutionärin

SPIEGEL E-Book; 2,99 Euro.

Shoplink Claudia Voigt: "Simone de Beauvoir" - Amazon 

Es wird Zeit, den Absprunggedanken durch den festen Glauben an Partnerschaft zu ersetzen. Wir sind soweit. Simone de Beauvoir wusste längst von der Unersetzbarkeit der durch Treue geprägten Liebe zwischen Mann und Frau und der unzerstörbaren Verbindung zwischen Eltern und ihren Kindern. "Das Alter der Vernunft" ist ein Monolog über das Leben und die Liebe. Die Partnerschaft zwischen Mann und Frau, so, wie sie aufeinander hin angelegt sind. Als ein Ganzes.

Alexa Hennig von Lange wurde 1973 in Hannover geboren und schrieb mit 13 Jahren ihre ersten Kurzgeschichten. Sie arbeitete für die TV-Produktionen "Das wahre Leben" und "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" und veröffentlichte 1997 ihren ersten Roman "Relax", der von Existenzängsten, Drogen, Freundschaften, Sex und Liebe unter Jugendlichen handelt. Weitere Romantitel sind "Ich bin's", "Ich habe einfach Glück", "Woher ich komme" und "Erste Liebe".

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten