
Skurrile Schwarzweißfotos Jeder Knips ein Knaller

Es könnte ein ganz normales Hochzeitsfoto sein: vorn das glückliche Brautpaar, dahinter die Herren in dunklen Anzügen und die Damen mit makellos weißen Kleidern und breitkrempigen Hüten.
Doch die feine Gesellschaft schwebt in der Luft. Und zwar auf einem Ding, das aussieht wie ein riesiges Tablett aus Stein. Darauf sitzen, wie von einer höheren Kraft kunstvoll drapiert, 23 Menschen, dicht an dicht, die Beine lässig über dem Nichts baumelnd. Sie wirken entspannt und angstfrei, trotz der offenbar großen Höhe: Direkt unter ihnen sind Häuser und ein Fluss zu erkennen.
Was war da los? Das vergilbte Schwarzweißfoto, vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen, stellt den Betrachter sofort vor ein Rätsel und wirft das Kino im Kopf an. Wie sind diese 23 Menschen in ihrer edlen Kostümierung bitte in solch schwindelerregende Höhen gekommen?
Unerbittliche Pinguine und eine reitende Fledermaus
Dabei gibt es noch viel wildere und skurrilere Fotos aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts: Da wird ein Kleinkind von einer Horde Pinguine verfolgt. Batman salutiert vom Rücken eines Elefanten. Ein Farmer posiert mit ernstem Gesicht vor einem Schild mit der Aufschrift: "Wir haben keinen Dinosaurier." Ein Dreijähriger schießt mit einem Fußball auf ein Tor, in dem sich ein Pandabär wälzt. Eine Frau mit auffällig spitzen Brüsten beugt sich über ein metergroßes Modell einer Riesengewürzgurke. Und dann ist da noch dieses Haus, das so aussieht, als ob es einst ein riesiger Tetris-Würfel getroffen habe - in der Mitte zweier Haushälften klafft eine quadratische Lücke.
Das Erstaunliche an solchen Aufnahmen ist, dass sie nicht so recht passen wollen zu einer Zeit, die wir heute oft mit Arbeitswut, Prüderie und Humorlosigkeit verbinden - und in der die Menschen noch nicht mit Photoshop und Facebook im Sekundentakt bizarre Fotos von sich präsentieren konnten. Die Gier zur Selbstdarstellung, die Lust an der Selbstironisierung, der Drang, Aufmerksamkeit zu erregen - das alles schien ein Phänomen des digitalen Zeitalters zu sein.
Vielleicht ein Irrglaube. Inzwischen kursieren Hunderte alte, oft unerklärliche Schwarzweißfotos im Internet. Und sie finden auf Seiten wie black and WTF zahlreiche Liebhaber, gerade weil sie Erwartungen brechen und viele Interpretationen zulassen: so etwa das Bild eines kleinen Mädchens, in einer Hand eine Pistole, in der anderen eine US-Flagge. Auffällig: Das Kind hat das Gesicht einer Greisin. Oder die Aufnahme einer nackten Frau, die anscheinend zum harmlosen Plausch neben einem Skelett auf dem Sofa sitzt. Oft ist völlig unklar, wann und warum solche Fotos entstanden sind - oder ob sie vielleicht nicht doch nachträglich auf Alt getrimmt wurden.
Spielen mit einem neuen Medium
Eines scheint sicher: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts gab es einen gehörigen Hang, sich in obskuren Situationen zu präsentieren. Befeuert wurde diese Entwicklung durch die Massenproduktion von Kameras. Auf einmal war die Fotografie nicht mehr exklusive Domäne der Reichen und technisch Versierten. Schon Modelle wie die "Kodak Nr. 1" aus dem Jahr 1888 hatten das Fotografieren vereinfacht.
Nachdem Fotoplatten durch Papier und Papier durch Zelloid ersetzt worden war, begannen Unternehmer wie Kodak-Gründer George Eastman, die Kamera als Jedermann-Produkt zu vermarkten. Eastmans erfolgreicher Werbespruch: "You press the button, we do the rest" - "Sie drücken den Knopf, wir kümmern uns um den Rest."
Mit den günstigen Apparaten schossen Anfang des 20. Jahrhunderts etliche Fotostudios aus dem Boden. Als in Großbritannien 1902 die staatliche Post erstmals das Schreiben auf der Rückseite von Postkarten (statt nur auf der Bildseite) erlaubte, löste allein dies einen kleinen Boom der Studios aus. Viele Briten posierten nun bereitwillig vor der Kamera. Sie lernten, mit dem neuen Medium zu spielen, seine Grenzen auszureizen, mit Perspektive, Bildausschnitt und Belichtung groteske Effekte zu erzielen.
Aus ihrem Kontext gerissen, wecken diese alten Schwarzweißaufnahmen Jahrzehnte später die Neugierde der bildverliebten Generation Facebook. Doch manche der Rätsel lassen sich aufklären.
Des Riesengurken-Rätsels Lösung
So auch die Aufnahme von der Hochzeitsgesellschaft in luftiger Höhe. Das Foto wurde auf einem schirmförmigen Felsen namens "Umbrella Rock" an einem Aussichtspunkt in der Nähe der Stadt Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee aufgenommen. Aus einem bestimmten Blickwinkel fotografiert, wirkt der nur gut zwei Meter hohe Plateaufelsen so, als schwebe er weit über dem Fluss Tennessee.
Auch die junge Frau vor der riesigen Gurke ist zu erklären: Sie hieß Ruth Brand und trat bei der "National Pickle Week" auf - der Nationalen Essiggurken-Woche. Selbst für das merkwürdig zerstörte Haus mit der quadratischen Lücke findet sich im Internet eine plausible Erklärung: Angeblich wohnten in dem Holzhaus zunächst Vater und Sohn zusammen, gerieten dann in Streit über notwendige Reparaturmaßnahmen nach einem Brand - und entschlossen sich daher im Jahr 1906, das Haus von einem Zimmermann auseinandersägen zu lassen.
einestages präsentiert in seiner Galerie die bizarrsten und absurdesten Bilder aus der Ära vor Photoshop.
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Was war da los? Ein Mädchen scheint eine Horde Pinguine durch die Stadt zu führen - oder wird das Kind im Kleidchen von den Watschel-Tieren gejagt?
Bitte hier entlang...
Die Fotos wurden von
Matt Stopera
zur Verfügung gestellt.
Früher Selbstdarsteller: Ein Mann posiert mitten im Winter mit knappen Kleidchen, Gummistiefeln und einem Stahlhelm, auf dem eine schwarze Katze sitzt. Und das Jahrzehnte vor der Digitalfotografie, mit der doch angeblich erst das Bedürfnis geweckt wurde, bizarre Fotos von sich ins Netz zu stellen.
Dicker Brocken: Auch dieses Foto bricht Erwartungen. Dass verwöhnte Kinder keinen Spinat mögen, ist bekannt. Aber süße Wassermelonen?
Schwarz und weiß: Ein Junge posiert neben einem weißgefiederten Huhn, das fast so groß ist wie das schwarzgekleidete Kind. Ein schöner Gegensatz - doch richtig bizarr wird die Aufnahme erst durch die lässig im Mundwinkel hängende Zigarette.
Blutiger Beweis? Sechs Frauen heben stolz eine Matratze ins Bild, die mit einem großen Fleck beschmutzt ist. Das skurrile Foto stellt den Betrachter sofort vor ein Rätsel: Ist der dunkle Fleck etwa Blut? Und wenn ja, was soll er aussagen?
Seltsames Trio: Zwei als Affen verkleidete Männer und ein Kampfhund unter einem Sonnenschirm - auch in Zeiten vor Facebook gab es anscheinend einen ausgeprägten Hang der Menschen, sich in einem möglichst bizarren Ambiente fotografieren zu lassen.
Vogel zwischen den Fronten: Ein Mädchen lächelt, der Situation völlig unangemessen, während ein Junge mit einer Waffe auf sie zielt. Hoffentlich hat der Papagei in der Mitte die Situation mit einem kleinen Scherz noch rechtzeitig entspannt.
Frisur für den Fuchs: Ein Matrose eines britischen Kriegsschiffs, erkennbar an der Aufschrift auf seiner Mütze ( "HMS" - "His/Her Majesty's Ship") bürstet den Kopf eines ausgestopften Fuchses. Daneben beäugt eine lebende Katze neugierig das tote Tier. Wollte der Seemann die Jagdtrophäe einfach nur mal aufhübschen oder was ist die Botschaft dieses Bildes?
Das gestiefelte Kind: Abermals steht ein Kind im Mittelpunkt dieser Aufnahme, das vor einer Landschaftsaufnahme in einem Atelier posiert. Doch ins Auge springt sofort das über einen Meter große Stiefel-Model, an dem sich der Junge anlehnt.
Fünfrädrige Drahteselei: Ein Dreirad und ein Zweirad, auf denen zwei junge Frauen sitzen, sind übereinander montiert. Neben dieser abenteuerlichen Konstruktion, deren Sinn nicht bekannt ist, posieren zwei Herren. Auffällig ist, dass der eine elegant mit Jackett und Weste gekleidet ist. Der andere Mann hingegen, der lächelnd seine Zahnlücke zeigt, trägt eine lumpige Hose mit Trägern und ein abgewetztes Hemd.
Misses Undercover: Offenbar handelt es sich hier um eine Miss-Wahl. Aber warum müssen die spärlich bekleideten Teilnehmerinnen eine Maske tragen?
Kopflos: Diese nackte Frau scheint sich zu überlegen, welchen Kopf sie der männlichen Puppe aufsetzen soll. Es stehen sechs zur Auswahl, junge und alte Gesichter, bärtige und rasierte, blonde und braunhaarige sowie ein Frauenkopf.
Todesgruß: Argwöhnisch beäugt der sitzende Mann das Gerippe, das wie zum Gruß die Hand hebt.
Och, wie niedlich: Süß ist dieses kleine Mädchen im Blümchenkleid, das patriotisch eine US-Flagge hält, nur auf den ersten Blick. Doch schon die Pistole in der anderen Hand irritiert. Und mit den Grübchen und dem zahnlosen Lächeln wirkt das Kind eher wie eine Greisin.
Tierischer Torwart: In einem Hinterhof spielt ein kleiner Junge Fußball - eigentlich kein ungewöhnliches Bild, stünde nicht ein Pandabär im Tor, der sogar die Tatzen hoch hält, als wolle er den Ball fangen.
Schmusestunde mit dem Tod: Eine Nackte sitzt neben einem Skelett auf einem Sofa und blickt das Knochengerüst scheinbar verträumt an. Himmelt sie etwa den Tod an?
Trost vom Bär: Einsam sitzt eine Frau im Nachthemd auf einem Bettgestell. Sie sieht nachdenklich und traurig aus - der Braunbär hinter ihr scheint sie trösten zu wollen. Doch welcher Bär ist so zutraulich? Und hat einen Schwanz? Oder handelt es sich wieder nur um einen kostümierten Menschen?
Alptraum Mathematik: Fünf maskierte Frauen tanzen im Halbkreis um zwei leblose Körper, auf dem Rock einer der Frauen steht "Calculus" - Lateinisch für Rechenstein. Eine surrealistische Szenerie, die schier viele Fragen aufwirft: Wird hier die Mathematik zu Grabe getragen?
Kind im Korb: Unglücklich scheint dieser Junge nicht zu sein - trotz des absurden Gefängnisses, in das ihn jemand gesteckt hat.
"We Should Worry": Zwei fein gekleidete Frauen sitzen auf einem Holzfass, auf dem "Wir sollten uns sorgen" steht. Es ist eines der wenigen Bilder, das beschriftet ist. Trotzdem hilft der Spruch nicht weiter, wo und wann die Aufnahme entstanden sein könnte - vielleicht zur Zeit der Prohibition (1919 bis 1932) in den USA?
Schleierhaft: Eine trauernde Witwe posiert mit schwarzem Schleier - aber warum trägt sie Boxhandschuhe?
Seltsames Brautpaar: Die Mode der sitzenden Frau lässt darauf schließen, dass diese Aufnahme Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Will der Gatte mit seiner Geliebten im wahrsten Wortsinn abtauchen?
Dick und klein: Auch diese Zwei geben nebeneinander ein groteskes Bild ab. Der Mann mit stattlichem Bauch hat die Hände in die Hüfte gestemmt, die Frau mit aufwendiger Hochsteckfrisur und langem Kleid hat die Händchen zu Fäusten geballt. Er war damals der schwerste Mann der Welt, sie die weltweit kleinste Person. Wann ist dieses Foto entstanden?
Akrobatisch: Die vier sehen so aus, als würden sie direkt von einer Kostümfeier kommen und hätten sich für den Fotografen eine Pose ausgedacht.
Reifen-Monster: Ob diese Tour wohl gut ausging? Mit zehn Rädern über Hügel - was sollte diese Geländekrake aufhalten?
Sägenhaft: Das Mädchen passt mit seinem karierten Kleid in Muster und Farbe gut zu dem Sessel mit der eigenartigen Knödel-Struktur. Doch der Fotograf nimmt dieser idyllischen Szenerie ihre Harmlosigkeit, indem er die Säge in den Bildmittelpunkt stellt.
Größe zeigen: Was lugt denn da aus dem Frack? Was so aussieht, wie ein kleines Kind, das sich ein Mann einfach um die Hüfte geschnallt, ist in Wirklichkeit eine Aufnahme von George Auger, den damals größten Menschen der Welt. Der 2,30 Meter große Riese trat bei Zirkusveranstaltungen oft, wie hier im Madison Square Garden 1921, zusammen mit dem Kleinwüchsigen Tom Sodrie auf, der gerade einmal 74 Zentimeter maß.
Tuuut, tuuut: Mal eine andere Möglichkeit der Eisenbahn, auf sich aufmerksam zu machen und die Schienen freizuhalten. Anwendungsprobleme könnte es bei hohen Geschwindigkeiten geben.
Schwergewichtiger Fahrgast: Vermutlich vor einem Zirkuszelt will ein Elefant in ein Auto steigen. Studieren hier Mensch und Tier eine Nummer für die nächste Vorstellung ein? Auch bei diesem vergilbten Foto ist völlig unklar, wo es entstanden ist.
Mensch gegen Maschine: Diese vier Männer scheinen mit den Mini-Puppen auf der Modellrennbahn um die Wette zu radeln.
Draufgänger auf Dickhäuter: Batman salutiert auf dem Rücken eines Elefanten. Da der Fledermaus-Held erstmalig 1939 in einem Comic erschien, muss das Bild danach entstanden sein.
Ausverkauf: Der Farmer blickt so ernst, als seien ihm gerade erst die Dinosaurier ausgegangen. Möglicherweise rührt die Rechtfertigung von dem merkwürdigen Gestell, das sich hinter dem Bauern auftürmt und gewisse Ähnlichkeit mit dem Hals eines Brachiosaurus hat.
Doppelhaushälften: Das Haus wirkt so, als sei ihm einmal ein riesiger Tetris-Würfel auf das Dach gefallen. Doch offenbar steckt hinter dem seltsamen Gebäude eine Familientragödie: So findet man im Internet dazu die Erklärung, dass das Holzhaus im US-Bundesstaat Washington stand und bei einem Brand zerstört wurde. Vater und Sohn, die hier wohnten, stritten sich wegen der erforderlichen Renovierungsarbeiten. Weil sie keine Einigung finden konnten, beauftragten sie 1906 einen Zimmermann. Der sägte das Haus einfach in zwei Hälften.
Evolutionskette: Auch dieses Foto bricht Erwartungen und reizt zur Interpretation. Eine Frau, scheinbar auf dem Weg in den Kindergarten - wären da nicht die fünf haarigen Begleiter.
Als die Streifen noch liefen: Diese feine Gesellschaft hat sich 1898 keine Pferde, sondern Zebras vor die Kutsche gespannt. Ein halbes Jahrhundert später setzte sich das Zebra dann in ganz Europa durch - allerdings als Fußgängerüberweg.
Armes Mädchen: Ein junges Mädchen, das offenbar ohne Arme geboren wurde, spielt mit ihren Füßen Gitarre. Das Foto stammt von 1941, der Aufnahmeort ist unbekannt.
Dick und dünn: Die Stummfilmschauspielerin Mabel Normand posiert vor einer lebensgroßen Elefanten-Skulptur, die aus Walnüssen hergestellt wurde. Der Höhepunkt von Normands Filmkarriere, in der sie unter anderem mit Charly Chaplin drehte, war in den zwanziger Jahren. Auch der Schnitt des Kleides lässt den Schluss zu, dass die Aufnahme in jenen Jahren entstand. Außerdem sieht es so aus, als wäre das Bild in einem Kaufhaus aufgenommen worden, vielleicht in Los Angeles?
Groteskes Gruppenfoto: Eine Hochzeitsgesellschaft sitzt auf einem Felsen, der scheinbar in der Luft schwebt. Aber eben nur scheinbar. Der schirmförmige Gesteinsbrocken heißt "Umbrella Rock" und befindet sich an einem Aussichtspunkt in der Nähe der US-Stadt Chattanooga. Der Blickwinkel der Fotografie lässt aber den Eindruck entstehen, dass das Plateau über dem Fluss Tennessee fliegt.
Böser Junge: Am 5. Dezember, einen Tag vor Nikolaus, ziehen als Krampus verkleidete Männer umher und bestrafen böse Kinder. Die Schreckgestalten tragen häufig einen Kartoffelsack, hier rechts, oder ein Fell sowie Masken mit Hörnern. Der alte Adventsbrauch wird unter anderem in Österreich begangen, wo dieses Bild entstanden ist.
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