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Steinerne Giganten: Groß und teuer - das können andere auch

Foto: Patrick Smith/ Getty Images

Augenblick mal Versunken im Präsidentensumpf

Wohin mit ausgedienten US-Präsidenten? Auf einer matschigen Wiese bei Williamsburg stehen Betonbüsten von 43 einst wichtigen Männern - mit Löchern im Kopf und gebrochenen Nasen. Ein Bild und seine Geschichte.

Wahrscheinlich sind die USA das einzige Land, in dem nicht nur Soldaten, sondern auch Präsidenten im Felde stehen. Sprichwörtlich. Auf einer matschigen Wiese bei Williamsburg im Bundesstaat Virginia. Die rund sechs Meter hohen Betonbüsten von 43 ehemaligen US-Präsidenten sehen aus, als hätten sie die Schlacht verloren: Roosevelt, Kennedy, Reagan, Bush und all die anderen, angefressen von Wind und Wetter, mit eingeschlagenen Schädeln und gebrochenen Nasen.

Die morbide Versammlung wirkt wie eine Abrechnung mit dem präsidentiellen Personenkult. Ein Sumpf ausgedienter alter Männer. Das australische Reisemagazin "Escape" schrieb jüngst von der "heißesten" neuen "Grusel-Attraktion" in den USA. Gelegentlich kommen Touristen und fragen nach Trump.

Ein großes Missverständnis. Denn die Schöpfer dieses Altherrenparks dachten keineswegs an ein Symbol für den Niedergang der Demokratie. Eigentlich hatten sie genau das Gegenteil im Sinn.

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Steinerne Giganten: Groß und teuer - das können andere auch

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Als der Houstoner Bildhauer David Adickes Anfang der Neunzigerjahre am Mount Rushmore vorbeikam und die vier 18 Meter hohen Präsidentenköpfe sah, war er überwältigt. Und zugleich enttäuscht, weil er "ihnen nicht nahekommen und in die Augen schauen" konnte, wie er 2011 der "Washington Post" erklärte. Daher sei in ihm die Idee gewachsen, einen Park mit allen Präsidenten zu schaffen, denen man in die Augen schauen könne.

"Ich mag es groß. Ich bin Texaner"

Es sagt vermutlich einiges über Adickes Selbstbild, dass er die Augenhöhe seiner eigenen Präsidentenköpfe dann trotzdem in immerhin fünf Meter Höhe ansiedelte. "Ich mag es groß. Ich bin Texaner", sagte er der Zeitung.

Groß waren auch Adickes Ambitionen, die eigene Schöpfung an prominenter Stelle auszustellen. Doch in der Hauptstadt Washington fand er keinen Käufer. Am Ende entstand der Park am Rande des knapp 15.000 Einwohner zählenden Williamsburg: auf vier Hektar Land, für zehn Millionen Dollar. Der groß denkende Adickes eröffnete noch zwei weitere Parks - einen in South Dakota nicht weit von Mount Rushmore und einen in seiner Heimatstadt Houston.

Schon vom Eingang aus konnte man den großen Männern in die Augen blicken, 43 Ex-Präsidenten von George Washington bis George W. Bush. Und dabei blieb es. Adickes neuesten Kopf - Präsident Obama, Kostenpunkt 60.000 Dollar - konnten sich die Investoren nicht mehr leisten. Mangels rentabler Besucherzahlen musste der 2004 eröffnete Park nach sechs Jahren schließen.

Die von Sonne, Wind und Regen in Mitleidenschaft gezogenen Betonköpfe sahen traurig aus, Reagans Gesicht durchzog nach einem Blitzschlag eine Narbe. Und es sollte nicht besser werden: Das Gelände wurde zwangsversteigert - ohne die Skulpturen. Der örtliche Bauunternehmer und Beton-Recycler Howard Hankins bekam den Auftrag, sie zu entsorgen. Doch Hankins hatte Mitleid. Statt die Schädel zu zertrümmern, wollte er sie bewahren.

Gruseln in der Abenddämmerung

In der Sache machte das keinen so großen Unterschied. Denn der Abtransport der mehr als fünf Tonnen schweren Skulpturen erwies sich als schwierig. Und als äußerst brutal. Mit Bagger, Gabelstapler und Kran wurden die Büsten von ihren Sockeln geholt. Außerdem schlug man ihnen Löcher in Oberkopf und Nacken, um sie am innenliegenden Stahlskelett auf Lastwagen hieven zu können - und wieder runter.

In der Folge blätterten, bröckelten, rosteten sie 15 Kilometer weiter auf Hankins eigenem Land. Als Adickes später davon erfuhr, soll er schockiert gewesen sein. Seine zwei anderen Präsidentenparks mussten ebenfalls schließen.

Hankins indes startete 2016 eine Crowdfunding-Kampagne, um die Präsidentenstatuen zu restaurieren und ein neues Museum zu eröffnen. Neben den 43 Köpfen sollten darin auch "die Büste von Präsident Obama und des nächsten gewählten Präsidenten" ausgestellt werden, schrieb er. "Wir möchten, dass die Menschen etwas über die Präsidenten erfahren, das die meisten nicht wissen - von ihrem Familienleben bis zu ihren größten Erfolgen und sogar Misserfolgen."

Dem amtierenden Staatsoberhaupt bleibt dies wahrscheinlich erspart. Von den angestrebten 500.000 US-Dollar kamen nach 43 Monaten erst 1256 Dollar zusammen.

In diesem Jahr hat Hankins sein Zwischenlager, die Präsidentenwiese auf seinem Grundstück, offiziell für Besucher geöffnet und bietet geführte Touren an. Beliebteste Option ist der Besuch während der Abenddämmerung. Denn dann sehen die angeschlagenen Herren besonders unheimlich aus.

Augenblick mal!
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