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Thea Rosenbaum: "Blauäugige Teufelin" - das Leben einer Reporterin

Foto: Herbig Verlag

Reporterin Thea Rosenbaum "Zäh sein, dranbleiben, Mut haben"

Sie zockte Hugh Hefner beim Pokern ab und war einzige deutsche Kriegsreporterin in Vietnam, selbst ein Gepard im Nacken schockte sie nicht. Journalistin Thea Rosenbaum hat weit mehr erlebt, als in eine Normalbiografie passt.

Lässig war er ja, der Kerl, der da im Bademantel über die Flure seiner Playboy Mansion schlurfte, in jedem Arm ein Häschen auf High Heels. Aber Poker spielen? Konnte Hugh Hefner gar nicht. Zumindest nicht jene Variante, die Thea Rosenbaum draufhatte: "Dollar-Bill-Poker" - man pokert um die Seriennummern der Dollarnoten, wer richtig tippt, gewinnt.

Immer verlor Hefner haushoch. Und verjubelte, da er nie Bares bei sich trug, die Scheine seiner Gegner: "Hugh hatte einfach kein Talent, obwohl ich ihm das Spiel mehrfach erklärte. Irgendwann sagte ich ihm: Leih dir endlich Geld von deinen eigenen Leuten!"

Thea Rosenbaum, blaue Bluse, hellwacher Blick, sitzt in ihrem Büro in Cape Coral, Florida. Es ist ihr erstes Skype-Telefonat. Lächelnd erzählt die 75-Jährige von den Partys bei Hefner. Wen man dort alles traf! In den frühen Siebzigerjahre zum Beispiel Jesse Jackson, den noch fast unbekannten schwarzen Bürgerrechtler. "Blauäugige Teufelin" nannte der spätere Präsidentschaftskandidat die junge Deutsche, er tanzte mit ihr, in einem farbenfrohen Hawaiihemd.

Auch Muhammad Ali interviewte sie, kurz vor einem Kampf in Las Vegas - einen "Protzer mit Charme" nennt Rosenbaum die Boxlegende. Michael Jackson? "Ein schüchterner Mensch, der oft nach unten sah, fast flüsterte." Die Journalistin traf ihn auf der Wiese hinterm Weißen Haus. Und Elvis, den King? Den sah sie im Sommer 1977 - als sie an seinem offenen Sarg in Memphis vorbeiging.

"Ich darf nicht um drei Uhr nachmittags sterben"

Wer so lange wie Rosenbaum im Geschäft war, lernte sie fast alle kennen, die Schönen und Reichen dieser Welt. Sonderlich beeindruckt hat sie niemand: "Für mich waren die politischen Ereignisse bedeutender. Man wusste einfach: Das ist Geschichte - und ich darf dabei sein." Wobei "dabei sein" ihr nie genügte: Die Reporterin stürzte sich am liebsten mitten ins Getümmel. So wie im Vietnamkrieg.

Thea Rosenbaum heute

Thea Rosenbaum heute

Foto: Privat

Im Sommer 1966 ging sie mit ihrem Mann, dem ABC-Korrespondenten Dick Rosenbaum, nach Vietnam. Von Journalismus hatte die gebürtige Berlinerin noch keinen blassen Schimmer, also spielte sie Poker mit verletzten GIs im Krankenhaus. Bis der dpa-Reporter ausfiel und Rosenbaum um Vertretung bat. Plötzlich war sie Kriegsberichterstatterin und sah, wie Menschen niedergemetzelt und Dörfer abgebrannt wurden.

Um direkt über dem Kriegsgeschehen abspringen und von vorderster Front aus berichten zu können, absolvierte Rosenbaum bei Südvietnams Armee eine Fallschirmspringer-Ausbildung. Ihr reichte es nicht, mit anderen Journalisten auf der Dachterrasse des Hotel Caravelle in Saigon zu sitzen und die Leuchtspurgeschosse am Himmel zu bestaunen. Warum dieses Risiko? "Weil man dabei sein muss, wenn es eine Story gibt", sagt sie knapp. Und weil Rosenbaum es verdammt noch mal satt hatte, stets nur als Gattin ihres erfolgreichen Mannes wahrgenommen zu werden.

Als sie in Nam O mitten in einen Schusswechsel geriet, schrie Rosenbaum ins Aufnahmegerät: "Ich darf nicht um drei Uhr nachmittags sterben. Es ist sonnig hier draußen!" Trotzdem machte sie weiter, ignorierte die Lebensgefahr, unterdrückte auch die Unterleibsschmerzen, als sie am Anfang ihrer Schwangerschaft einen der Zwillinge verlor.

Kein Ort für eine Dame? Von wegen!

In Saigon geriet Rosenbaum unter Beschuss, ein Granatsplitter bohrte sich in den Lederriemen ihrer Tasche. Und auf einer abgeholzten Plantage, direkt hinter der Front, lief sie hinein in ein Minenfeld, vor dem niemand sie gewarnt hatte. "Das hier ist kein Ort für eine Dame!", schimpfte ein US-Leutnant, als sie heil wieder rauskam. "Wahrscheinlich nicht", entgegnete Rosenbaum. "Aber es ist ein Ort für mich."

Doch so tough, so unverletzbar sich die Kriegsreporterin auch zeigte: Der Einsatz in Vietnam brachte sie an ihre Grenzen. Besonders ein Albtraum ließ sie regelmäßig schweißgebadet aufwachen: "Ich stehe in einer Strohhütte mitten im Dschungel. Plötzlich tut sich der Boden auf, lauter Vietcong-Soldaten klettern heraus. Sie laufen auf mich zu, und ich weiß nur: Jetzt haben sie dich."

Es war bereits der zweite Krieg, den sie Rosenbaum miterlebte. Als Vierjährige war sie vor dem Angriff der Roten Armee aus dem brennenden Berlin geflohen. Die Bomben am Himmel hatte das kleine Mädchen für Zeppeline mit Flossen gehalten, die durch den Mond fallen.

Als russische Soldaten ihre Mutter und sie im Keller aufspürten und vergewaltigen wollten, klammerten sich die beiden so fest aneinander, dass die Männer irgendwann entnervt von ihnen abließen. Nach dem Krieg jedoch, als ihr Großvater sich an ihr verging, war niemand da, um zu helfen. Er sei schuld daran, sagt Rosenbaum, dass sie lange Zeit kein Selbstvertrauen besaß und gehemmt war.

Deutschlands jüngste Börsenmaklerin

Doch Rosenbaum zeigte allen, was in ihr steckt: in Frankfurt, wo sie mit 21 Jahren von der Sekretärin zur Börsenmaklerin aufstieg, als jüngste von allen und erste Frau. In Vietnam, wo sie bis zur Geburt ihres Sohnes 1968 von vorderster Front berichtete. Oder später in Chicago, Los Angeles, Washington, wo sie erst als freie Journalistin und später als Producerin für die ARD arbeitete.

"Zäh sein, dranbleiben, Mut haben!" So beschreibt Rosenbaum ihr Erfolgsrezept. Sie blieb gelassen, als sie, hochschwanger mit dem zweiten Kind, bei den Magiern Siegfried und Roy im Wohnzimmer saß und ihr ein Gepard in den Nacken sprang. Oder als sie einmal den Großen Hexenmeister des Ku-Klux-Klan am Rande einer Versammlung mitten im Wald befragen sollte: Plötzlich fielen Schüsse, Klan-Mitglieder hatten zwei Schwarze gefangen genommen.

Rosenbaum herrschte sie an, die beiden freizulassen, und bat ihren Kameramann, immer schön draufzuhalten - vor laufender Kamera würde schon niemand gelyncht werden. Am Ende durften die Schwarzen gehen. Die Schüsse donnerten weiter durch die Nacht.

Reagan wirft Apfelsinen, Clinton kommt zu spät

"Klar hatte ich Glück", sagt Rosenbaum nachdenklich. Aber auch jede Menge Spaß: Wer kann schon von sich sagen, die Macken sämtlicher US-Präsidenten seit Richard Nixon hautnah miterlebt zu haben? Rosenbaum, rund drei Jahrzehnte fürs Weiße Haus zuständig, war zugegen, als Ronald Reagan einer CBS-Journalistin aus Versehen eine Apfelsine ins Gesicht warf. Sie litt, wenn Bill Clinton zu Terminen permanent zu spät kam - und amüsierte sich, wenn George W. Bush ständig allen zuzwinkerte, um Vertraulichkeit zu suggerieren.

Rosenbaum war auch dabei, als ganz große Geschichte geschrieben wurde. Sie begleitete die Zitterpartie um das Camp-David-Abkommen 1978/1979 und reiste nach Berlin mit Reagan, der sich 1987 vor dem Brandenburger Tor aufbaute und rief: "Mr Gorbatschow, open this gate. Mr Gorbatschow, tear down this wall!" Nicht zu unseren Lebzeiten, dachte Rosenbaum - und sollte eines Besseren belehrt werden.

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No Place for a Lady

Mein ganz normales Leben.

Verlag Herbig, F A; 256 Seiten; 22,00 Euro.

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2013 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Wenn sie könnte, sagt die vierfache Großmutter, würde sie noch immer arbeiten. Und schrieb dann ihre Autobiografie: "No place for a lady". Weil Rosenbaum diesen Satz so oft hören musste, dass er ihr zu den Ohren rauskam. Ein trotziges "Jetzt erst recht" wurde zu ihrem Lebensmotto.

Als Feministin bezeichnet sie sie sich dennoch nicht. Zwar habe sie die Frauenrechtlerinnen der Siebzigerjahre bewundert. Aber: "Es ging mir nie ums Prinzip", so Rosenbaum, "sondern allein darum, meinen Beruf ausüben zu können." Ohne Rücksicht auf Risiken, Konventionen, die Familie.

Einmal verpasste Rosenbaum die Geburtstagsfeier ihrer Tochter. Und als sie 1970 erneut für drei Monate nach Vietnam ging, ließ sie den knapp zweijährigen Sohn bei einer Cousine in den USA zurück. Wie sich Kinder und Karriere vereinbaren lassen? Thea Rosenbaum antwortet lakonisch: "Irgendwas kommt immer zu kurz."

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