
"Top Gun": Kampfjets, coole Kerle, Pentagon im Glück
Fliegerfilm "Top Gun" Rockstars der Lüfte
Es war seine große Chance auf das perfekte Bild, das wusste Tony Scott. Vier Tage lang hatte der Regisseur bereits an Bord der "USS Enterprise" verbracht, auf einem Flugzeugträger der US-amerikanischen Kriegsmarine. Doch die Kampfjets, die er beim Starten und Landen filmen durfte, sahen ihm nicht erhaben genug aus. Das richtige Licht fehlte.
Darum wartete Scott an einem Augustmorgen des Jahres 1985 mit seiner Crew und 1000 Komparsen an Bord des Marineschiffes darauf, dass die Sonne aufging. Die Kameras standen in Position, die ersten Lichtstrahlen durchbrachen den Horizont, da drohte das Fiasko: Ausgerechnet jetzt begann das Schiff zu wenden.
Aufgeregt bat Scott den Kapitän, Kurs zu halten. Doch der dachte gar nicht daran: Ein Schiff der U.S. Navy sei kein Spielzeug für eine Filmcrew. Also griff der Regisseur zum letzten Mittel, wie er später im Audiokommentar zu seinem Film erzählte. "Ich holte mein Scheckbuch und mietete das Schiff für fünf Minuten." Kosten: 25.000 Dollar. Das war es Scott wert: Für "Top Gun" brauchte er Aufnahmen, die es auf der Leinwand noch nie gegeben hatte.
Adrenalin und Propaganda
Der Perfektionismus sollte sich auszahlen. Am 12. Mai 1986 hatte der Fliegerfilm mit Tom Cruise Weltpremiere in New York, danach bildeten sich an den Kinokassen lange Warteschlangen. Die Geschichte zweier Kampfpiloten, die an der US-Eliteschule für Navy-Piloten ausgebildet wurden, war schlicht. Doch die spektakulären Wettflüge der F-14-Kampfjets ließen die Zuschauer staunen.
Es gab Loopings und Schrauben, die Kameras waren in den Cockpits oder auf den Flügeln der Maschinen angebracht. Man hatte das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Der Adrenalin-Kick sorgte auch dafür, dass viele junge Menschen das Militär wieder cool fanden. Ein Gewinn für das US-Verteidigungsministerium, das den Film nach Kräften unterstützt hatte.

"Militainment": "Militainment" - so sieht das Militär in Filmen gut aus
Hollywood und das Militär blickten zu dieser Zeit auf eine lange und wechselvolle Beziehung zurück. Schon der erste Film, der mit dem Oscar der wichtigsten Kategorie prämiert wurde, war mit Hilfe des damaligen US-Kriegsministeriums entstanden: "Wings" aus dem Jahr 1927. Für den Stummfilm über zwei Piloten im Ersten Weltkrieg wurden mehr als 3000 Infanteristen als Komparsen bereitgestellt, zudem Flugzeuge und Piloten.
Seitdem entstand ein symbiotisches Verhältnis, oder wie der Filmhistoriker Lawrence Suid es beschrieb: "gegenseitige Ausnutzung". Hollywood durfte Militär-Ausrüstung für wenig Geld mieten. Das Pentagon wollte dafür Mitsprache beim Drehbuch haben.
Diesen Deal fanden viele Filmemacher bis in die Sechzigerjahre hinein unproblematisch: Die US-Einsätze im Ersten und Zweiten Weltkrieg warfen keine Moralprobleme auf, man hatte für die gute Sache gekämpft. Alles änderte sich mit dem Vietnamkrieg. Proteste und Demos bestimmten fortan den Alltag, spätere Werke wie "Platoon" von Oliver Stone oder Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" zeigten das Chaos des Krieges - mit gebrochenen Charakteren.
Endlich war das Militär wieder cool
Kein Waffenglamour, kein Kriegsheldentum, keine Zusammenarbeit: Das Militär wollte bei solchen Filmen nicht mitmachen und hoffte stattdessen auf einen neuen Propagandahit. "Top Gun" war die Lösung.
Die Idee zum Actionkracher kam den Produzenten Jerry Bruckheimer und Don Simpson bei der Zeitungslektüre. Das "California Magazine" hatte einen Artikel über die Navy-Eliteschule "Fighter Weapons School" verfasst. Spitzname der Akademie in San Diego: "Top Gun". Simpson sah die Fotos und meinte zu seinem Kollegen: "Das sieht aus wie 'Star Wars' auf der Erde."
Das Duo wusste, dass der Film nur mit echtem militärischem Equipment Erfolg haben würde. Nach längeren Verhandlungen einigte man sich mit dem Pentagon: Kampfjets, Schiffe und sogar eine Rakete durften genutzt werden - für nur 1,8 Millionen Dollar. Die Hauptdarsteller waren noch keine superteuren Superstars, das Gesamtbudget lag bei 15 Millionen Dollar. Überschaubar für einen Film, der zum erfolgreichsten des Jahres 1986 werden und rund 350 Millionen Dollar einspielen sollte.
Beim Dreh allerdings hatte die Crew das Militär im Haus. Sie erhielt mit Pete "Viper" Pettigrew einen ehemaliger Konteradmiral der "Top Gun"-Einheit als Berater zur Seite gestellt. Und damit begann die Zensur.
Im ersten Drehbuchentwurf sollte Fliegerass "Maverick", gespielt von Tom Cruise, mit einer Offizierin anbandeln. Da aber Romanzen zwischen Soldaten verboten waren, musste die weibliche Hauptfigur eine Zivilistin werden. So entstand die Rolle der Astrophysikerin Charlie (Kelly McGillis), die die Truppe bei ihrer Ausbildung unterstützt.
Explodierende US-Jets? Einspruch!
Auch die geplante zentrale Szene mit einem tödlichen Unfall musste umgeschrieben werden. Den Filmemachern schwebte eine Kollision in der Luft vor - inakzeptabel für Aufpasser Pettigrew: Amerikanische Maschinen durften nicht auf der Leinwand explodieren. Der Konteradmiral setzte durch, dass Maverick in den Abgasstrahl einer anderen Maschine geriet und dessen Kollege Goose beim Herauskatapultieren gegen das Glasdach des Flugzeugs stieß.
Die größten Probleme hatte jedoch Regisseur Tony Scott. "Top Gun" war erst sein zweiter Spielfilm. Dass er überhaupt den Job bekommen hatte, verdankte er einem alten Saab-Werbespot, in dem Flugzeuge zum Einsatz kamen. Scott galt damit als einer der wenigen Regisseure, die wussten, wie man Jets möglichst gutaussehen lässt.
Ihm schwebte etwas ganz anderes vor: Scott wollte eine Art "Apocalypse Now" aus dem Inneren der Flugzeugträger. Das düstere Bild hätte aber niemals den patriotischen Idealen des Pentagons entsprochen. Die Produzenten Bruckheimer und Simpson redeten lange auf Scott ein, bis er nachgab. Später erklärte er: "Die Piloten sind Rockstars, so müssen sie auch gezeigt werden."
Scott wählte gutaussehende Schauspieler, die einem kernigen Männerideal entsprachen: Tom Cruise, Val Kilmer. Hinzu kam ein Gute-Laune-Soundtrack mit Pop- und Rocknummern. Die Schnulze "Take My Breath Away" der Band Berlin wurde schließlich mit dem Oscar ausgezeichnet.
Das Militär schwärmt vom "Top Gun"-Effekt
Doch trotz Pentagon-Erlaubnis hatte Scott immer wieder mit Soldaten zu kämpfen - nicht nur auf der "USS Enterprise". Seine größte Herausforderung wurden die Flugszenen. Pettigrew und der Leiter der Fliegerstaffel gingen jede Einstellung durch. Oberste Priorität: Die Piloten mussten gut auf der Leinwand aussehen. Dafür nahmen die Kommandeure auch unrealistische Szenen in Kauf. Eine "Top Gun"-Trophäe wie im Film gab es in Wirklichkeit nicht. Aber sie machte den Wettkampf unter den Soldaten verständlich und baute Spannung auf.
Just got back from a weekend in New Orleans to see my old friend @TomCruise and discuss a little Top Gun 2. pic.twitter.com/vA2xK7S7JS
— BRUCKHEIMER FILMS/TV (@BRUCKHEIMERJB) January 26, 2016
Die Militärhoffnungen auf einen direkten Werbeeffekt erfüllten sich. Zum Kinostart 1986 wurden Rekrutierungsboxen an den Kinosälen installiert - und die Bewerberzahlen bei der Navy stiegen um ein Drittel. Bis heute spricht man in Militärkreisen vom "Top Gun"-Effekt. Filmemacher Jerry Bruckheimer produzierte in den nächsten Jahren weitere Blockbuster mithilfe des Pentagon: "Armageddon", "Black Hawk Down" oder "Pearl Harbour".
Im Januar 2016 ließ Bruckheimer ein Foto über Twitter verbreiten: Mit Tom Cruise sei er in Gesprächen für "Top Gun 2". Das Pentagon dürfte es freuen: Nach dem Irakkrieg wartet es bis heute auf einen neuen Film, der das Image der Army wieder aufpoliert.