Trash-Talk im Fußball "Bei Jürgen Klinsmann zeigten Psychospielchen sehr gut Wirkung"

Als Bundesligaspieler war Uli Borowka ein Großmeister der Grätsche, auch verbal. Hier verrät "Die Axt", welche Gegner empfindlich oder gegen deutliche Ansprache immun waren - mit Trash-Talk-Quiz.
Ein Interview von Alex Raack
Fingerzeig: Uli Borowka (oben) gibt Karsten Bäron was mit auf den Weg, beim Pokalspiel Werder Bremen gegen den HSV im Oktober 1993

Fingerzeig: Uli Borowka (oben) gibt Karsten Bäron was mit auf den Weg, beim Pokalspiel Werder Bremen gegen den HSV im Oktober 1993

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Mark Sandten/ Bongarts/ Getty Images

Auf den Fußballplätzen sind alle Arten von Provokationen Teil des Spiels. Den Gegner verunsichern, vorglühen oder einschüchtern - das geschieht in derber, oft beleidigender Sprache und zeigt bei leicht entflammbaren Spielern Wirkung. Wenn sich einer auskennt mit dem Slang auf dem Platz, dann der frühere Nationalspieler Uli Borowka. Gleich mehrfach kürten ihn die Kollegen zu seiner aktiven Bundesliga-Zeit von 1981 bis 1995 zum unbeliebtesten Spieler. Den Beinamen "Die Axt" (oder auch "Eisenfuß") bekam der Sauerländer nicht allein wegen seiner Grätschen verpasst, sondern auch wegen seiner messerscharfen Sprüche auf dem Rasen.

SPIEGEL: Uli Borowka, welche Rolle spielte der sogenannte Trash-Talk zu Ihrer aktiven Zeit im Fußball?

Borowka: Eine enorm wichtige. Als Defensivspieler gehörte es für mich zur professionellen Vorbereitung, dass ich mich ständig über meine Gegenspieler informierte, um mein Wissen entsprechend einzusetzen. Welche Verletzung hatte Stefan Kuntz? Wie viele Chancen hat Tony Yeboah in den letzten Spielen liegen lassen? Während der 90 Minuten konnte das alles eine Rolle spielen, wenn ich versuchte, meine Gegner mit meinen Sprüchen zu verunsichern, sie aus dem Konzept zu bringen oder ihnen die Nerven zu rauben.

SPIEGEL: Bei wem hat das besonders gut funktioniert?

Borowka: Olaf Thon war gerade 18 Jahre geworden, als er 1984 das erste Mal mit seinen Schalkern zu uns auf den Bökelberg nach Gladbach kam. Der war schon beim Einlaufen ziemlich blass um die Nase. Auf dem Platz schaute ich ihm tief in die Augen und sagte: "Heute brech' ich dir beide Beine." Von dem Moment an ging keine Gefahr mehr von ihm aus. Jürgen Klinsmann war auch so ein Kandidat, bei dem die Psychospielchen sehr gut Wirkung zeigten. Auch so schon konnte der sich so schön aufregen, und wenn ich ihm dann noch ein paar Sprüche reindrückte, war die Konzentration erst recht futsch. Den besten Satz bekam er allerdings nicht von mir, sondern von meinem Werder-Kollegen Dieter Eilts um die Ohren. Wir standen im Tunnel vom Weserstadion, als Klinsmann sagte: "Ganz schön langer Weg hier bei euch zum Rasen." Dieter antwortete: "Keine Sorge, zurück wirst du getragen."

Das Trash-Talk-Quiz: "...und du wirst gleich hinken!"
Foto: Armin Weigel/ DPA

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SPIEGEL: "Heute brech' ich dir beide Beine", das ist eine heftige Drohung. Legten Sie und Ihre Kollegen es wirklich darauf an, die Gegenspieler zu verletzen?

Borowka: Quatsch. Bretthart, aber fair, so muss Fußball sein. Die harten Sprüche dienten vor allem der Einschüchterung. Manchmal hat das funktioniert, manchmal nicht.

SPIEGEL: Welche Spieler waren gegen diese verbale Einflussnahme immun?

Borowka: Schlagfertige Typen wie Manni Burgsmüller oder Frank Mill brachten meistens gleich einen Konter, über den ich dann wiederum schmunzeln musste. Solche Typen waren mit allen Wassern gewaschen, die ließen sich nicht mit ein paar Sprüchen aus der Ruhe bringen. Ulf Kirsten war ein ganz spezieller Fall. Einmal spielten wir mit Bremen gegen seine Leverkusener, als er mir nach fünf Minuten von hinten in die Beine sprang. Als ich mich verdutzt wieder aufrappelte, sagte er: "Der war noch für die Tritte und Sprüche vom letzten Mal." Im Europapokalfinale 1992 gegen den AS Monaco hieß mein Gegenspieler George Weah, der spätere Weltfußballer. Ich versuchte wirklich jeden schmutzigen Trick, um ihn aus der Fassung zu bringen. Aber erstens verstand er meinen Trash-Talk nicht, zweitens hatte der einen Körper aus Eisen. Sätze und Tritte prallten an dem einfach ab.

SPIEGEL: Gab es Grenzen des guten Geschmacks, die Sie nicht überschritten?

Borowka: Ich war schon ziemlich ordentlich dabei, aber allzu private Geschichten hielt ich vom Sportplatz fern. Was nicht für jeden galt. Als bekannt geworden war, dass ich im Suff meine damalige Frau geschlagen hatte, rief der Trainer vom Karlsruher SC seinem Stürmer Sergej Kiriakov beim nächsten Spiel von der Bank zu: "Frag den Penner doch mal, was mit seiner Frau passiert ist!"

SPIEGEL: Kann man Trash-Talk lernen?

Borowka: Klar, wobei man selbst natürlich nicht auf den Mund gefallen sein darf. Ich kam als blutjunger Spieler zu Borussia Mönchengladbach, wo ich gleich ins Haifischbecken geschubst wurde. Nach dem Training schob Trainer Jupp Heynckes mit mir Sonderschichten und zeigte mir alle erlaubten und unerlaubten Tricks im Zweikampf. Von unserem Abwehrboss Winnie Hannes schaute ich mir ab, wie man einen Gegenspieler auch verbal bearbeiten kann. In einem Spiel gegen Eintracht Frankfurt tobte ich mich gegen Ronny Borchers so richtig aus, bis der zu Winnie Hannes sagte: "Meine Güte, was ist denn das für einer?" Winnie antwortete: "Das ist der neue Schlitzer vom Bökelberg."

SPIEGEL: Ist der Ton in der Bundesliga heute noch genauso rau wie früher?

Borowka: Das kann ich nur vermuten, schließlich hat man in der heutigen Zeit, wo die Kameras jeden Griff in gegnerische Kronjuwelen und jeden versteckten Tritt aufdecken, nicht mehr so viele Möglichkeiten in der psychologischen Kriegsführung. Außerdem hat ein bisschen Trash-Talk noch keinem Fußballspiel geschadet.

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Foto: DER SPIEGEL

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