

Masken, Fächer und ausschließlich schwarze oder weiße Abendroben und Smokings: "Ich will, dass die Party so einheitlich aussieht wie ein Gemälde", begründete Truman Capote den strikten Dresscode für seinen legendären "Black & White Ball". Die Feier, die der US-Autor am Montag (28. November) vor genau einem halben Jahrhundert im New Yorker Plaza Hotel schmiss, gilt bis heute als "die Party des 20. Jahrhunderts".
Es war der 28. November 1966 und Capote auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Literarische Meriten hatte er schon 20 Jahre lang gesammelt und weltweiten Ruhm erworben durch "Frühstück bei Tiffany", verfilmt mit Audrey Hepburn in der Rolle des Partygirls Holly Golightly. 1966 war gerade sein jüngstes Buch "Kaltblütig" erschienen und extrem gut besprochen worden. Die gesamte Medienlandschaft sei danach gewesen wie "eine gigantische Band, die nur ein Lied spielt: Truman Capote", schrieb der Autor Gerald Clarke später in einer Biografie.
Die Erfolgswelle wollte Capote nutzen, aber er brauchte auch eine Schreibpause - also eine Party. "Ich war, seit ich ein Kind war, nicht mehr bei einem Maskenball. Deswegen wollte ich einen geben", zitierte ihn später die "Vanity Fair". Monatelang brütete der Schriftsteller über Organisation und vor allem über der Gästeliste. Er schrieb Namen in ein Büchlein, ergänzte die Liste, fragte Freunde nach Vorschlägen, löschte Namen, schrieb wieder neue hinein. Autor Clarke beschreibt den Ball als "Produkt eines literarischen Gehirns".
Er versammelte die High Society
Weil Capote nicht einfach unbescheiden sich selbst feiern konnte, gab er die Party für Katherine Graham, Chefin von "Washington Post" und "Newsweek" und eine der mächtigsten Frauen des Landes. "Truman rief mich im Sommer an und sagte, er wolle eine Party für mich schmeißen, um mich aufzuheitern", erinnerte sich Graham später. "Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Aufheiterung brauche. Ich dachte erst nicht, dass er es ernst meint. Die Idee für die Party kam zuerst - ich glaube, er wollte einfach immer mal eine Party im Plaza schmeißen. Danach suchte er nach einem Grund, und ich schätze, das war ich... Wahrscheinlich wählte er mich aus, weil ich keinen Konflikt mit all den glamourösen Damen darstellte, die er kannte."
Seine "Schwäne" nannte der homosexuelle Capote diese glamourösen Damen wie beispielsweise Babe Paley, Slim Keith, Gloria Guinness, Marella Agnelli oder Lee Radziwill, die Schwester von Jacqueline Kennedy. Sie waren selbstverständlich alle eingeladen, viele andere ließ er lange im Unklaren: "Vielleicht bist du eingeladen, vielleicht auch nicht." Das Ganze sei "nur eine Party, für Menschen, die ich mag".
Aber die Nachricht vom großen Maskenball verbreitete sich rasch, jeder wollte dabei sein. "Es hat mich umgehauen, dass ein soziales Event so wichtig sein konnte", erinnert sich die damalige "New York Times"-Reporterin Enid Nemy. "Am meisten hat mich geschockt, dass all diese Menschen auf einmal darauf bestanden, dass sie in London oder sonstwo sein mussten am Tag von Trumans Party, wenn sie keine Einladung hatten. Und dann gab es keine Frage - um das einzuhalten, mussten sie dann auch wirklich fahren."
Um Mitternacht: Runter mit den Masken
Selbst Ehrengast Katherine Graham erinnert sich, dass es eine "Aura der Verrücktheit um die Party herum" gab. "Es gab keinen rationalen Grund, warum die Situation so eskaliert ist." Mehr als 500 Gäste waren es am Ende, darunter Stars wie Frank Sinatra, Norman Mailer und Lauren Bacall, aber auch ein früherer Lehrer von Capote und ein Wachmann seines Wohngebäudes.
"Ich habe schon immer beobachtet", sagte Capote einmal dem "Esquire"-Magazin. "In fast jeder Situation - und ich war schon in fast jeder Situation - hängen die Menschen vom gleichen Typ aneinander. Die sehr Reichen zum Beispiel mit den sehr Reichen. Die internationalen Prominenten mit den internationalen Prominenten. Autoren mit Autoren, Künstler mit Künstlern. Ich denke schon seit Jahren, dass es spannend wäre, diese Menschen zusammenzubringen und zu sehen, was passiert."
Zuerst gingen die Gäste zum ebenfalls von Capote arrangierten schicken Abendessen, dann trafen sie im Plaza-Hotel ein, wo bis tief in die Nacht gespeist, getrunken und wild getanzt wurde. Zuerst mit Masken, um Mitternacht wurde die Identität dann gelüftet. Rund 16.000 Dollar soll Capote für die Sause gezahlt haben, die noch viel später etliche Partyveranstalter inspirierte, etwa Freddie Mercury 1985 zu einem rauschenden Geburtstagsfest.
Der Abstieg eines großen Autors
Danach allerdings sank der Stern des großen Schriftstellers. "In Cold Blood" war sein letzter Bestseller, ein Drama nach einer wahren Geschichte: Auf einer Farm im Mittleren Westen der USA wurde 1959 die Familie Clutter brutal ermordet. Zwei Einbrecher hatten die Tat begangen, sie starben 1965 am Galgen. Capote hatte die beiden zum Tode Verurteilten monatelang intensiv begleitet und insgesamt fast sechs Jahre an "Kaltblütig" gearbeitet.
Der Erfolgsautor konnte das offenbar ebensowenig verarbeiten wie seinen Ruhm. Nach dem großen "Black & White Ball" ging es mit seiner Karriere und Gesundheit bergab. Jahrelanger Alkohol- und Drogenkonsum richtete ihn zugrunde, er veröffentlichte nur noch wenig, hatte Nervenzusammenbrüche und Halluzinationen, musste mehrfach ins Gefängnis und verbrachte Jahre in Kliniken. Am 25. August 1984 starb Truman Capote in Los Angeles.
Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen in den letzten Lebensjahren sei es gewesen, Dutzende Fotoalben mit Bildern des "Black & White Balls" durchzuschauen, erinnern sich Weggefährten. Der Pianist Peter Duchin bezeichnete die Party in der "Vanity Fair" als Höhe- und Wendepunkt in vielerlei Hinsicht, nicht nur für Capote selbst. Der Ball habe "die Ära der eleganten Exklusivität geschlossen - und eine Ära der Klatschmedien-Verrücktheit eingeläutet. Die, in der wir jetzt immer noch leben".
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Der Gastgeber: Truman Capote (Mitte) hatte ein Faible für große Partys und einen Plan - den für ein Riesen-Event in New York. Was vor genau einem halben Jahrhundert im Plaza-Hotel stattfand, gilt bis heute als die Party des Jahrhunderts.
"Black & White Ball" lautete das Motto und der strikte Dresscode am 28. November 1966: Es durfte ausschließlich Abendkleidung in Schwarz und Weiß getragen werden. Für die Herren in Smokings eine leicht zu erfüllende Bedingung; die Damen griffen vielfach zu schwarz-weißen Kombinationen. Oder trugen das kleine Schwarze oder das lange Schwarze spazieren.
Maskenball: Die eingeladenen Celebrities sollten außerdem mit Masken erscheinen, die Damen obendrein mit Fächern. Die meisten entschieden sich für simple Gesichtsmasken, manche auch für fantasievollere Verkleidungen - hier den Autor John Gunther mit seiner Frau, er trägt eine angemalte Papiertüte über dem Kopf.
Zorro feiert wieder: Capote versammelte die High Society im großen Saal des Plaza-Hotels - und die Autorendichte war beeindruckend. Das Foto zeigt William F. Buckley und seine Frau Patricia. Buckley war ehemaliger CIA-Mann und ein konservativer Schriftsteller, auch bekannt durch seine Talkshow "Firing Line", die ab 1966 über 30 Jahre lang im Fernsehen lief.
Stelldichein der Kulturgrößen: Zum Ball erschien, ganz in Weiß, auch die Operndiva Anna Moffo, hier mit dem Komponisten Richard Rodgers. "Ich war, seit ich ein Kind war, nicht mehr bei einem Maskenball. Deswegen wollte ich einen geben", sagte Capote. Und: "Ich will, dass die Party so einheitlich aussieht wie ein Gemälde."
Der Perfektionist: Wochenlang brütete Capote über der Gästeliste. Und damit er sich nicht einfach selbst feierte, widmete er die Party Katherine Graham (rechts). "Ich glaube, er wollte einfach immer mal eine Party im Plaza schmeißen", sagte die Verlegerin der "Washington Post". "Danach suchte er nach einem Grund, und ich schätze, das war ich..."
Cat People: Der Designer Oscar de la Renta und seine Frau, die Journalistin Francoise de Langlade, kamen mit Katzenmasken. Für die Herren hatte Capote vorgeschrieben: "Black tie; Black mask". Und für die Damen: "Black or White Dress; White mask; fan".
Zu den gut 500 Gästen zählten auch (von links): Historiker Arthur M. Schlesinger, seine Frau Marian, Helen Lippmann mit dem Schriftsteller Walter Lippmann. Wer kommen durfte und wer nicht, daraus machte Capote ein Gesellschaftsspiel: "Vielleicht bist du eingeladen, vielleicht auch nicht."
Hineinspaziert: Der Eingang zum Hotel. All die Menschen ohne Einladung "bestanden auf einmal darauf, dass sie in London oder sonstwo sein mussten am Tag von Trumans Party", erinnert sich die damalige "New York Times"-Reporterin Enid Nemy. "Und dann gab es keine Frage - um das einzuhalten, mussten sie dann auch wirklich fahren."
Auch sie mussten leider draußen bleiben: Vor dem Plaza-Hotel versammelten sich Schaulustige, die von der Polizei mit Absperrungen zurückgehalten wurden. In der Lobby versammelten sich unterdessen Reporter, Fotografen und Kameraleute.
Bitte alle hier entlang: Lynda Bird Johnson, Tochter des US-Präsidenten, tanzte bis zwei Uhr nachts auf dem Ball.
Noch unmaskiert: Die Schauspielerin Gloria Vanderbilt aus dem Unternehmerclan der Vanderbilts bei der Ankunft mit ihrem Mann Wyatt Cooper. Sobald es in den großen Ballsaal ging, waren Masken (und Fächer für die Frauen) Pflicht.
Lee Radziwill (links) war eine jener glamourösen Damen, die Capote als seine "Schwäne" bezeichnete . Sie ist die jüngere Schwester von Jackie Kennedy und war Schauspielerin, Innenarchitektin und PR-Frau - heute würde die Klatschpresse sie wohl "Society-Lady" nennen.
Kleiner Mann ganz groß: Truman Capote veranstaltete den "Black & White Ball" 1968 auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Danach begann sein Abstieg. Er veröffentlichte nur noch wenig, sprach Alkohol und Drogen stark zu, geriet in tiefe Krisen und starb 1984 in Los Angeles.
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