Vorbereitet auf das, was sie sahen, waren die Soldaten der Roten Armee nicht. Gegen 9 Uhr am Morgen des 27. Januar 1945 erreicht eine Vorhut das Konzentrationslager Auschwitz. Der befehlshabende Offizier ordnet an, dass sofort so viele Sanitäter wie möglich und Kriegsberichterstatter mit Kameras erscheinen sollen.
Ulrike Weckel:
"Die Kameraleute selbst waren überwältigt von dem, was sie sahen, und im Grunde es kein Vorbild gab, wie man so etwas filmt an verschiedenen Orten. Unabhängig voneinander treffen Kameraleute ähnliche Entscheidungen. Aber man sieht die Überforderung. Es werden Versuche unternommen, bloß nicht zu untertreiben. Viele Kameramänner sagen auch Unsere Bilder sind notwendig. Nicht so schlimm, wie es hier vor Ort ist, weil er den Geruch gar nicht mitkriegt."
Anfang 45 zählt Hitlers Partei, die NSDAP, noch rund 8,5 Millionen Mitglieder. Deshalb lautet eine der wichtigsten Fragen, die sich die Alliierten bereits in den letzten Kriegstagen stellen: Wie hält man die Deutschen in Zukunft von Rückfällen in den Nationalsozialismus ab? Den Alliierten reicht es nicht, die Symbole der Nazis zu zerstören.
Ulrike Weckel:
"Es sind sehr raffinierte Überlegungen, wie man diese Bevölkerung wieder anders beeinflussen kann. Und wenn die Medien und das ist eine CSU zu der Zeit für die Nazis so eine große Rolle gespielt haben, dann könnte man doch auch über Medien, über Film quasi wieder rückgängig machen. Also Sie wieder rück lernen lassen, was Sie mal an Werten doch schon drauf hatten, denn sie sind ja nicht so ganz anders."
O-Ton „Von amerikanischer Seite ist interessant, dass schon während des Krieges gesagt wird, sind die Deutsche verloren? Waren es die Medien? ....Es sind zu viele alle wegzusperren…Wenn Propaganda so wichtig war für Deutsche, dann könne man sie über diesen Kanal vielleicht wieder zurückerziehen.“
Es entstehen zahlreiche Filme über die Gräueltaten des SS-Regimes, die die Bilder der alliierten Kriegsberichterstatter verwendenden. Einer der bekanntesten dieser Filme ist "Die Todesmühlen"
Ausschnitt Todesmühlen mit Ton
Ulrike Weckel:
"Es gibt immer wieder Hinweise, dass das ein Film von Wilder sei oder von Hanno Burger, die haben allemal daran mitgearbeitet. Aber es ist ein längerer Prozess eines amerikanischen Teams, und er wird dann Ende des Jahres fünfundvierzig fertig, wird in Frankfurt getestet und für gut genug befunden."
Ausschnitt Todesmühlen mit Ton
Ulrike Weckel:
"Es sticht heraus nachdem man viel Erschütterndes gesehen hat. So würde ich das Interpretieren, wird so eine Art Hand gereicht, selbst wenn du das bisher nicht besonders schockierend fandest. Jetzt aber schon. Dann wirst du dich durch Einsicht ja bessern können. Das würde ich sagen, ist die Hauptbotschaft des Films."
Ausschnitt Todesmühlen
Vor allem in der britischen und amerikanischen Besatzungszone wird die deutsche Bevölkerung regelmäßig mit den Bildern aus den Konzentrationslagern konfrontiert, Dies sind Aufnahme aus Minden im Mai 1945. Viele Menschen machen sich auf den Weg ins Kino. Anschließend wird der damalige Bürgermeister befragt.
O-Ton Offizier und Bürgermeister
Als im westfälischen Burgsteinfurt nur wenige Bürger in den Kinosaal kommen, befiehlt der diensthabende Kommandant, dass nun der gesamte Ort, rund 4000 Männer und Frauen, Bilder aus Bergen-Belsen und Buchenwald ansehen müssen. Doch einige Frauen reagieren anders als erwartet.
Ulrike Weckel:
"Zwei junge Frauen sind zurückgeschickt worden, weil es bei Zurückschicken der Filmaufnahmen heißt sie hätten gelacht und sie seien zurückgeschickt worden zu einer weiteren Vorstellung dieser gleichen fünfminütigen Episode, weil sie gelacht hätten. Aber es ist natürlich eine beschämende Situation, von den Alliierten, am Ende des Krieges so etwas gezeigt zu bekommen."
Heute sind die Aufnahmen der alliierten Kameramänner wichtiger denn je – auch, oder gerade weil sie kaum auszuhalten sind und ein Leugnen der Nazi-Verbrechen unmöglich machen.