Neo-Kreuzzügler Wie Rechtsextreme sich als Erben der Tempelritter inszenieren

Weißes Gewand, rotes Ordenskreuz - ultrarechte Aktivisten knüpfen an die Tradition des mittelalterlichen Templerordens an und wollen damit Hass auf Muslime schüren. Doch die historischen Fakten widerlegen ihre Legenden.
Im Jahr 1314 wurden Tempelritter in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt (Darstellung um 1840)

Im Jahr 1314 wurden Tempelritter in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt (Darstellung um 1840)

Kharbine-Tapabor/ imago images

Im Kampf gegen Muslime suchen rechtsextreme Propagandisten Vorbilder im Mittelalter. Einer von ihnen, der Ex-Chef der ultrarechten British National Party und frühere Europaabgeordnete Nick Griffin, schlüpft dafür schon mal in ein historisches Kostüm. So ließ er sich in Prag in der Robe eines Ritters des Templerordens fotografieren, in einem weißen Gewand mit rotem Ordenskreuz.

Griffin ist Mitglied der ultrarechten islamophoben Knights Templar International (KTI). Auf deren Website lässt er sich als prominentester Aktivist des Ordens interviewen, ruft zum Kampf gegen das "Osmanische Imperium" Erdogans und dessen "monströse Attacke auf die Christen" auf. Damit meint Griffin die umstrittene Umwandlung der Kathedrale Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee.

In Großbritannien ist Griffin vorbestraft wegen Aufstachelung zum Rassenhass. Und erregte 2009 weltweit Aufsehen, als er nach seiner Wahl ins Europaparlament vorschlug, Boote mit Flüchtlingen aus Afrika im Mittelmeer zu versenken. Die KTI, größte und älteste Organisation christlich-fundamentalistischer Islamfeinde, bietet Extremisten wie Griffin gern ein Forum. Angeblich stehen in ihren Reihen weltweit 3000 Männer und Frauen, die sich auf den Geist mittelalterlicher Tempelritter berufen.

"Geistliche Soldaten"

Die KTI bezieht sich dabei auf Bernhard von Clairvaux. Der mittelalterliche Kreuzzugsprediger und Mönch war maßgeblich an der Mobilisierung für den Zweiten Kreuzzug beteiligt, der von 1147 bis 1149 stattfand und nach einer gescheiterten Belagerung von Damaskus mit einem Misserfolg endete. Clairvaux, Abt des Zisterzienserordens, pries die Tempelritter als "geistliche Soldaten".

Der Templerorden war ein christlich inspirierter Ritterorden, gegründet 1118 im Kreuzfahrerstaat Königreich Jerusalem. Sein offizieller Name lautete "Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem". Die Truppe verstand sich als militärische Eliteeinheit und unterstand direkt dem Papst.

SPIEGEL GESCHICHTE 3/2020

Krieg im Mittelalter: Macht, Ehre, blutige Fehden - Die Zeit des Rittertums

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Davon können die heutigen Epigonen der Tempelritter von der KTI nur träumen. Wie sie organisiert sind, liegt im Dunkeln. Die KTI bietet zwei Formen von Mitgliedschaft an: für "Affiliierte" mit einer Art Sympathisanten-Status und für "volle Ritter". Die werden in einer Kirche mit einem Initiationsritus in den Orden aufgenommen.

Auf veröffentlichten Bildern lässt die KTI die Gesichter ihrer Mitglieder pixeln. Unklar bleibt, wie die KTI-Tempelritter sich den Kampf gegen die "Islamisierung des Christentums" praktisch vorstellen. Und wie weit sie in ihrer Militanz zu gehen bereit sind.

Auf Kriegsfuß mit historischen Fakten

In ihrer derzeitigen Propaganda polemisieren sie gegen die US-Demokraten und gegen Versuche, den Waffenverkauf in den USA stärker zu kontrollieren. Die Ordensnostalgiker unterstützen nationalistische Anti-EU-Gruppierungen, etwa in Tschechien. Das Grundmotiv ist dabei das einer angeblich notwendigen "Reconquista des Westens" gegen vermeintliche muslimische Unterwanderung.

Wie der britische Historiker Rory MacLellan, Mitarbeiter der Historic Royal Palaces, jetzt in einem Aufsatz in der Zeitschrift "The Mediaeval Journal" gezeigt hat, versuchen die KTI und auch verwandte Gruppierungen wie die vor allem in Italien tätige Ordo Militaris Catholicus, auf eine im Internet aktive Subkultur einzuwirken. Die Szene bezieht sich auf literarische Werke wie Dan Browns "The Da Vinci Code" oder auf Kinofilme wie Ridley Scotts "Königreich der Himmel".

MacLellan arbeitet an der Edinburgh Napier University und weist darauf hin, dass die Neo-Tempelritter der KTI mit historischen Fakten auf Kriegsfuß stehen. Zwar hätten die christlichen Ritterorden "tatsächlich gegen Muslime gekämpft", doch sei ihre Geschichte "komplexer als die eines simplen Ost-West-Zusammenpralls der Kulturen", so MacLellan. Er erwähnt den arabischen Chronisten Usama Ibn Munqidh (1095-1188), der die Tempelritter als Freunde betrachtete. Christen nutzten damals in Jerusalem einen Teil der Aksa-Moschee als Kirche.

Stichwortgeber für IS-Propagandisten

Der Historiker weist auch darauf hin, dass sich Nationalisten kaum auf die Tempelritter berufen können. Denn die seien "internationale Unternehmen" mit "supranationalen Strukturen" gewesen. Und er warnt vor einer weiteren Gefahr, die von extremistischen Neo-Kreuzzüglern ausgeht.

Sie agierten, so MacLellan, faktisch als Stichwortgeber für die Propagandisten des "Islamischen Staats" (IS), die versuchen, ihre Gegner als eine Front von Kreuzzüglern darzustellen. Das ultrarechte Bild von den Tempelrittern und anderen militärischen Orden, so der britische Historiker, helfe nur, diese Weltsicht des IS zu unterstützen.

In jedem Fall droht den Nachahmern der Tempelritter wohl nicht das Schicksal ihres historischen Vorbildes. Der Templerorden wurde im März 1312 von Papst Clemens V. aufgelöst. Jacques de Molay, Ritter aus Burgund und der letzte Großmeister des Ordens, wurde am 18. März 1314 in Paris nach Verhören durch die Inquisition auf einem Scheiterhaufen verbrannt - als Häretiker, Anhänger einer Irrlehre.

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