Umstrittene Methode Was es mit den Vergiftungen nach Botox-Magenbehandlungen auf sich hat

Injektionen des Nervengiftes Botox in die Magenwand sollen angeblich beim Abnehmen helfen. Nun berichtet das Robert Koch-Institut über neue Vergiftungsfälle, die ihren Ursprung wohl in der Türkei haben.
Botulinumtoxin, kurz Botox, wird im kosmetischen Bereich zur Unterspritzung von Falten verwendet (Symbolbild)

Botulinumtoxin, kurz Botox, wird im kosmetischen Bereich zur Unterspritzung von Falten verwendet (Symbolbild)

Foto: Kanok Sulaiman / Getty Images

Die Zahl der bekannt gewordenen Vergiftungsfälle in Deutschland nach speziellen Magenbehandlungen mit Botox in der Türkei ist auf zwölf gestiegen. Sie verteilen sich auf fünf Bundesländer, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte. Vergangene Woche war von neun gemeldeten Fällen die Rede gewesen.

Bei dem Eingriff handelt es sich um ein endoskopisches Verfahren. Dabei wird über den Mund und ohne Vollnarkose Botulinumtoxin in die Magenwand injiziert. Das soll zu weniger Magenbewegungen führen – und zu einem länger anhaltenden Sättigungsgefühl.

Das RKI hielt angesichts der anfangs eher unspezifischen Symptome weitere Erkrankungsfälle für möglich. Ein Verband für Infektionskrankheiten in der Türkei hatte bereits vorige Woche von Fällen bei Türkinnen und Türken sowie Menschen anderer Nationalität berichtet. Die Patienten hätten sich alle dem sogenannten Magen-Botox unterzogen, das hauptsächlich zur Gewichtsreduktion eingesetzt werde.

Botulinumtoxin wird in der Medizin in geringer Dosierung etwa für die Behandlung bestimmter Bewegungsstörungen eingesetzt. Im kosmetischen Bereich wird es unter dem Namen Botox verwendet, um etwa Falten im Gesicht zu unterspritzen und so gezielt Teile der mimischen Muskulatur zu lähmen.

Ein Nervengift als Beauty-Trend?

Mehrere Anbieter in der Türkei bewerben den Eingriff im Internet auf Deutsch, teils mit Vorher-nachher-Fotos. Ergänzend wird manchmal zu bewusster Ernährung geraten. Als Nebenwirkungen werden etwa Übelkeit und Verdauungsstörungen angegeben. Was bei den Behandlungen in der Türkei schiefging, ist bislang unklar.

Menschen, die sich ab dem 22. Februar in Istanbul der Methode unterzogen haben und nun unter bestimmten Symptomen leiden, sollten sich laut RKI in medizinische Behandlung begeben. Typische Anzeichen seien Seh- und Sprachstörungen und Schwäche in Armen und Beinen.

Hinzu kommen laut Behörde Schluck- und Atembeschwerden, die üblicherweise drei bis zehn Tage nach der Behandlung auftreten. Die Vergiftung, die als Botulismus bezeichnet wird, ist laut RKI selten, »jedoch sehr ernst«. Sie werde von hochgiftigen Botulinum-Neurotoxinen verursacht.

Diese Behandlung sieht eine deutsche Fachgesellschaft ohnehin mit großer Skepsis: »Der Nutzen dieses Eingriffs ist bisher nicht gut genug belegt. Wir beobachten das kritisch und sprechen keine Empfehlung aus«, sagte der Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen  (VDÄPC), Detlev Hebebrand. Im seriösen Bereich gebe es für Magen-Botoxbehandlungen in Deutschland bisher keinen großen Markt.

»Der Effekt einer solchen Behandlung dürfte kaum länger als etwa sechs Monate anhalten«, sagte Hebebrand. »Dabei ist fraglich, ob der Nutzen des Eingriffs überhaupt über den Effekt eines Scheinmedikaments hinausgeht.« An Beobachtungsstudien nähmen Menschen mit Motivation zum Abnehmen teil, was die Ergebnisse verzerren könne.

»Bei diesen Magenbehandlungen werden wesentlich höhere Botoxmengen eingesetzt als etwa gegen Falten im Gesicht «, so Hebebrand. Es sei unklar, wie lange es dauere, bis der Stoff im Körper wieder abgebaut werde.

Botulinumtoxine werden vom Bakterium Clostridium botulinum produziert und gelten als stärkste Gifte überhaupt. Vergiftungen traten früher vor allem durch den Verzehr bestimmter kontaminierter Fleisch- oder Fischkonserven auf, in denen sich das Bakterium unter Sauerstoffabschluss vermehren konnte. In den vergangenen Jahren waren dem RKI jeweils lediglich Botulismus-Fälle im einstelligen Bereich gemeldet worden.

jae/dpa
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