Auffrischungsimpfung für Jüngere Stiko-Chef Mertens widerspricht Lauterbach

Auch Jüngere sollten sich zum vierten Mal gegen das Coronavirus impfen lassen, empfiehlt Gesundheitsminister Lauterbach im Gespräch mit dem SPIEGEL. Doch Stiko-Chef Mertens ist anderer Meinung.
Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission

Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission

Foto: Emmanuele Contini / NurPhoto / Getty Images

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, spricht sich gegen eine sofortige vierte Impfung für jüngere Bürgerinnen und Bürger aus. Er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigten, sagte er der »Welt am Sonntag« : »Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ›Viel hilft viel‹ auszusprechen.«

Mertens widerspricht damit Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der hatte im SPIEGEL-Spitzengespräch am Donnerstag eine vierte Impfung – in Absprache mit dem Hausarzt – auch für Menschen unter 60 Jahren empfohlen. »Wenn jemand den Sommer genießen und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich in Absprache mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen. Dann hat man einfach eine ganz andere Sicherheit.« Das Risiko, an Long Covid zu erkranken, sei für ein paar Monate deutlich reduziert, ebenso wie das Infektionsrisiko.

Mertens hingegen hält nach wie vor die Empfehlung seiner Kommission für richtig. Demnach sollen Menschen über 70, Vorerkrankte und Pflegepersonal eine vierte Dosis bekommen. Es sei wichtig, sich klarzumachen, »dass wir nicht jedes Jahr ständig die gesamte Bevölkerung – also auch jüngere, gesunde Menschen – impfen können. Das Ziel ist es bei diesen Impfungen nicht, Infektionen zu vermeiden, sondern Erkrankungen.« Die dreimalige Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen würde gut vor schweren Verläufen schützen, so Mertens: »Aber die Übertragung des Virus wird nur gering beeinflusst.« Dass die EU-Gesundheitsbehörde ECDC und die EU-Arzneimittelbehörde Ema die Altersgrenze in dieser Woche auf 60 festsetzten, hält Mertens hingegen für vertretbar: »Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für einen schweren Verlauf. Es ist nicht einfach, hier einen genauen Cut beim Alter zu machen.«

»Mehr Dynamik« – Lauterbach kritisiert Mertens

Lauterbach hatte im Gespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen angedeutet, dass auch die Stiko die Altersgrenze für die Impfempfehlung bald senken könnte. »Die Europäische Kommission ist der Empfehlung, die ich schon seit zwei Monaten ausspreche, gefolgt«, sagte er und fügte an: »Ich bin ziemlich sicher, dass das auch die Stiko machen wird.«

Einen an Omikron angepassten Impfstoff könne man auch nach der vierten Impfung noch nehmen, so Lauterbach. Einen solchen Impfstoff erwartet er für Ende August oder Anfang September.

Lauterbach übte zudem generelle Kritik an Mertens. Auf die Frage, ob die Kommission einen neuen Chef brauche, antwortete Lauterbach: »Ich glaube, dass wir uns Gedanken machen müssen, wie wir in der Arbeit der Stiko mehr Dynamik bekommen.«

slü

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