Coronaimpfung Warum die Stiko für unter 30-Jährige nur noch Biontech empfiehlt

Covid-19-Impfung in Markkleeberg in Sachsen
Foto: Jens Schlueter / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Kinder ab zwölf Jahren sowie Jugendliche und Erwachsene unter 30 sollen laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) künftig nur noch mit dem Coronaimpfstoff von Biontech/Pfizer und nicht mit dem von Moderna geimpft werden. In einer am Mittwoch veröffentlichten aktualisierten Impfempfehlung begründete die Stiko dies mit einer neuen Datenlage zu Impfungen. Die Kommission schreibt: »Aktuelle Meldeanalysen zeigen, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen unter 30 Jahren nach der Impfung mit Spikevax häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty.« Spikevax ist der Impfstoff von Moderna, Comirnaty stammt von Biontech/Pfizer.
»Diese Empfehlung gilt sowohl für die Grundimmunisierung als auch für mögliche Auffrischimpfungen.« Auch wenn zuvor ein anderer Impfstoff verwendet worden sei, solle für weitere Impfungen Biontech genutzt werden, hieß es. Das Expertengremium berief sich auf Sicherheitsdaten des für die Zulassung und Überwachung von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und internationale Daten. Die Stiko rät außerdem, dass auch Schwangere unabhängig vom Alter Biontech bekommen sollten, auch wenn es für sie noch keine vergleichenden Sicherheitsdaten zu den beiden Impfstoffen gebe. Für über 30-Jährige bestehe nach der Impfung mit Spikevax hingegen kein erhöhtes Risiko für eine Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung.
Im Sicherheitsbericht des PEI sind 136 Meldungen von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei mit Moderna geimpften Menschen zwischen 18 und 29 Jahren verzeichnet. Zwei Meldungen betreffen 12- bis 17-Jährige. Pro 100.000 Moderna-Impfungen ist von einer Berichtsrate von 11,41 beziehungsweise 11,71 für die beiden Altersgruppen die Rede.
Andere Länder haben früher reagiert
Auch andere Länder haben bereits die Impfungen mit Moderna wegen des Risikos von Herzmuskelentzündungen eingeschränkt. So hat etwa Schweden bereits im Oktober Impfungen mit Spikevax bei allen im Alter von bis zu 30 Jahren zunächst bis Dezember gestoppt und setzt stattdessen auf Comirnaty. Auch Frankreich empfiehlt allen unter 30 Jahren nur noch den Impfstoff von Biontech. Die Gesundheitsbehörde Haute Autorité de Santé (HAS) hatte am Dienstag erklärt, bei unter 30-Jährigen scheine das Risiko einer Herzmuskelentzündung mit Comirnaty rund fünfmal geringer als mit Spikevax.
Großbritannien geht sogar noch weiter und bietet allen Jugendlichen im Alter von zwölf bis 15 Jahren zunächst nur eine Dosis mit Comirnaty an, eine zweite Dosis soll dieser Altersgruppe erst im Frühjahr angeboten werden, wenn mehr Daten vorliegen.
Die europäische Arzneimittelbehörde Ema hatte den Einsatz des Biontech-Impfstoffs bei über Zwölfjährigen im Mai genehmigt, für die Moderna-Vakzine erfolgte die Genehmigung im Juli. Beide Impfstoffe basieren auf dem Ansatz der Boten-RNA (mRNA), sie vermitteln den menschlichen Zellen die Information zur Bekämpfung der Krankheitserreger. Die Ema hatte zwar erklärt, dass es einen möglichen Zusammenhang zwischen sehr seltenen Fällen von Herzmuskelentzündungen und den beiden Vakzinen gebe, dass die Vorteile der Impfung aber die Risiken überwögen.
Covid-19 ist ein größeres Risiko fürs Herz
In einer groß angelegten Studie aus Israel, die im Fachmagazin »New England Journal of Medicine« (NEJM) veröffentlicht wurde , wird deutlich, dass das Risiko einer Herzmuskelentzündung bei einer Erkrankung mit Covid-19 deutlich höher ist als nach einer Impfung gegen Corona. Die Forscherinnen und Forscher analysierten die Daten von insgesamt rund 1,7 Millionen Menschen, von denen die eine Hälfte geimpft und die andere ungeimpft war. Dabei fanden sie heraus, dass im Schnitt 2,7 von 100.000 Geimpften in den ersten 42 Tagen nach der Impfung eine Herzmuskelentzündung entwickeln. Bei denjenigen, die an Covid-19 erkrankten, waren es elf von 100.000 Personen.
»Falls jemand vor einer Coronaimpfung zurückschreckt, weil er Angst vor einer sehr seltenen und meist nicht sehr bedrohlichen Herzmuskelentzündung hat, zeigt diese Studie, dass das Myokarditis-Risiko für Ungeimpfte, die sich mit dem Coronavirus infizieren, viel höher ist«, hatte Ben Reis, Co-Autor der Studie, der »New York Times« gesagt.
Bei einer sogenannten Myokarditis kommt es zu einer Entzündung des Herzmuskels, meist als Folge einer Virusinfektion. Die Betroffenen fühlen sich meist schlapp und müde. Drei von vier Betroffenen bekommen zudem Luftnot oder Brustschmerzen. Die Stiko schreibt in der aktualisierten Empfehlung: »Nach den bisher vorliegenden Sicherheitsberichten ist der akute Verlauf von impfstoffbedingten Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen überwiegend mild.«