

Bedeutung des Lebensstils Wie sich das Demenzrisiko beeinflussen lässt
Der Lebensstil, aber auch der Wohnort können darüber entscheiden, ob ein Mensch später im Leben eine Demenz entwickelt oder nicht: Laut einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift "The Lancet" ließen sich 40 Prozent aller Demenz-Erkrankungen weltweit verhindern - oder zumindest herauszögern, wenn sich die Menschen gesünder verhalten würden.
Dafür müsste es jedoch gelingen, zwölf Faktoren zu verändern, die sich nachweislich auf das Demenzrisiko auswirken. Auf der Liste stehen neben exzessivem Alkoholkonsum oder einem hohen Blutdruck auch Kopfverletzungen, ein Hörverlust oder eine schlechte Schulbildung.
Schon heute leben weltweit rund 50 Millionen Menschen mit Demenz. Durch die immer höhere Lebenserwartung wird die Zahl bis 2050 voraussichtlich auf 152 Millionen steigen. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern sei eine große Zunahme zu erwarten, heißt es in dem Bericht, den 28 der weltweit führenden Demenzforscher verfasst haben.
Hörgeräte tragen, auch schon mit 40
Ihre Analyse verbinden die Autoren mit neun Empfehlungen, die das Demenzrisiko nachweislich senken können. Dabei richtigen sich die Forscher vor allem an Politiker, aber auch an jeden einzelnen Menschen:
Schon ab einem Alter von 40 Jahren sollte der immer zuerst genannte, höhere Wert beim Blutdruck 130 mmHg nicht übersteigen. Die Behandlung von Bluthochdruck sei bislang die einzig bekannte Möglichkeit, einer Demenz mit Medikamenten vorzubeugen, schreiben die Forscher.
Wer schlecht hört, sollte sich Hörgeräte anschaffen, auch schon in der Lebensmitte. Generell gilt: Das Gehör vor Lärm schützen. Studien sprechen dafür, dass mit zunehmender Schwerhörigkeit das Risiko für eine Demenz-Erkrankung steigt.
Den Kopf schützen, um das Verletzungsrisiko zu senken. Das gilt vor allem für Hochrisiko-Umgebungen wie den Straßenverkehr, aber auch für Sportarten wie Boxen oder Reiten.
Alkohol nur in Maßen. Denn: Exzessives Trinken provoziert Veränderungen im Gehirn, die wiederum das Demenzrisiko erhöhen.
Spätestens ab der Lebensmitte sollten Menschen körperlich aktiv sein, falls möglich bis ins Alter hinein.
Übergewicht reduzieren, dann sinkt auch das Risiko für Diabetes-Erkrankungen.
Menschen sollten gar nicht erst anfangen zu rauchen oder, falls es dafür zu spät ist, mit dem Rauchen aufhören. Der Rauchstopp könne sich auch noch in einem höheren Alter auszahlen, schreiben die Forscher.
Auch wichtig: Menschen sollten weniger Passivrauchen (müssen). Auch Luftverschmutzung steigert das Demenzrisiko.
Alle Kinder sollten eine Schulbildung erhalten. Bildung scheint zwar die Krankheit nicht abhalten zu können, hilft dem Gehirn aber, mit ihr umzugehen.
"Unser Bericht zeigt, dass es in der Macht von Politikern und jedem einzelnen liegt, einen beachtlichen Teil der Demenz-Erkrankungen vorzubeugen oder zu verzögern", sagt eine Autorinnen, Gill Livingston vom University College London. Am größten sei das Potenzial bei jenen, die heute am stärksten von den Risikofaktoren betroffen seien: Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern etwa oder Minderheiten einer Gesellschaft.
Vielleicht nicht verhindern, aber verzögern
Zwar haben die Gene noch immer den größten Einfluss darauf, ob jemand an Demenz erkrankt oder nicht. "Trotzdem ist es wichtig, auch die Faktoren zu betrachten, die beeinflussbar sind", sagt Jennifer Rusted von der University of Sussex, die nicht an dem Bericht beteiligt war. Dies gelte erst recht in einer alternden Gesellschaft und ohne ein heilendes Medikament.
Eine wichtige Botschaft dabei sei, dass es nicht den einen, sondern viele verschiedene Risikofaktoren gebe, betont Rusted: "Wenn es jemandem gelingt, auch nur wenige dieser Faktoren zu verändern, kann man zumindest herauszögern, wann die Einschränkungen beginnen, Lebensqualität und Unabhängigkeit zu beeinflussen."
In Deutschland lebten 2018 bereits 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenz-Erkrankung, rund 1,9 Prozent der Bevölkerung. Experten von Alzheimer Europe gehen davon aus, dass diese Zahl bis 2050 auf 2,7 Millionen ansteigen wird. Dann wären 3,4 Prozent der Menschen in Deutschland von der Erkrankung betroffen.
Dass die Zahl der Demenzkranken in Industrienationen wie Deutschland steigt, lässt sich vor allem mit der alternden Gesellschaft erklären. Für den einzelnen hingegen ist das Risiko heute sogar niedriger als noch vor ein paar Jahren, die Erkrankung zu entwickeln. Das liegt (siehe oben) vor allem daran, dass sich hierzulande heute Bluthochdruck besser behandeln lässt. Und dass der Bildungsgrad insgesamt recht hoch ist.