Unterschätzte Sportarten Zehn Gründe für Quadrathlon

Keine Qualifikation notwendig: Achim Achilles bei der Quadrathlon-Weltmeisterschaft
Foto: Robert HerholdTriathlon war gestern, Quadrathlon ist heute. Bei dem Ausdauervierkampf aus Schwimmen, Kajak, Rad und Laufen winken Blessuren, die sonst keiner hat. Zehn Gründe, warum der Vierkampf der Trendsport des Jahres 2014 sein sollte.
Anerkennung
Normalerweise hat der Athlet endlose Qualifikationen durchzustehen, um an einem großen Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Zur Quadrathon-WM am Wannsee vergangenes Wochenende musste man sich einfach nur anmelden und schon war der Einsatz fürs Vaterland gebongt. Ein selbst gestaltetes Nationaltrikot und die Hymne als Endlosschleife im Kopfhörer heben das Selbstwertgefühl immens.
Gesundheit
Ausdauersport ist immer richtig, Schwimmen sowieso. Kajak schult die Rumpfstabilität, Radfahren macht schöne Beine, der Lauf am Ende schleift den Charakter. Vielseitiges Training ohne Ausreden - irgendeine der vier Disziplinen geht immer. Da der Oberkörper gut zu arbeiten hat, besteht nicht die Gefahr, zum Laufleptosomen zu werden.
Gerechtigkeit
Keiner kann alles. Natürlich sind die Kanuten im Vorteil, weil kundiger Umgang mit dem wackeligen Rennboot mehr Spezialkönnen erfordert als stumpfes Treten. Aber im Laufe eines Wettbewerbs sieht man sich immer mal wieder: Schwimmer sind halt nicht zum Laufen geboren und umgekehrt. Dafür rennen beide Arm in Arm ins Ziel.
Kameradschaft
Als Neuling im Fußballverein wird man ausdauernd angeschwiegen, weil man Stammplätze bedroht, im Golfklub von einer Wolke aus Zigarrenqualm benebelt. Beim Quadrathlon dagegen gibt es sie noch, die kleine, kuschelige Community. Wer sein Boot vergessen hat, bekommt das Ersatzkajak vom Nebenmann geliehen, und wer damit kentert, erhält zumindest ein aufmunterndes Grinsen. We are family. Und weil keiner nennenswerte Sponsoren hat, hält sich auch der Neid in Grenzen.
Internationaliät
Weil es so wenige Quadrathleten gibt und entsprechend wenige Wettbewerbe, nehmen die Athleten gewaltige Reisen auf sich. Um bei der Quadrathlon-WM am vergangenen Wochenende am Berliner Wannsee zu starten, hat Sportsfreund Nicolas eine Anfahrt von 1200 Kilometer bewältigt, inklusive Frau und dreier Kinder, um dann 30. zu werden. Sieger Albert kommt aus Spanien, der Zweite, Stefan, aus Eppelheim, Leos (5.) aus der Slowakei, Milan (6.) aus Tschechien. Und Peter aus Neuseeland landet auf Platz zwölf.
Leistungsverdacht
Laufzeiten oder Velothon-Ergebnisse sind brutal vergleichbar. Wer beim Marathon über vier Stunden bleibt, ist eine Gurke, wer auf dem Rad weniger als 40 Stundenkilometer fährt, erst recht. Die Hackordnung unter Freizeitsportlern ist brutaler als im Hyänenrudel. Quadrathleten dagegen sind frei vom Zahlenterror.
Streckenlängen und Wetterbedingungen variieren derart, dass Vergleiche unmöglich sind. Laien, und das sind 99,9 Prozent der Menschheit, sind allein von den vier Disziplinen beeindruckt. Endlich mal ein Sport, der ungehemmte Bewunderung findet, und sei es nur aus Ahnungslosigkeit. Und endlich gibt's mal Finisher-T-Shirts, die sonst keiner hat.
Sozialprestige
Schon mal in Laufschuhen mit Neoprenanzug überm Arm und Zeitfahrmaschine sowie Kajakpaddel in der Hand durch die Nachbarschaft geschlendert? Unbedingt mal versuchen. Die Damen seufzen erotisiert, die Herren schwanken zwischen Neid und Bewunderung. Seit bärtige Outdoor-Honks die soften a- bis metrosexuellen Schwarzbrillen als Stilikone abgelöst haben, liegt der Quadrathlet mit seinem Werkzeug ganz weit vorn im Trend-Ranking.
Neue Sportgeräte
Klar, im Keller ist noch Platz. Ein Paddel kriegen wir da unter. Nur: Wohin mit dem neuen Boot, gerade im Winter ? Fünf Meter Länge bieten nur die wenigsten unserer Räume, allenfalls in der Diagonale. Weil das Treppenhaus zu eng ist, muss der Kahn über den Balkon gehievt werden. Inzwischen hat sich Mona ans Kajak an der Wohnzimmerdecke gewöhnt. Und die Kinder verbessern ihre Hand-Auge-Koordination, seitdem sie mit Erdnüssen in die Einstiegsluke zielen. Ich freue mich schon auf den Schimmel im Frühjahr.
Exotische Verletzungen
Neuer Sport, neue Blessuren. Quadrathleten laborieren besonders gern am gereizten Piriformis, einem Muskel im Sitzfleisch, der längeres Sitzen nicht mag, weder am Schreibtisch noch im Paddelboot. Au Backe. Immerhin horchen sogar nahezu ausdiagnostizierte Mitmenschen interessiert auf: Soso, Piriformis? Kannten wir noch gar nicht, könnten wir uns auch mal zulegen.
Endlich was Eigenes
Der Individualitätsdruck der modernen Leistungsgesellschaft ist immens. Jeder will sein Jodel-Diplom, also was Eigenes, das sonst keiner hat. Wir sehnen uns nach einer eigenen Allergie, einem super-originellen Tattoo und trinken nur noch Softdrinks von Hinterhof-Kollektiven. Endlich gibt es nun den passenden Sport. Und wenn zu viele Nachahmer auftauchen - einfach zum Quintathlon pimpen, mit Skaten, Surfen oder Langlauf als fünfter Disziplin. Das macht erst recht keiner.
Vielleicht doch lieber nur drei Sportarten? "Laufen und Triathlon - die besten Achilles-Kolumnen vom Irrsinn des Ausdauerdreikampfs" .