Akute Rückenschmerzen Paracetamol nicht besser als Placebo

Tabletten (Archivbild): Auch Placebos lindern den Schmerz meist - zumindest etwas
Foto: Emily Wabitsch/ dpaWenn das Kreuz akut schmerzt, wünschen sich Betroffene schnelle Hilfe. Viele greifen dann gerne zu Schmerztabletten, oder bekommen sie vom Arzt verschrieben. Doch einer aktuellen Studie zufolge sollte man sich dabei möglicherweise von einem Wirkstoff verabschieden: Paracetamol.
Eine im Medizinjournal "The Lancet" veröffentlichte australische Studie mit rund 1650 Patienten zeigt: Egal ob sie Paracetamol oder Placebo einnahmen - die Betroffenen erholten sich gleich gut und gleich schnell. Zum Ende der dreimonatigen Untersuchung waren rund 84 Prozent der Teilnehmer wieder fit. Die akuten Rückenschmerzen waren dabei durchschnittlich 17 Tage nach Studienbeginn abgeklungen.
Bisher war die Datenlage zu Paracetamol bei akutem Rückenschmerz tatsächlich schlecht. Die doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie von Christopher Williams von der University of Sydney und seinen Kollegen ist deshalb wichtig.
Lange eingesetzt, aber nicht ausreichend untersucht
Die Forscher hatten ihre Probanden in drei Gruppen mit je rund 550 Teilnehmern eingeteilt. Alle bekamen zwei Kästchen mit Tabletten, die für vier Wochen ausreichen sollten. Von den Pillen aus dem ersten Kästchen sollten die Patienten alle sechs bis acht Stunden zwei nehmen, maximal sechs Stück am Tag. Die aus dem zweiten sollten sie immer dann eine einnehmen, wenn sie dringend ein Schmerzmittel benötigten - allerdings mindestens im Abstand von vier bis sechs Stunden und höchstens acht Stück am Tag.
Die erste Probandgruppe hatte in Kästchen Nummer ein Paracetamol, in Kästchen Nummer zwei Placebos, bei der zweiten Probandengruppe war es umgekehrt. Die dritte Gruppe bekam nur Placebos. Weder die Teilnehmer noch die Forscher wussten aber, welche Tabletten jeweils in ihren Kästchen waren.
Die Studie wurde zu einen vom National Health and Medical Research Council of Australia finanziert, einer staatlichen Stelle. Zum anderen war das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline an der Finanzierung beteiligt und stellte die Paracetamol- und Placebo-Tabletten für die Probanden zur Verfügung.
Die Probanden litten unter akutem Rückenschmerz und waren im Schnitt 45 Jahre alt. Etwa gleich viele Männer und Frauen nahmen an der Studie teil. Zur Definition: Als akut wird Rückenschmerz bezeichnet, wenn er weniger als sechs Wochen anhält. Bleiben die Beschwerden danach weiter bestehen, gilt er als subakut. Sind die Schmerzen auch nach zwölf Wochen nicht abgeklungen, werden sie als chronisch bezeichnet.
Keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Gruppen
Das Ergebnis der Studie: Die Dauer bis zum Abklingen des Schmerzes, die Intensität des Leidens, die Schlafqualität, das Auftreten depressiver Verstimmungen - in keinem dieser Punkte gab es einen nennenswerten Unterschied zwischen den Gruppen. Und: Rund drei Viertel der Probanden waren mit der Therapie zufrieden, auch das war unabhängig von der Gruppe. Selbst drei Monate nach Studienbeginn, zum Ende der Untersuchung, zeigte sich kein Unterschied zwischen den drei Gruppen.
Das sei insofern erstaunlich, als dass Paracetamol bei anderen Schmerzen wie etwa nach einer Operation oder dem Ziehen eines Zahns ja durchaus effektiver sei als ein Placebo, schreiben die Autoren. Ob ihre Studie jedoch genügt, um die geltenden medizinischen Leitlinien in vielen Ländern umzuschreiben, ist fraglich.
Williams und seine Kollegen hoffen deshalb, dass die Frage auch andernorts untersucht wird. Diese Ansicht teilen zwei Wissenschaftler der Erasmus Universität im niederländischen Rotterdam in einem begleitenden Kommentar in "The Lancet" : Eine Bestätigung dieser Resultate sei nötig, ehe man Paracetamol als Option für Rückenschmerzpatienten verwerfe.
In der deutschen "Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz" wird ohnehin lediglich ein Behandlungsversuch mit Paracetamol angeraten, dessen Erfolg zu überprüfen sei: Die Schmerzlinderung sollte innerhalb einer Woche eintreten. Die Leitlinie betont, dass die maximale Tagesdosis drei Gramm pro Tag betrage. Bei einer höheren Dosierung könne der Wirkstoff die Leber dauerhaft schädigen.
Sogenannte traditionelle Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind laut Leitlinie ebenfalls nur eingeschränkt zu empfehlen: Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen lindern den Schmerz zwar etwas effektiver, haben dafür aber auch mehr Nebenwirkungen als Paracetamol.

Umsatz rezeptfreier Schmerzmittel
Foto: SPIEGEL ONLINESchneller gesund dank guter Prognose?
In der australischen Studie erholten sich die Probanden relativ schnell von ihrem Kreuzschmerz. Alle Teilnehmer waren ärztlich beraten worden, und die Mediziner hatten darauf hingewiesen, dass bei akutem Rückenschmerz die Chance sehr groß sei, dass er schnell und unkompliziert abklinge. Möglicherweise sei diese positive Aussicht heilsamer als so manches Schmerzmittel, vermuten die Autoren.
Laut einem kürzlich veröffentlichten Report der Techniker Krankenkasse (TK) sind Arbeitnehmer wegen Rückenleiden im Schnitt 17,5 Tage krankgeschrieben, insgesamt sind demnach im Jahr 2013 rund 40 Millionen Fehltage durch akuten und chronischen Kreuzschmerz zusammengekommen.
Auch in Deutschland gilt die ärztliche Beratung beim akuten Rückenschmerz als wichtige Maßnahme. Betroffene sollten zudem weder das Bett hüten, noch sich übermäßig schonen, sondern so weit wie möglich aktiv bleiben. Wärme kann ebenfalls helfen, die Schmerzen zu lindern. Krankengymnastik, Ergotherapie, Massagen oder Akupunktur werden dagegen bei akutem Rückenschmerz nicht empfohlen.
Besteht die Befürchtung, dass der Schmerz chronisch wird, können Entspannungsverfahren wie etwa die Progressive Muskelrelaxation helfen. Dann kann auch eine kognitive Verhaltenstherapie sinnvoll sein.
Hier finden Sie die Patienten-Version zur "Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz" . Und hier weiterführende Informationen zum Thema Kreuzschmerzen .