Alkoholkonsum und Gesundheit Ist jedes Glas eines zu viel?

Alkohol kann beträchtlichen Schaden anrichten. "Der Übergang von genussvollem Trinken zum Missbrauch und schließlich in die Sucht ist fließend", warnt etwa Bernd Thränhardt, trockener Alkoholiker, der heute Menschen mit Suchtproblemen berät. Allerdings trinken viele Menschen gelegentlich Alkohol, ohne abhängig zu werden.
Alkohol kann jedoch auch jenseits einer Sucht schaden. Er kann Krebs auslösen und das Risiko für verschiedene Krankheiten, darunter Diabetes und Tuberkulose erhöhen.
Wie stark gefährdet Alkoholkonsum also generell die Gesundheit? Eine große im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichte Studie, in der Forscher Daten aus Hunderten Untersuchungen mit 28 Millionen Teilnehmern aus fast 200 Ländern ausgewertet haben, will diese Frage jetzt detailliert beantworten.
Ihr Fazit: Auch die geringste Menge Alkohol ist problematisch. Um der Gesundheit nicht zu schaden, sollte man darauf verzichten.
Frühere Studien waren zum Teil zum Schluss gekommen, dass ein geringer Alkoholkonsum der Gesundheit sogar zuträglich ist. Allerdings haben Wissenschaftler schon länger diskutiert, ob diese Schlussfolgerung nicht auf Statistikfehlern beruhte. (Mehr dazu hier)
"Wir sollten weltweit die gesetzlichen Regelungen und Gesundheitsprogramme überprüfen und erwägen, Abstinenz zu empfehlen", sagt Emmanuela Gakidou von der University of Washington, die an der Studie beteiligt war. Man müsse über höhere Steuern auf Alkohol, Einschränken der Werbung für Alkohol, eingeschränkte Zeiten für den Alkoholverkauf und ähnliche Maßnahmen nachdenken.
Abstinenz oder risikoarmer Konsum?
Bisher wird in Deutschland nicht Abstinenz empfohlen, sondern ein maßvoller Konsum . Männer sollten pro Tag höchstens 24 Gramm Alkohol (entspricht gut einem halben Liter Bier oder einem Viertelliter Wein) trinken, Frauen die Hälfte. Beide sollten an mindestens zwei Tagen pro Woche ganz auf Alkohol verzichten.
Wer hat's bezahlt?
Die Arbeit wurde von der Bill & Melinda Gates Foundation finanziert.
Sollte sich das nach dieser Studie ändern?
Darüber kann man geteilter Meinung sein, wenn man sich die Zahlen aus der Veröffentlichung genauer ansieht.
- In einem Jahr, in dem 100.000 Menschen zwischen 15 und 95 Jahren gar keinen Alkohol trinken, erkranken 914 von ihnen oder ziehen sich eine Verletzung zu, die mit Alkohol in Zusammenhang steht.
- In einem Jahr, in dem 100.000 Menschen zwischen 15 und 95 Jahren ein alkoholisches Getränk pro Tag konsumieren, erkranken 918 von ihnen oder ziehen sich eine Verletzung zu, die mit Alkohol in Zusammenhang steht. Also vier mehr pro 100.000.
- Konsumieren 100.000 Menschen zwei alkoholische Getränke pro Tag, steigt die Zahl der Krankheitsfälle auf 977 pro Jahr, trinken sie fünf Gläser pro Tag, steigt sie auf 1252.
Unter die 23 Krankheiten beziehungsweise Verletzungen, die mit Alkohol in Zusammenhang stehen können, fallen unter anderem Leberzirrhose und Leberkrebs, aber auch Diabetes, Epilepsie, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Darmkrebs, Tuberkulose, Selbstverletzungen sowie Verkehrsunfälle. Dass viele dieser Probleme nicht nur vom Alkoholkonsum abhängen, erklärt, dass die Zahl auch bei Abstinenz nicht auf null fällt.
Der bekannte britische Medizinstatistiker David Spiegelhalter kritisiert die Schlussfolgerung, dass diese Zahlen Abstinenz begründen. Es müssten 25.000 Menschen zusammen 400.000 Flaschen Gin leeren, damit einer von ihnen ein gesundheitliches Problem bekomme. Für Gelegenheitstrinker sei also der Schaden sehr gering und man müsse ja auch ihre Freude dagegen rechnen.
In einem Begleitartikel im "The Lancet" lautet das Fazit dagegen, dass die Studie die jüngsten britischen Richtlinien stütze: Es gibt kein sicheres Level des Alkoholkonsums.