Wichtige Bakterien Gesunde Darmflora schützt vor Asthma

E.coli-Bakterien: Wer lebt im Darm?
Foto: CorbisOb jemand an Asthma erkrankt, ist nur zum Teil mit den Genen zu erklären. Zwar wird eine Veranlagung dazu vererbt, doch Umweltfaktoren - vermutlich eine Kombination aus zu großer Hygiene auf der einen und Umweltverschmutzung auf der anderen Seite - haben einen großen Einfluss. So lässt sich erklären, dass die Zahl der Asthmakranken in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen ist. Und dass Menschen in Industrienationen häufiger betroffen sind als jene in Entwicklungsländern.
Asthma ist die häufigste Krankheit unter Kindern in den Industrienationen, wie ein Forscherteam im Fachblatt "Science Translational Medicine" schreibt. Die Wissenschaftler um Marie-Claire Arrieta und Leah Stiemsma von der University of British Columbia im kanadischen Vancouver haben untersucht, inwiefern die Darmflora beeinflusst, ob ein Kind Asthma entwickelt oder nicht.
Ihren Ergebnissen zufolge erhöht ein Fehlen wichtiger Darmbakterien im Alter von drei Monaten das Risiko, dass die Krankheit später ausbricht.
Vier besondere Bakterien
Die Wissenschaftler konnten auf Daten einer großen kanadischen Studie zur Kindergesundheit zurückgreifen, in der Kinder bis zum fünften Lebensjahr untersucht werden, der Child-Study . Die Forscher analysierten in Stuhlproben, wie sich die Darmflora von 319 teilnehmenden Kindern im Alter von drei Monaten und einem Jahr zusammensetzte. Zusätzlich ermittelten sie das Asthmarisiko der Kinder im Verlauf der Studie beziehungsweise ob die Krankheit im Alter von drei Jahren schon ausgebrochen war.
22 der untersuchten Kinder hatten ein besonders hohes Risiko, da bei ihnen im Alter von einem Jahr die Haut beim sogenannten Prick-Test schon allergisch reagierte und sie bereits - mit oder ohne Erkältung - teilweise pfeifende Atemgeräusche hatten.
Als diese Kinder drei Monate alt waren, kamen vier Bakteriengattungen deutlich seltener in ihrer Darmflora vor als bei den anderen Kindern. Es handelte sich dabei um Lachnospira, Veillonella, Faecalibacterium und Rothia. Diese Unterschiede waren weitgehend verschwunden, als die Kinder ein Jahr alt waren.
Die Schlussfolgerung: Es gibt ein frühes Zeitfenster, in dem eine aus der Balance geratene Darmflora die spätere Entstehung von Asthma fördert. Dies passt in gewisser Weise zur Hygiene-Hypothese, laut der Allergien häufiger werden, weil wir in einer zu sauberen Umgebung mit wenigen Keimen aufwachsen. Diese Idee entstand unter anderem aus der Beobachtung heraus, dass Stadtkinder häufiger Allergien entwickeln als Kinder vom Bauernhof. So zeigt zum Beispiel eine Untersuchung, dass Kinder, die mit Hunden oder Katzen aufwachsen, seltener eine Tierhaarallergie bekommen.
Vom Mensch zur Maus
Um ihr Ergebnis zu überprüfen, übertrugen die kanadischen Forscher die Bakterienmischung eines besonders gefährdeten Kindes auf keimfrei aufgewachsene Mäuse. Andere Mäuse erhielten den mit den vier genannten Gattungen angereicherten Bakterienmix.
Die Studie wurde von verschiedenen staatlichen und gemeinnützigen Stellen finanziert, darunter die Canadian Institutes of Health Research und die Childhood Asthma Foundation.Fünf der Autoren haben in den USA ein Patent eingereicht, in dem es um die Zusammensetzung der Darmflora als Diagnose- und Vorbeugeoption für Asthma geht.
Beim Nachwuchs dieser Mäuse unterschied sich die Darmflora entsprechend. Eine extra ausgelöste Entzündungsreaktion in den Lungen der Tiere war deutlich stärker, wenn die vier Bakteriengattungen bei den Mäusen selten waren.
Nach Angaben der Forscher eignet sich ein Darmflora-Profil also als früher Risikomarker für Asthma. Und eventuell kann ein gezielter Einsatz von Probiotika helfen. Dies muss jedoch erst in Studien belegt werden.
Was Asthma fördert
Das Ergebnis passt zu einigen bekannten Risikofaktoren für Asthma, und zwar
- Entbindung per Kaiserschnitt,
- nicht gestillt werden,
- Antibiotika-Einnahme in den ersten Lebensmonaten.
Schon bei der Geburt übernimmt das Kind einen Teil der Bakterienflora der Mutter, wie es Maria Gloria Dominguez-Bello und Martin Blaser von der New York University in einem Begleitartikel in "Science TL" beschreiben. Sie bedeckten nach der Geburt die Haut, seien im Mund - beim ersten Stillen wandern sie daher auch vom Baby in die mütterlicher Brust. Gleichzeitig ließe die Milch die Mikroben im Verdauungstrakt des Kindes gedeihen und liefere weitere Bakterien.
Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen und Kinder, die nicht gestillt werden, haben erst einmal ein Defizit in Sachen Darmflora. Ebenso kann eine frühe Antibiotikagabe die Bakterienvielfalt reduzieren. Nach Angaben von Dominguez-Bello und Blaser haben die Menschen infolge des modernen Lebensstils bereits etwa die Hälfte der Bakterienvielfalt der Darmflora verloren.
Der an der Studie beteiligte Kinderarzt Stuart Turvey weist darauf hin, dass das Ergebnis bestätigt, dass der Einsatz von Antibiotika bei Kindern wohlbedacht sein will. "Bei einer bakteriellen Infektion sind sie absolut angezeigt." Aber bei einem Virusinfekt - gegen den sie ohnehin nicht helfen - sollte man eben darauf verzichten.

Nina Weber ist Biochemikerin und Krimiautorin mit einem Faible für kuriose Studien. Sie ist Redakteurin im Ressort Gesundheit bei SPIEGEL ONLINE.