Radioaktive Strahlung AKW-Angestellte sterben häufiger an Krebs

Radioaktive Strahlung: Auch geringe Mengen können auf Dauer kritisch für die Gesundheit sein
Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpaViereinhalb Jahre nach dem Super-GAU in Fukushima wurde bei einem früheren Angestellten Leukämie diagnostiziert. Ein direkter Zusammenhang zu der hohen radioaktiven Strahlung nach der Kernschmelze 2011 gilt als sehr wahrscheinlich, das musste selbst die japanische Regierung eingestehen.
Erkenntnisse über das Risiko einer Krebserkrankung durch radioaktive Strahlen basierten bisher meist auf Studien, die nach atomaren Katastrophen wie in Fukushima oder Tschernobyl durchgeführt wurden. Jetzt untersuchte eine internationale Langzeitstudie, ob auch die viel niedrigeren Dosen radioaktiver Strahlung in intakten Atomkraftwerken das Krebsrisiko erhöhen können.
Die Forscher werteten dafür die äußerliche Strahlenbelastung von mehr als 300.000 französischen, britischen und amerikanischen Angestellten aus, die in Atomkraftwerken, bei Projekten mit Atomwaffen oder in Forschungslaboren arbeiteten. Im Schnitt begleiteten die Forscher die Mitarbeiter 26 Jahre lang. Die Daten verglichen sie anschließend mit den Krebsfällen in den Sterberegistern des jeweiligen Landes. Dabei bezogen sie sich auf alle Krebsformen außer Leukämie. Über den Blutkrebs wurde eine gesonderte Studie durchgeführt.
Hohe Strahlungsbelastung, mehr Krebstote
In allen drei Ländern gab es ähnliche Ergebnisse: Die umfassenden Daten zeigen, dass sich auch niedrige radioaktive Strahlung auf das Krebsrisiko auswirken können. Je höher die Strahlenbelastung war, desto mehr Menschen starben an Krebs, berichten die Forscher im "British Medical Journal" . Sie gehen davon aus, dass 209 der 19.064 beobachteten Krebstodesfälle in Zusammenhang mit der äußerlichen Strahlenbelastung stehen. Die Ergebnisse könnten helfen, die Sicherheitsstandards in der Nuklearindustrie zu verbessern.
Die Forscher gehen in ihrer Interpretation sogar noch einen Schritt weiter. Entgegen der bisherigen Annahme sei es für das Krebsrisiko egal, ob ein Mensch nur kurz hohen radioaktiven Strahlen oder über einen langen Zeitraum einer geringen Strahlenbelastung ausgesetzt wird - so das Forscherteam mit Blick auf eine Studie an den Überlebenden der japanischen Atombomben. Kritiker zweifeln allerdings an dieser Schlussfolgerung.
Mark Little, ein von der Studie unabhängiger Forscher vom US National Cancer Institut, weist in einem begleitenden Kommentar im "British Medical Journal" auf die Unsicherheiten der Studie hin. Das Forscherteam rund um den Epidemiologen David Richardson von der University of North Carolina rechnete zwar das Alter der Kernkraft-Mitarbeiter und ihrer Beschäftigungsdauer aus der Risikoberechnung heraus. Ihnen fehlten aber Informationen zu krebsfördernden Lebensgewohnheiten wie Rauchen oder einer erhöhten Asbestbelastung.
Schwachpunkt Rauchen
Dies schwäche die Resultate der Studie stark, so Little. Richardson und Kollegen versuchten diesem Problem entgegenzuwirken, indem sie die für das Rauchen typischen Krebserkrankungen - das sind 70 Prozent der untersuchten Krebsformen - aus der Berechnung ausschlossen. Die Ergebnisse waren dann allerdings nicht mehr statistisch belastbar. Rechneten sie hingegen nur die Lungenkrebsfälle heraus, blieben die Ergebnisse haltbar. Laut Little könne ein Einfluss des Rauchens auf die Resultate der Studie dennoch nicht komplett ausgeschlossen werden.
Das ist ein bekanntes Problem in der Erforschung des Krebsrisikos durch radioaktive Strahlung. Die Arbeit etwa in Atomkraftwerken ist letztlich nur eine mögliche Ursache für die Entstehung bösartiger Tumoren. Der Nachweis eines direkten Zusammenhangs von Radioaktivität und Krebs wäre nur nach der Durchführung eines Experiments möglich, bei dem eine Gruppe von Menschen absichtlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt werden müsste.
Auch ist es häufig schwierig, die genaue Strahlenbelastung jedes Einzelnen einzuschätzen. Hier liegt eine Stärke der aktuellen Studie. Richardson und sein Team konnten bei ihrer Forschung auf die Daten der persönlichen Dosimeter der untersuchten Kernkraftmitarbeiter zurückgreifen. Das Gerät zeichnet die Strahlenmenge auf, der ihr Träger während seiner Arbeit ausgesetzt wird.
Die Studie trage zu den immer stärkeren wissenschaftlichen Belegen bei, dass auch moderate oder geringe radioaktive Strahlung das Krebsrisiko erhöhen, schreibt Mark Little. Für ihn ist der festgestellte Effekt trotzdem eher gering: Für einen Arbeiter in der Nuklearindustrie steigt das Risiko an Krebs zu sterben laut den Daten um 0,1 Prozent. Das allgemeine Grundrisiko an Krebs zu sterben liegt bei 25 Prozent.