Patientenbeschwerden Gutachter weisen Ärzten mehr Behandlungsfehler nach

OP-Klemme im Bauchraum (gestellt): Medizinischer Dienst begutachtete rund 12.700 Beschwerden
Foto: dapdBerlin - Im vergangenen Jahr waren mehr Beschwerden von Patienten über Behandlungsfehler begründet als 2010. Das geht aus der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Bilanz der Gutachter des Medizinischen Dienstes beim Spitzenverband der Krankenkassen (MDK) hervor.
Die Gutachter des MDK überprüften im vergangenen Jahr insgesamt 12.686 Vorwürfe. Dabei haben sie rund 4070 Behandlungsfehler in Kliniken und Arztpraxen festgestellt. In fast jedem dritten Fall wurde demnach der Vorwurf bestätigt, bei knapp jedem vierten aller untersuchten Fälle war der Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden.
Zwei Drittel der Vorwürfe richteten sich gegen Krankenhäuser, ein Drittel gegen niedergelassene Ärzte. Die meisten Fehler machten Ärzte bei der Therapie von Kniegelenks- und Hüftgelenksarthrose. Am häufigsten konfrontierten die Patienten Orthopäden und Chirurgen mit Vorwürfen.
Behandlungsfehler-Statistik 2011 im Detail
Laut dem letzten Fehlerbericht des Medizinischen Dienstes wurden im zweiten Halbjahr 2010 rund 6300 Behandlungsfehler-Gutachten erstellt. Damals war in jedem fünften Fall ein Behandlungsfehler verantwortlich für einen Gesundheitsschaden, insgesamt wurde auch 2010 knapp jeder dritte Vorwurf bestätigt. Der Medizinische Dienst begutachtet seit 1995 jährlich eine große Zahl solcher Vorwürfe, mit denen sich Versicherte an ihre Kasse wenden.
Wie viele Kunstfehler insgesamt passierten, ist unklar. Denn Patienten können sich auch an die Ärztekammern wenden oder den Mediziner direkt verklagen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen erfasst nur einen Teil der Behandlungsfehler. Schätzungsweise rund 40.000 Versicherte beanstanden pro Jahr insgesamt ihre Behandlung bei Ärztekammern, Kassen und vor Gericht. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sollen Zehntausende Menschen jedes Jahr wegen Ärztefehlern allein in Deutschlands Kliniken sterben. Das Bundesgesundheitsministerium geht von einer Spanne zwischen 40.000 bis 170.000 Behandlungsfehlern pro Jahr aus.
Im Juni hatte die Bundesärztekammer die Zahlen der von ihr registrierten Medizinerfehler bekanntgegeben, die leicht gestiegen waren: 99 Menschen waren 2011 an den Folgen der untersuchten Ärztefehler gestorben, 2010 waren es 87 Patienten. Demnach waren 2287 Behandlungen oder Diagnosen falsch, oder die Patienten wurden nicht richtig über die Risiken der Behandlung aufgeklärt. Insgesamt hatten sich 11.107 Patienten bei den Gutachterstellen und Schlichtungskommissionen der Ärztekammern beschwert.
Hoffnung ruht auf neuem Patientenrechtegesetz
Das grundsätzliche Problem der Statistiken sowohl der Krankenkassen als auch der Ärztekammer ist, dass nur ein Bruchteil der Behandlungen überhaupt erfasst wird: In Deutschland gab es nach Angaben des Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Gutachterkommission und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, Andreas Crusius, alleine bei den Hausärzten im ersten Quartal 2011 rund 45 Millionen Behandlungsfälle mit rund 105 Millionen Patientenkontakten. Dazu kommen mehr als 16 Millionen stationäre Behandlungen.
Dass die Dunkelziffer der Behandlungsfehler so hoch ist, liegt auch an dem beschwerlichen Weg, der vor den Patienten liegt: Sie müssen beweisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat. Auch gibt es für die Hilfestellung verschiedene Ansprechpartner wie die Beschwerdestellen in Krankenhäusern, die Krankenkassen, die Gutachterkommissionen und Schiedsstellen. Einen Überblick, wie betroffene Patienten vorgehen sollten, gibt das Aktionsbündnis Patientensicherheit auf seiner Webseite.
Die Bundesregierung will die Rechte der Patienten stärken. Im Mai beschloss das Bundeskabinett dazu das Patientenrechtegesetz . In gravierenden Fällen soll künftig in bestimmten Fällen der Arzt beweisen müssen, dass ein Schaden nicht von einem Fehler herrührt. Kritiker fordern allerdings eine grundsätzliche Beweislastumkehr, so dass immer der Arzt nachweisen müsste, dass sein Fehler nicht die Ursache eines Schadens ist.
Kritikern geht das geplante Gesetz nicht weit genug. So fordern etwa die Grünen, die Beweislast bei Behandlungsfehlern umzukehren. Dann müsste der Arzt nachweisen, dass sein Fehler nicht die Ursache eines Schadens ist.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war zu lesen, der Anstieg der bestätigten Behandlungsfehler sei von 20 Prozent im Jahr 2010 auf knapp 30 Prozent im Jahr 2011 angestiegen. Das ist so nicht richtig: Im Jahr 2010 gab es 20 Prozent kausale Fehler, also Behandlungsfehler die zu einem Gesundheitsschaden des Patienten führten, im Jahr 2011 waren es 24 Prozent. Dagegen bleibt der Anteil aller bestätigten Behandlungsfehler mit jeweils knapp 30 Prozent annähernd gleich. Wir hatten zum Vergleich die Statistik aus dem Jahr 2009 angegeben, diese Zahlen sind aufgrund von Änderungen in der Auswertung nicht mit den Zahlen aus 2010 und 2011 vergleichbar. Wir haben die Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.