Deutschland Bei Rückenschmerzen wird zu schnell geröntgt

Oft sind Menschen betroffen, die viel sitzen
Foto: Inga Kjer/ dpaZiehen im Kreuz, Schmerzen an der Bandscheibe: Jeder fünfte gesetzlich Versicherte geht mindestens einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen zum Arzt - insgesamt sind das rund 38 Millionen Besuche beim Haus- oder Facharzt.
Wer wegen eines Rückenleidens medizinische Hilfe sucht, wird in Deutschland einer Studie zufolge zu schnell und oft unnötig geröntgt. Viele der jährlich sechs Millionen Aufnahmen mitRöntgengeräten, Computertomografen (CT) und Magnetresonanztomografen (MRT) wären vermeidbar, berichtet die Bertelsmann-Stiftung. Die Ärzte rückten die vielfach überzogenen Erwartungen ihrer Patienten an die Untersuchung oft nicht zurecht.
Bei 22 Prozent der Patienten wurde laut der Studie eine Aufnahme vom Rücken bereits im ersten Quartal der Erstdiagnose angeordnet - entgegen den Empfehlungen der ärztlichen Leitlinien. Bei jedem zweiten Patienten wurde ein Bild veranlasst, ohne vorher konservative Therapieversuche etwa mit Schmerzmitteln oder Physiotherapie zu unternehmen.
Bettruhe vermeiden
Dabei gelten 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen als medizinisch unkompliziert. Die ärztlichen Leitlinien empfehlen bei Rückenschmerzen, bei denen es keine Hinweise auf gefährliche Verläufe wie Wirbelbrüche oder Entzündungen gibt, körperliche Aktivitäten so weit wie möglich beizubehalten, Bettruhe zu vermeiden und auf bildgebende Diagnostik zu verzichten.
Ärzte weichen davon jedoch häufig ab. So werden der Studie zufolge 43 Prozent der Betroffenen Ruhe und Schonung empfohlen. Zudem verstärkten Ärzte oft das Krankheitsgefühl der Patienten - fast jedem Zweiten werde vermittelt, dass der Rücken "kaputt" oder "verschlissen" sei.
Auch die Patienten haben laut Bertelsmann-Stiftung oft falsche Erwartungen. Mehr als zwei von drei Versicherten (69 Prozent) meinen, dass der Arzt durch Röntgenaufnahmen, CT oder MRT die genaue Ursache des Schmerzes findet. Doch Ärzten gelingt dies bei höchstens 15 Prozent der Betroffenen.
CT und Röntgen sind mit Strahlenbelastung verbunden, insgesamt sind die bildgebenden Verfahren teuer. "Zwar schadet die Strahlenbelastung einem Einzelnen erstmal nicht, kollektiv gesehen müssen wir aber an einer Reduzierung der Belastung arbeiten", sagt der Radiologe Braunschweig.
Unnötige Röntgenbilder können zudem kränker machen, als der Patient eigentlich sei, sagt Eckhard Volbracht, bei der Bertelsmann-Stiftung zuständig für den "Faktencheck Rücken". So zeigten die meisten Röntgenbilder von Über-60-Jährigen Verschleiß an - ob das nun mit den Rückenschmerzen zu tun hat oder nicht. Werden solche Befunde überbewertet, ist der Patient verunsichert, weitere Untersuchungen und unnötige Therapien könnten folgen. Schlimmstenfalls könne eine übersteigerte Krankheitsaufmerksamkeit dazu führen, dass die Schmerzen chronisch werden.