Individuelle Immuntherapie Bienenallergie ade

Biene im Anflug: Für einige Menschen kann ein Stich lebensbedrohlich sein
Foto: Frank Rumpenhorst/ picture alliance / dpaAls Florian Westermann* am Abend in der Klinik ist, freut er sich, dass er noch lebt. Dabei hatte er sich am Morgen noch auf einen entspannten Tag am See gefreut. Er hatte es sich mit seiner Frau und der kleinen Tochter auf einer Picknickdecke gemütlich gemacht. Aber auf einmal war er zusammengezuckt, das weiß er noch, etwas hatte ihn in den Oberarm gestochen. Überall an seinem Körper fing es an zu jucken, ihm wurde schwarz vor Augen. Dass seine Frau einen Notarzt rief, bekam er kaum noch mit. Der Mediziner spritzte Medikamente, nach einer halben Stunde ging es Westermann wieder besser. "Glück gehabt", sagt ihm der Arzt später in der Klinik, "Ihre Insektenallergie sollten Sie behandeln lassen - beim nächsten Mal könnte es zu spät sein."
Für drei bis fünf Prozent der Bevölkerung ist ein Insektenstich lebensgefährlich: Wie bei Westermann reagiert der ganze Körper auf das Gift. Ein juckender Ausschlag, der aussieht, als sei man in Brennnesseln gefallen, breitet sich innerhalb von Minuten auf dem Körper aus. Übelkeit und Luftnot kommen hinzu. Im schlimmsten Falle setzt die Atmung aus und das Herz hört auf zu schlagen.
Bienen- oder Wespenstich?
Gemäß statistischem Bundesamt sterben pro Jahr etwa 20 Menschen durch Stiche von Bienen, Wespen oder Hornissen. "In Wirklichkeit könnten es aber viel mehr sein, weil die Todesfälle mitunter nicht auf Insektenstiche zurückgeführt werden", sagt Markus Ollert, Oberarzt in der Dermatologie und Allergieforscher an der Technischen Universität München. Er erinnert sich noch genau an Westermann, der sich später in seiner Allergiestation vorstellte. "Er war fest überzeugt, von einer Wespe gestochen worden zu sein, weil er Eis gegessen hatte."
Wespen lieben Süßes - stechen aber meist nur, wenn sie geärgert oder gestört werden. Bienen hingegen trifft man eher in der Nähe ihrer Bienenstöcke, an Blüten oder im Klee. Ollert wollte nicht ausschließen, dass sein Patient beim Spielen mit seinem Kind im Gras von einer Biene gestochen worden war. Haut- und Bluttests gaben ihm recht: Westermann ist allergisch gegen Bienengift.
"Reagiert jemand mit Kreislaufzusammenbruch oder Atemnot auf Insekten, sollte er eine Immuntherapie machen lassen", sagt Peter Schmid-Grendelmeier, Professor für Allergologie am Universitätsspital Zürich. "Die wirkt bei vier von fünf Patienten, und die meisten vertragen sie gut."
Ein ungewöhnlicher Allergietest
Zur Therapie spritzt der Arzt dem Patienten mehrere Jahre jeden Monat genau definierte Mengen des Giftes unter die Haut. So gewöhnt sich der Körper allmählich an den fremden Stoff. Nach der Therapie reagieren mehr als 80 Prozent der Patienten gar nicht oder nur noch mit Rötung und Schwellung der Haut auf einen Stich. "Leider gibt es bislang noch keinen Bluttest, der uns klar sagt, wie gut man danach geschützt ist", sagt Schmid-Grendelmeier.
In manchen Kliniken können sich Patienten daher unter Notfallbereitschaft eines Arztes von einer Biene stechen lassen und überprüfen, ob sie noch allergisch reagieren. "So eine Stichprovokation bietet sich an, wenn sich die Blutwerte nicht in die gewünschte Richtung ändern oder man sich dadurch sicherer fühlt", sagt Schmid-Grendelmeier. Einer seiner Patienten entschied kürzlich nach vier Jahren Immuntherapie, sich in der Universitätsklinik Zürich von einer Biene stechen zu lassen. Nur dank sofortiger Schocktherapie überlebte er. "Innerhalb von Minuten bekam er einen schweren allergischen Schock mit Kreislaufzusammenbruch", erzählt Schmid-Grendelmeier. "Die Immuntherapie hatte ihn leider überhaupt nicht geschützt."
Schmid-Grendelmeier schickte Blutproben des Patienten zur Analyse in das Labor von Markus Ollert nach München. Den wunderte es nicht, dass der Patient auf die Immuntherapie nicht ansprach. "Der Mann ist gegen ein Eiweiß im Bienengift allergisch, das in der heutigen Immunlösung in zu geringer Konzentration vorkommt", erklärt der Allergologe. Das sei einer der Hauptgründe, warum bei zwei von zehn Patienten die Immuntherapie nicht wirke, erklärt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Individuell angepasste Immuntherapie
"Wir kennen inzwischen einige Stoffe, die die Immunantwort beeinflussen", sagt Cezmi Akdis, Direktor des Schweizerischen Instituts für Allergieforschung und bis vor kurzem Präsident der Europäischen Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologieberichtete. Auf dem Weltallergiekongress in Mailand berichtete er kürzlich: "Mit diesen Erkenntnissen können wir Patienten in einigen Jahren hoffentlich eine individuell angepasste, personalisierte Immuntherapie anbieten."
Bis dahin bleibt Bienenallergikern nur, sich von Klee und Bienenstöcken fernzuhalten. Oder eine Immuntherapie machen zu lassen - und zu hoffen, dass diese schützt. "Ist ein Schutz aufgebaut, hält er vermutlich lebenslang", sagt Schmid-Grendelmeier. Aber da man das noch nicht hundertprozentig wisse, sollten Allergiker wie Westermann immer Notfallmedikamente dabei haben. "Das gehört zum Badetag am See für Allergiker dazu."