Lebensgefährliche Sepsis Bei einer Blutvergiftung zählt jede Minute

Blutzellen (Illustration): Die Sepsis entsteht oft infolge einer Lungenentzündung
Foto: CorbisEs kann ganz harmlos beginnen, etwa mit einem Schnitt in den Finger beim Kartoffelschälen. Der Kratzer blutet zwar, doch ist er desinfiziert und mit einem Pflaster versehen, scheint alles gut.
"Das stimmt zumeist auch. Doch wer ein geschwächtes Immunsystem hat, bekommt unter Umständen nicht nur eine lokale Entzündung, sondern kann sich auch mal eine Blutvergiftung zuziehen", sagt Intensivmediziner Michael Bauer vom Universitätsklinikum Jena. Unter anderem bei Diabetikern und Krebskranken arbeitet die Körperabwehr nicht hundertprozentig, so dass sie ein höheres Risiko für die auch als Sepsis bezeichnete Blutvergiftung haben.
In Deutschland erkranken Schätzungen zufolge pro Jahr rund 160.000 Menschen an einer Sepsis, etwa 60.000 von ihnen sterben infolge der Blutvergiftung.
Jede offene Wunde ist ein Eintrittstor für Bakterien
Oft ist die Blutvergiftung die Folge eines Infekts der unteren Atemwege oder einer Lungenentzündung. Etwa zwei Drittel der Sepsis-Patienten erkranken in einer Klinik - infolge einer Wundinfektion nach einer Operation oder bedingt durch einen Blasen- oder Venenkatheter oder einen Beatmungsschlauch. Doch auch jede offene Wunde ist ein Eintrittstor für Bakterien, die eine Blutvergiftung verursachen können. Eiternde Zähne sind ebenfalls eine Erregerquelle.
Sepsis - Tod im Zeitraffertempo
Normalerweise dämmt das Immunsystem solche Infektionen ein. Schafft es das nicht, können die Erreger und ihre Giftstoffe in die Blutbahn übertreten. Greift die Körperabwehr dann wieder ein, schädigt sie nicht nur die Bakterien, sondern auch die eigenen Organe und das Gewebe.
"Das gilt insbesondere dann, wenn bei einem Menschen eine bestimmte genetische Risikokonstellation vorhanden ist, die die Funktion von einigen Immunmolekülen beeinträchtigt", sagt Bauer. Die durch die lokale Entzündung ausgelöste Immunantwort läuft dann völlig aus dem Ruder. Stoffwechselvorgänge geraten durcheinander mit der Folge, dass Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Es kommt zum Organversagen. Im Extremfall erweitern sich die Blutgefäße, der Blutdruck sinkt stark ab, das Herz rast, der Sauerstoff für die Zellen wird immer knapper und irgendwann bricht der Kreislauf zusammen. Dann sprechen die Ärzte von einem septischen Schock. Dieser endet in 60 Prozent der Fälle tödlich.
"Es ist deshalb ganz wichtig, dass eine Blutvergiftung frühzeitig erkannt wird", sagt Bauer. Die Sepsis sei ein Wettlauf mit der Zeit. Mit jeder Stunde verschlechtert sich die Prognose. Deshalb ist es vor allem für immungeschwächte Menschen wichtig, eine Wunde, aber auch andere Beschwerden wie Husten und Auswurf, aufmerksam zu beobachten.
Kommen ein schweres Krankheitsgefühl und hohes Fieber hinzu, kann dies auf eine beginnende Blutvergiftung hindeuten. Breitet sich bei einer Weichteilverletzung die lokale Entzündungsreaktion aus, ist es besser, wenn ein Arzt das abklärt. "Tritt ein roter Streifen entlang der Lymphbahn auf, ist das kein Zeichen für eine Blutvergiftung. Aber aus dieser nur selten auftretenden Entzündung könnte noch eine Blutvergiftung werden", sagt Bauer und rät auch in diesem Fall zum Arztbesuch.
Nicht zögerlich handeln
Zu den Frühzeichen einer Sepsis gehören außerdem Herzrasen, schnelle, schwere Atmung sowie eine plötzliche Verwirrtheit und bei etwa einem Viertel bis Drittel der Patienten Schüttelfrost. Wer derartige Symptome bei sich oder anderen Menschen feststellt, sollte direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehen oder einen Notarzt rufen.
Eine beginnende Blutvergiftung ist laut Bauer sehr gut behandelbar. Wichtig ist, dass Ärzte auf mögliche Antibiotikaresistenzen der Erreger achten und das Antibiotikum ausreichend hoch dosieren. "Dann ist es möglich, ein Fortschreiten zu verhindern", sagt der Jenaer Mediziner. Bei einer Sepsis ist der Stoffwechsel deutlich verändert und erfordert eine höhere Antibiotikadosis.
Und: Wer denkt, dass die Tetanus-Impfung vor einer Sepsis schützt, liegt leider falsch. Sie verhindert nur den vom Bakterium C. tetani ausgelösten Wundstarrkrampf. Ein wenig indirekten Schutz vor einer Sepsis bietet dagegen die Impfung gegen Pneumokokken, die häufigsten Erreger bei Lungenentzündungen. Besonders ratsam ist diese laut den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission bei Kindern sowie bei Erwachsenen mit erhöhtem Risiko. Auch eine Grippeimpfung kann insbesondere bei Vorliegen einer chronischen Erkrankung wie Asthma oder Diabetes sinnvoll sein. Denn die Grippe zieht oft bakterielle Infektionen nach sich, die dann zu einer Blutvergiftung führen können.